Die Suche nach neuen Erdgas-Quellen in Österreich
Das EU-Parlament hat sich Anfang April mehrheitlich für einen Lieferstopp von Gas, Öl und Kohle aus Russland ausgesprochen. Umgesetzt wurde er nicht, trotzdem sucht ein paar Monate später ganz Europa händeringend nach Alternativen zu russischen Energieträgern. So auch Österreich, wo sogar die seit Jahren verpönte Förderung von Schiefergas durch Fracking (siehe Grafik) wieder diskutiert wird.
So erklärte etwa kürzlich Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), es sei "verantwortungslos, in der aktuellen Lage österreichisches Gas-Potenzial weiterhin ungenutzt im Untergrund verkümmern zu lassen".
Öko-Fracking
Die Hoffnung ruht dabei auf einem schon vor mehr als zehn Jahren an der Montanuniversität Leoben entwickelten Verfahren, das ohne giftige Chemikalien auskommen soll. Stattdessen werden natürliche Stoffe wie Speisestärke verwendet.
Im Weinviertel soll einer alten Schätzung der OMV zu Folge genug Gas liegen, um Österreich bis zu 30 Jahre lang zu versorgen – andere Beobachter sind bezüglich der förderbaren Reserven weit weniger optimistisch. "Sie wissen es im Vorhinein natürlich nicht", sagt Herbert Hofstätter, Professor an der Montanuniversität Leoben, dazu auf Anfrage des KURIER. Beurteilen ließe sich das "erst, wenn Sie die Lagerstätte mehrere Jahre kennen", die Angabe mit 30 Jahren sei jedoch "mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor behaftet".
Dabei spiele auch die langfristige Preisentwicklung eine Rolle, denn je höher der Marktpreis von Gas, desto mehr zahle es sich aus, auch aufwendigere Methoden einzusetzen. Das Förderlimit ist insofern auch eine wirtschaftliche Frage.
Keine schnelle Lösung
Schnell ginge es aber auf keinen Fall. Das Leobener Verfahren wird bisher in Feldversuchen in Europa und den USA angewandt, kommerziell wird es aber nirgends eingesetzt. Die OMV hat ihre Pläne für Fracking im Weinviertel im Jahr 2012 nach massiven Widerständen aus der Bevölkerung eingestellt und heuer bereits mehrfach bestritten, eine Wiederaufnahme zu planen. Die Liste der Bedenken von Anrainern und Umweltschützern reicht von vergiftetem Grundwasser und Böden bis hin zu erhöhter Erdbebengefahr.
Verboten ist Fracking in Österreich – anders als in vielen EU-Ländern – übrigens nicht. Aber jede Bohrung müsste durch eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). In einem Land, in dem selbst Windräder und Hochspannungsleitungen durch Genehmigungsverfahren und Bürgerinitiativen jahrelang verzögert werden, ist die Idee, in kurzer Zeit ein Fracking-Projekt starten zu können, zumindest gewagt. „Bevor wir fördern könnten, sind wir am Ende der Dekade“, sagte dazu OMV-Chef Alfred Stern im KURIER-Interview.
Hohe Kosten
Österreich will bis 2040 auf Erdgas als Energieträger verzichten, die Nutzungsdauer wäre also sehr kurz. Angesichts der hohen dafür notwendigen Investitionen ist zudem fraglich, ob es sich überhaupt rentieren würde. So wurde etwa ein Projekt in Polen, einst großer Hoffnungsträger für Fracking-Gas in Europa, nach Probebohrungen wieder begraben, zu gering waren die Erträge.
In den USA ist Fracking steuerlich begünstigt, trotzdem gehen viele Förderunternehmen pleite, wenn die Energiepreise fallen. Und da die Auflagen für Umwelt- und Arbeitnehmerschutz in Österreich strenger sind als beispielsweise in Texas, würde die Förderung hierzulande voraussichtlich nicht billiger werden.
Dass Fracking in Europa kaum betrieben wird, bedeutet nicht, dass wir kein Schiefergas verbrauchen. Denn die Technologie wird bei einem Gutteil der US-amerikanischen Erdgas-Produktion genutzt. Und die europäischen Flüssiggas-Importe aus den USA sind seit Beginn des Ukraine-Kriegs deutlich angestiegen.
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