Politiker überschlagen sich derzeit europaweit in Ankündigungen. Auf russisches Gas, eine der bisherigen Haupt-Energiequellen, soll möglichst bald verzichtet werden. Allein bis Jahresende sollen die Importe aus Russland um zwei Drittel zurückgehen.
Die USA sehen dabei auch ihre Chance, gut zu verdienen. Ist das Land doch in den letzten Jahren zu einem der größten Exporteure für Flüssiggas aufgestiegen. Der KURIER hat die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie viel Gas importiert Österreich aus Russland?
Etwa 80 Prozent kommen von dort, der Anteil der Eigenproduktion liegt unter 10 Prozent. Ein Fünftel des gesamten österreichischen Energieverbrauchs wird mit russischem Gas gedeckt.
Wie voll sind aktuell die Speicher?
Derzeit sind die österreichischen Gasspeicher etwa zu 12,5 Prozent gefüllt. Allerdings hat das Land mit 95 Terawattstunden (TWh) ein sehr hohes Speichervolumen, das einen durchschnittlichen Jahresbedarf von 90 TWh gut fasst. Die gute Nachricht ist: Die Heizsaison neigt sich dem Ende zu.
Gas braucht man auch zur Herstellung von Strom. Gaskraftwerke decken durchschnittlich 13,5 Prozent des österreichischen Strombedarfs. Global sind die Gas-Alternativen derzeit Atom- und Kohlekraftwerke. In Österreich müsste man die Kapazitäten der Pumpspeicher verdoppeln, um ausreichend Strom vom Sommer- ins Winterhalbjahr zu bringen, so Verbund-Chef Michael Strugl.
Um den gesamten heimischen Strombedarf aus erneuerbarer Energie zu gewinnen, bräuchte es seiner Meinung nach die gigantische Investition von rund 43 Milliarden Euro.
Was passiert, wenn das Gas abgedreht wird?
Für die Haushalte gäbe es kein Problem, denn sie werden bei der Versorgung bevorzugt. In der Industrie, auf die 40 Prozent des Verbrauchs entfallen, wäre in wenigen Wochen Schluss. Die Folge wäre ein massiver Rückgang des Bruttoinlandsprodukts und wohl auch ein Anstieg der Arbeitslosigkeit. Und Industrieprodukte wie Verpackungen würden ausgehen.
Kann man Erdgas nicht auch woanders kaufen?
Jein. Der größte Teil der Pipeline-Verbindungen geht nach Russland. Andere wichtige Förderländer wie Norwegen oder nordafrikanische Staaten können weder beliebig die Produktion erhöhen, noch gibt es die Transportkapazitäten. Eine große Hoffnung liegt also auf Flüssigerdgas.
Was ist Flüssigerdgas?
Erdgas besteht größtenteils aus Methan. Es kann gereinigt und durch Kühlung auf minus 160 Grad verflüssigt werden, man spricht dann auch von Liquefied Natural Gas (LNG). Dadurch hat es wesentlich weniger Volumen und kann in Tankschiffen transportiert werden. Dementsprechend gibt es für LNG einen globalen Markt.
Könnte Flüssiggas russisches Gas ersetzen?
Kurzfristig nicht. Denn die Infrastruktur aus Terminals und Pipelines reicht dafür nicht aus. Auch ist fraglich, wie viel von dem auch in Asien begehrten Energieträger am Weltmarkt überhaupt zur Verfügung steht – und zu welchen Preisen. Die USA haben Europa für heuer zusätzliche 15 Milliarden Kubikmeter LNG zugesagt, bis 2030 sollen es 50 Milliarden Kubikmeter werden. Das wäre aber nur etwa ein Drittel der Gasmenge, die Europa bisher aus Russland bezieht.
Warum pilgern westliche Politiker nach Katar und Saudi-Arabien?
Die Golfstaaten haben große Reserven an Öl und Gas. In Zukunft könnten sie auch als Produzenten von mit Ökostrom produziertem grünen Wasserstoff relevant werden. Die Europäer wollen ihre Energieversorgung diversifizieren, um weniger stark von Russland abhängig zu sein. Um Menschenrechte oder Demokratie geht es dabei nicht.
Also: Was ist realistisch?
Nach Schätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) kann Europa die Gasimporte aus Russland innerhalb eines Jahres maximal um etwa die Hälfte reduzieren. Und im Sommer müssen alle Speicher gefüllt werden. Wenn das alle gleichzeitig machen, wird es teuer.
Was bedeutet das für die Gasheizung zu Hause?
Faustregel: Ein Grad runterdrehen, spart sechs Prozent der Energie. Wer im Eigentum lebt, hat Alternativen zur Gasheizung. In gut isolierten Häusern bieten sich Wärmepumpen an, in älteren eher Biomasseheizungen. In Mehrparteienhäusern ist die Situation meist komplizierter. Dringend loswerden muss man seine Gastherme aber nicht. Denn nach Plänen der Bundesregierung können sie noch bis 2040 betrieben werden. Die durchschnittliche Lebensdauer einer Gastherme beträgt 15 bis 20 Jahre.
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