Auf russisches Gas will Deutschland jedenfalls nicht so schnell verzichten. Das Bedrohungsszenario des Lieferstopps ist beidseitig, denn Europa will Gas, Russland will Geld. Habeck drohte zuletzt, dass der Bezug von russischem Erdgas nicht mehr aufgenommen werde, sollte Putin die Versorgung kappen.
Österreich besonders stark abhängig
Der Krieg in der Ukraine hat Europa seine Abhängigkeit von russischer Kohle, Öl und vor allem Gas drastisch vor Augen geführt. Etwa ein Viertel der Öl- und 40 Prozent der Gasimporte kommen aus Russland. In Österreich (22 Prozent), der Slowakei (28 Prozent), Ungarn (29 Prozent) und Lettland (23 Prozent) ist der Anteil von russischem Gas am gesamten Energieverbrauch besonders hoch, während er im Westen Europas gegen Null geht (siehe Grafik).
Nach Daten des Brüsseler Think Tanks Bruegel könnte etwa die Hälfe der europäischen Gasimporte aus anderen Quellen ersetzt werden. Neben Lieferungen aus Norwegen und Nordafrika könnte verflüssigtes Erdgas (LNG), etwa aus den USA und Katar eine größere Rolle spielen. Wie Marcell Göttert vom Think Tank Agenda Austria im Gespräch mit dem KURIER jedoch zu Bedenken gab, sind sowohl die für den Import notwendige Infrastruktur, als auch die am Weltmarkt verfügbaren Mengen limitiert. Ein Flüssiggas-Terminal zu bauen dauert mehrere Jahre.
Strategische Reserve
Die in Österreich geplante strategische Reserve ist für Göttert keine Lösung, denn sie deckt nur den Verbrauch eines kalten Wintermonats ab. Zwar könne man damit "einiges abfedern", aber "was machen Sie nach dem Monat"? In Deutschland ist ein Gesetzesentwurf, der die Speicherbetreiber verpflichten soll, vor dem Winter die Speicher 90 Prozent zu füllen in der Kritik. Der Konzern Uniper, auf den etwa ein Viertel des deutschen Speichervolumens entfällt, warnt davor, dass sich Unternehmen zurückziehen könnten, wenn das Geschäft durch Markteingriffe weniger profitabel werden sollte.
Sollte das Gas knapp werden, bekommt als erstes die Industrie ein Problem. Auf sie entfallen in Österreich gut 40 Prozent des Verbrauchs. Vereinzelt haben die hohen Preise heuer schon zu Produktionsstopps geführt. Da die Preise auf absehbare Zeit hoch bleiben werden, ist fraglich wie gut sich die Industrie daran anpassen kann. Manche Ökonomen befürchten, dass energieintensive Produktionen deswegen aus Europa abgesiedelt werden könnten.
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