Bereits im Herbst 2022 war es so weit: Die Preisrallye, die der österreichischen Immobilienwirtschaft seit Jahren gute Gewinne beschert hat, ging nach vielen Jahren zu Ende. Seit 2005 haben sich Wohnimmobilien in Österreich Jahr für Jahr verteuert – allein seit der Corona-Krise sind die Kaufpreise für Wohnungen und Häuser laut Raiffeisen Immobilien um 29 Prozent gestiegen. Die Rahmenbedingungen für Bauträger und Makler waren sehr gut, beinahe jede Wohnimmobilie konnte an den Mann oder die Frau gebracht werden.
Doch seit Ende 2022 entwickelt sich der Markt rückläufig: die Kaufpreise für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser sind gesunken. Die Faktoren, die dafür gesorgt haben, sind vielfältig: der Ukrainekrieg, die nach wie vor hohen Baukosten und Energiepreise, die rapide Zinswende sowie die strengen Vorschriften zur Kreditvergabe (kurz KIM-Verordnung).
Der bis vor Kurzem von den Verkäufern diktierte Markt hat sich um 180 Grad gedreht und in einen Käufermarkt gewandelt. Was eine gute Nachricht für Wohnungssuchende ist – Wohnraum im Eigentum ist billiger geworden, die Preise geben auch in den nächsten Monaten nach – hat für die Immobilienwirtschaft teils dramatische Folgen.
Die gestiegene Preise für Baumaterial, die nach wie vor hohen Grundstückspreise sowie die hohen Zinsen für Kredite machen neue Bauprojekte unrentabel. "Der Wohnungsneubau in Österreich steht so gut wie still", betont Andreas Köttl, Präsidiumssprecher der Vereinigung österreichischer Projektentwickler (VÖPE). "Das trifft für 90 Prozent der Projekte im geförderten Wohnbau zu."
Wurden im Jahr 2020 noch fast 45.000 Baugenehmigungen für den mehrgeschossigen Wohnbau in Österreich erteilt, so ist diese Zahl auf knapp 30.000 Einheiten im Jahr 2022 gesunken. Für 2023 wird ein Rückgang auf nur mehr rund 15.000 Genehmigungen erwartet. "Die Pipeline für die nächsten Jahre wird dünner", so Köttl. Eine Umfrage der VÖPE unter ihren Mitgliedsbetrieben zeigt, dass viele einen Umsatzrückgang in Höhe von rund 70 Prozent erwarten. Die Auswirkung: Eine Marktbereinigung ist im Gange. "Große Bauträger werden kleinere kaufen", prognostiziert Roland Schatz von Engel & Völkers Wien.
Die Auswirkungen auf den österreichischen Wohnungsmarkt sind seit Jahresbeginn spürbar. "Das Transaktionsvolumen am Wohnimmobilienmarkt ist im ersten Halbjahr 2023 um 25 Prozent eingebrochen", beziffert Sylvia Vedorfer, Gebietsleiterin für Österreich bei Engel & Völkers. Vor allem der Abverkauf von frei finanzierten Eigentumswohnungen funktioniert nicht mehr.
Für Wohnungssuchende bedeutet das, dass die Auswahl an Objekten am Markt größer geworden ist. "Das Angebotsvolumen am Markt ist mit einem Plus von 27 Prozent deutlich gestiegen", sagt Vedorfer. Verkäufer trennen sich jetzt verstärkt von Liegenschaften. Die Experten beobachten, dass Objekte auf den Markt kommen, die man in den vergangenen Jahren vergeblich gesucht hat, wie zum Beispiel Liegenschaften mit Seezugang, Chalets in den alpinen Lagen und Schlösser.
