Ein Ausbleiben der Lieferungen über Baumgarten hätte massive Konsequenzen für Industrie und Wirtschaft. Natürlich gibt es ein Energielenkungsgesetz, das sicherstellen würde, dass Haushalte heizen können. Die Haushalte verbrauchen im Jahresdurchschnitt circa 20 Prozent des Gases, rund 35 Prozent brauchen wir für die Energie-Erzeugung und in etwa 40 Prozent für die Industrie. Aber das ist jetzt nicht der Punkt, sondern es geht darum, dass wir ja unsere Wirtschaftstätigkeit aufrecht erhalten wollen. Und das wäre nicht mehr in vollem Ausmaß möglich.
Sehen Sie die Gefahr, dass nicht Russland, sondern die EU sich selbst das Gas abdreht? Das wird vielfach bereits gefordert.
Ich glaube nicht, dass wir heute bereit sind für ein Embargo. Außer wir sind bereit, die Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Denn etwas muss klar sein, unsere Gasversorgung wird nicht aus unserer eigenen Produktion in Europa gedeckt, sondern durch Lieferungen aus Russland. Wir haben eine Gas-Taskforce eingerichtet, die checkt, was wir zur Versorgung beitragen können.
Was kann die OMV tun?
Einiges. Derzeit arbeiten wir an einem Vorschlag für die Zahlungsmodalitäten, der sanktionskonform ist. Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel. Das wäre die Voraussetzung, dass Russland weiter liefert. Bis zum heutigen Tag liefert Gazprom alles vertragsgemäß nach unseren Nominierungen. Zweitens füllen wir unsere Speicher signifikant, derzeit sind wir bei 30 Prozent, und lagern weiter ein.
Und die Produktion in Norwegen, an der die OMV beteiligt ist, ebenso wie am Flüssig-Gas Terminal Gate in Rotterdam.
Gas verkauft man mit möglichst geringen Transportwegen. Unser norwegisches Gas wird in Deutschland verkauft. Aber wir haben unsere Verkaufslogistik dort umgestellt und verkaufen nur noch ganz kurzfristig, um im Notfall Zugriff auf dieses Gas zu haben. Wir brauchen dann aber auch Zugriff auf Pipeline-Kapazitäten. Wir könnten auch zusätzliches LNG-Gas über Rotterdam nach Europa bringen, aber auch dafür brauchen wir Pipeline-Kapazitäten nach Österreich, die nicht ohne Weiteres zur Verfügung stehen.
Also was können wir im Notfall tun?
Da wird die europäische Solidarität ausschlaggebend sein. Dass wir uns einigen, wie wir das zu wenige Gas, das verfügbar ist, auf die verschiedenen europäischen Länder über die vorhandene Infrastruktur verteilen. Wie das geregelt würde, kann ich Ihnen nicht sagen, ich bin kein Politiker. Aus der Historie würde ich davon ausgehen, dass das hektisch wird. Ich möchte aber schon betonen: Kein Gas mehr aus Russland und niedrige Preise, das geht sich nicht aus. Das kostet etwas. Die OMV ist ein börsenotiertes Unternehmen, wir müssen wirtschaftlich arbeiten, das erwarten alle Aktionärinnen und Aktionäre, auch die Staatsholding.
Und Schiefergas im Weinviertel, damit könnten wir unseren Bedarf auf Jahrzehnte decken?
Wir haben keine Projekte für Schieferöl- und -gas. Man vermutet große Vorkommen, aber wir sprechen hier von Ressourcen und nicht Reserven. Das heißt, wir müssen zuerst einmal schauen, wie viel von dem vermuteten Gas tatsächlich vorhanden ist. Dann könnten wir eine Produktion überlegen. Dafür brauchen wir die gesetzlichen Grundlagen. Bevor wir fördern könnten, sind wir am Ende der Dekade und müssten hohe Investitionen tätigen. Wir könnten sinnvoller investieren, nämlich dort, wo wir langfristig erfolgreich sein können. Mit Geothermie zum Beispiel kann man Gasheizungen ersetzen.
Wir haben womöglich demnächst einen Energie-Notstand und Sie wollen aus Öl- und Gas hinausgehen. Sollte die OMV Ihre Strategie nicht rasch wieder ändern?
Es ist doch keine Rede davon, dass wir morgen hinausgehen. Wir investieren bis 2030 weiterhin massiv in Öl und Gas und entwickeln fünf neue Gasproduktionen, etwa in Norwegen oder im Schwarzen Meer, Stichwort Neptun. Gas ist als Brückentechnologie notwendig für die Energiewende. Von jährlich 3,5 Milliarden Euro investieren wir 1,6 Milliarden in Exploration & Produktion. Wir gehen nicht aus Energie hinaus, wir gehen nur langsam aus Öl- und Gas hinaus.
Die Liefer-Verträge mit Russlands Gazprom laufen bis 2040. Müssten wir bei einem Gas-Embargo trotzdem weiter bezahlen?
Wir sind zur Abnahme verpflichtet.
Aber die Verträge mit dem staatlichen Gasmonopolisten eines kriegsführenden Aggressors können uns doch egal sein.
Ich stimme Ihnen zu, dass dieser Krieg schrecklich ist und ich verurteile ihn, aber so funktioniert die Welt nicht. Wir können nicht einfach die Zahlungen einstellen, dafür brauchen wir eine Rechtsgrundlage, die es heute aber nicht gibt. Es gibt internationale Gerichte.
Die starke Abhängigkeit von Russland war offensichtlich die falsche Strategie. Sie haben zwei Milliarden Euro wertberichtigt, kann das noch mehr werden?
Das eine sind die Gaslieferungen: Russisches Gas war immer günstig, darum kommt so viel nach Europa. Eine andere Sache sind unsere Investitionen. Hier hat man das Länder-Risiko unterschätzt. Die Investitionen ins Gasfeld Juschno-Russkoje und die Finanzierung der Pipeline Nord Stream 2 wurden nach der Besetzung der Krim getätigt. Das waren Fehlentscheidungen. Unser Glück war, dass der Tausch unserer Beteiligung in Norwegen mit Gazprom nicht funktioniert hat, das wäre jetzt zusätzlich ungünstig. Je nachdem, was noch passiert, kann weiterer Wertberichtigungsbedarf entstehen, da wir Juschno noch nicht zur Gänze abschreiben konnten.
Und die von Beginn an umstrittene Pipeline?
Nord Stream 2 haben wir auf Null wertberichtigt, werden aber jede Chance ergreifen, uns das Geld zurückzuholen. Damit ist unser Russland-Abenteuer dann aber beendet.
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