Personalmangel: „Jedes dritte Hotel musste sein Angebot reduzieren“

Personalmangel: „Jedes dritte Hotel musste sein Angebot reduzieren“
Jeder dritte Tourismusschüler bleibt nicht in der Branche, das strukturelle Problem wird sich verschärfen

Die Zimmerreservierungen für den Sommer laufen auf Hochtouren, doch wer die Urlauber bewirten wird, ist in vielen Betrieben noch ein großes Fragezeichen. „Jedes dritte Hotel musste zuletzt sein Angebot reduzieren, jeder fünfte Hotelier Teile seines Betriebes schließen“, sagt Walter Veit, Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), am Eröffnungstag des ÖHV-Kongresses in Wien. 18 Prozent der Betriebe würden bereits ihr Geschäftsmodell überdenken. Es fehle an allen Ecken und Enden – zu wenig Köche, Kellner, Etagenpersonal.

Kritiker werfen an dieser Stelle gerne ein, dass die Hoteliers eben für attraktivere Arbeitsbedingungen sorgen müssen. Doch Veit will sich und seiner Zunft nicht den Schwarzen Peter unterschieben lassen: „Vor der Pandemie ist die Beschäftigungszahl im Tourismus stärker gestiegen als in anderen Branchen. Der akute Mitarbeitermangel trifft jetzt alle Branchen, vom Friseur bis zur Industrie.“

Ähnlich argumentiert auch Arbeitsminister Martin Kocher. „Zwischen 2019 und 2021 sind gar nicht so viel mehr Tourismusmitarbeiter in andere Branchen gewechselt. Das Problem war eher, dass um 20.000 Menschen weniger neu in die Branche gekommen sind.“ Grund dafür war die Pandemie und die damit unsichere Arbeitsplatzsituation.

Doch Corona kann nicht über ein strukturelles Problem hinwegtäuschen, das sich in den nächsten Jahren noch verschärfen wird: „Bis 2030 wird die Zahl der Arbeitskräfte in Österreich um rund 200.000 sinken“, rechnet Kocher vor. Dazu kommt die hohe Teilzeitquote, die auch dem Steuersystem geschuldet ist. Für viele zahlt es sich am Gehaltszettel schlicht nicht aus, mehr Stunden zu arbeiten. Der Ruf nach einer Senkung der Lohnnebenkosten bleibt damit ein Dauerbrenner in der Forderungsliste der Unternehmer an die Politik.

Jeder Dritte geht

An den Ausbildungsmöglichkeiten hapert es im Tourismus jedenfalls nicht. Rund 9.000 Jugendliche werden aktuell in den insgesamt 28 Tourismusschulen Österreichs ausgebildet, Tendenz sinkend. Zusätzliches Problem: Etwa 30 Prozent landen letztlich in anderen Branchen. Die Hälfte davon habe nie vorgehabt, im Tourismus zu bleiben, andere würden im Laufe der Ausbildung zur Erkenntnis kommen, dass sie nicht für einen Tourismusjob geschaffen sind, sagt Jürgen Kürner, Direktor der Tourismusschule Semmering. „Daran können wir nichts ändern. Doch 44 Prozent der Schüler kann man überzeugen, dass sie in der Branche bleiben, zumindest für ein paar Jahre.“ Entscheidend sei hier die Erfahrung im Pflichtpraktikum. Diese fällt übrigens meist überraschend gut aus, zeigt eine Umfrage, an der 1.474 SchülerInnen teilgenommen haben.

Doch die generellen Erwartungen an einen Job haben sich im Laufe der Generationen geändert, referiert der deutsche Philosoph Richard David Precht am ÖHV-Kongress. „Früher stand Arbeit im Zentrum des Lebens, heute leben wir in einer Sinngesellschaft. Arbeit soll Spaß machen und sollte auch nicht zu viel sein.“ Ähnlich argumentiert Antje-Britta Mörstedt von der Privaten Hochschule Göttingen. Sie hat Interviews mit 8.000 Jugendlichen geführt, um zu erforschen, wie diese arbeiten wollen. Fazit: Im Grunde nicht anders als ihre Eltern: „Sinn, Nachhaltigkeit und Spaß sind wichtig. Wer sie für seinen Betrieb gewinnen will, braucht gute Argumente.“ Gerne auch auf Video, am besten in Form von Erfahrungsberichten von Auszubildenden. Und natürlich attraktive Arbeitszeitmodelle.

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