Die Kaufpreise für Wohnimmobilien sinken – doch nicht überall gleich stark: Während die Preise für neu errichtete Wohnungen und Häuser laut Raiffeisen Immobilien nach wie vor preislich relativ stabil sind, geben die Kaufpreise für Bestandsimmobilien nach. Freilich kommt es dabei auch auf die Lage und den Zustand der Immobilie an. "In Niederösterreich gibt es eine große Preisschere zwischen dem Speckgürtel und den westlicheren Gebieten", nennt Oskar Beirer von Engel & Völkers Niederösterreich ein Beispiel. Weniger gut nachgefragt sind in Zeiten der Energiewende unsanierten Immobilien mit veralteten Heizsystemen. "Einfamilienhäuser aus den 1960er und 1970er-Jahren werden nur mehr als Grundstück mit Altbestand beworben", erzählt Harald Martich, Geschäftsführer von Engel & Völkers in der Steiermark.
Eine weitere Auswirkung ist, dass Wohnungssuchende nun auch wieder mehr verhandeln und ihre Preisvorstellungen durchsetzen können. "Käufer hatten bis vor Kurzem wenig Verhandlungsmacht, das ändert sich jetzt", sagt Hansjörg Lenz, Geschäftsführer von Engel & Völkers Kärnten. Nun sind vor allem die Verkäufer gefordert, von ihren – teils überholten – Preisvorstellungen abzurücken, damit die Objekte veräußert werden können. "Die Leistbarkeit von Wohnraum war bisher der limitierende Faktor am Wohnungsmarkt", analysiert Raiffeisen-Ökonom Matthias Reith.
Da die nominellen Einkommen durch die hohe Inflation seit Sommer und auch in den nächsten beiden Jahre steigen, können sich die Menschen wieder mehr leisten – zum Beispiel den Kauf eines Eigenheims.
Ausblick: Gunter Deuber, Chefanalyst von Raiffeisen Research, rechnet mit einer Fortsetzung der schwachen Preisdynamik für die nächsten beiden Jahre. "Die nominellen Wohnungskaufpreise werden 2023 um fünf Prozent sinken", sagt er. Die stärkere Marktnormalisierung sei aber schon im vierten Quartal 2022 passiert. Bezogen auf Wien bedeutet das laut Experten, dass Wohnungen in den Bezirken 10 bis 23 um bis zu 10 bis 20 Prozent nachgeben, während die Preise in zentraleren Lagen stabiler bleiben. Im Vergleich zu den Preissteigerungen der vergangenen Jahre ist das freilich nur ein moderater Rückgang, eine Konsolidierung – nach der es nach ein paar Jahren auf einem normalisierten Niveau wieder bergauf gehen sollte, erwarten Experten.
Die hohe Inflation hat dazu geführt, dass indexierte Mietzinse stark steigen Die Wohnungsmieten in Österreich entwickeln sich abgekoppelt vom Markt für Eigentumswohnungen und Häusern. Viele Kaufinteressenten, die auf der Suche nach einer Wohnung oder einem Haus waren, jedoch keine Finanzierung bekommen haben, verbleiben in der Mietwohnung oder mieten eine neue an. Dadurch sind Mietwohnungen in Österreich aktuell besonders stark nachgefragt. Hinzu kommt, dass die hohe Inflation den Mietzins in den vergangenen Monaten in die Höhe getrieben hat. Vermieter passten die Mieten an die Teuerung an. Die Durchschnittsmiete in Wien liegt bei 9,1 Euro pro Quadratmeter, in Linz bei 10,8 Euro je m² und in Graz bei 11,20 Euro. Die Mieten in Österreich sind im Frühjahr 2023 erneut gestiegen, um 8,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Hinzu kommen die Betriebskosten für Wasser, Abwasser und Müllabfuhr sowie die Hausverwaltung, die Mietwohnungen zusätzlich verteuern. Viele Mieterinnen und Mieter in Mehrparteienhäusern sind derzeit mit außergewöhnlich hohen Nachzahlungen der Betriebskosten für das Vorjahr konfrontiert. Im Durchschnitt ist bei den gesamten Betriebskosten eine Steigerung um etwa sieben bis acht Prozent zu beobachten, so die Landesgeschäftsführerin der Mietervereinigung Oberösterreich. Nicole Hager-Wildenrotter.
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