Markus Rogan über Trump und Co.: „Die USA sind ein traumatisiertes Land“
Der erfolgreichste Schwimmer Österreichs ist zu Besuch in Wien. Ein Gespräch über seine Arbeit als Psychologe in LA, bevorstehende Wahlen und Trump, der „bei manchen Thematiken schon recht hat“.
Markus Rogan kann äußerst überzeugend sein. „Komm, zieh dir die Badehose an und hau dich rein! Du wirst sehen, nachher plaudern wir viel entspannter.“ Also beginnt der Arbeitstag für den KURIER-Redakteur um 7.30 Uhr mit einem Sprung in die Alte Donau, die Rogan mit ein paar Schwimm-Kollegen seit einer halben Stunde durchpflügt. Der 42-Jährige kehrt nur für wenige Tage in seine Geburtsstadt Wien zurück. Am Donnerstag hält er einen Vortrag beim Green Peak Festival, einer Nachhaltigkeitsveranstaltung. Danach kehrt er wieder zurück zu seiner Familie nach Bel Air in Los Angeles.
KURIER: Herr Rogan, wie sportlich sind Sie? Sie schauen einigermaßen fit aus.
Markus Rogan: Ja, ja. Letzte Woche waren amerikanische Meisterschaften. Ich habe zwar wenig trainiert, aber trotzdem gewonnen. Ich bin jetzt amerikanischer Altherrenmeister in der Klasse Ü40 über 100 Meter Rücken in 59 Sekunden. Einen Weltrekord halte ich auch über 200 Meter Lagen in 2:08 und über 400 Meter Lagen in 4:22. Dreimal pro Woche trainiere ich noch im Becken. Richtig fit halten mich aber meine zwei Söhne mit sechs und sieben Jahren.
Sie sind Psychologe und haben eine Praxis in Beverly Hills. Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich vor allem?
Leistungsangst. Aber auch Schizophrenie, Drogensucht und auch Neurosen. Wir sind mittlerweile zehn Leute, da können wir schon viel abdecken. Ich finde auch die menschlich-psychologische Dynamik spannend: Was bewegt Leute politisch? Politik drückt eigentlich nur Ängste aus. Die einen haben Angst vor Kommunismus, die anderen haben Angst vor Bösewichten oder Angst vor Fremden. Und durch das Wählen versuchen sie, ihre eigenen Ängste zu beruhigen.
Was schätzen Sie an den USA und an Los Angeles?
Es ist sehr ruhig. Wir wohnen auf einem Hügel und sehen über die ganze Stadt, das ist unglaublich. Ich schätze auch, dass man komplett anonym ist. Das ist wunderschön. Und es gibt keinen Neid. Gerade in LA wird einem jeder Erfolg gegönnt. Das gefällt mir am meisten. In Österreich versteckt man die großen Häuser hinter hohen Hecken, in LA gratuliert man einander.
Schwimmer: Markus Rogan wurde am 4. Mai 1982 in Wien geboren. Mit 34 Medaillen bei Großveranstaltungen ist er Österreichs erfolgreichster Schwimmer.
2 Silbermedaillen gewann Rogan bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen über 100 und 200 Meter Rücken.
Skandale: Nach der missglückten WM 2009 endete eine Nacht in einer Diskothek bei Rom mit Prellungen und Abschürfungen. 2020 entzog sich Rogan einer Corona-Quarantäne und flog von Tel Aviv zurück nach Los Angeles.
Jobs: Rogan studierte Psychologie und arbeitete u.a. als Mentalcoach für die israelische Fußball-Nationalmannschaft und das brasilianische Schwimmteam. In Los Angeles hat er eine Praxis mit zehn Mitarbeitern.
Privat: Markus Rogan ist zum Judentum konvertiert, verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt in Bel Air (Los Angeles)
Auf der anderen Seite ist die Armut in LA erschreckend.
Wahnsinn! Die soziale Schere ist riesig. Das, was die Reichen dazuverdienen, haben die Armen weniger. In Österreich werden 20 Prozent mehr Steuern bezahlt und umverteilt. Das gibt es in den USA nicht.
Gewöhnt man sich an den Anblick der Armut?
Nein. Es ist brutal und man hofft, dass man auf der oberen Seite bleibt. Man fällt in Amerika viel schneller und brutaler. Sichtbar ist die Armut auch in der Fettleibigkeit. Das ungesündeste Essen ist das billigste. Diese Extreme sind typisch. Die gute Mitte ist hier in Österreich.
Trump warnt, dass es unter den Demokraten „Healthcare“ für alle geben würde.
Ja, kurios. Aber man muss schon sagen, dass das soziale Netz in Österreich schon ausgenützt wird. Hier gehen Leute teilweise zum Arzt, obwohl es gar nicht nötig ist, weil das Netz eh alles zahlt.
Woher kommt die Angst der Amerikaner vor dem Kommunismus, wie er angeblich überall in Europa herrscht?
Naja, Europa ist schon Anti-Reichtum. Davor haben die Amerikaner richtig Angst. Sie sehen das so: In Europa gibt einem die Regierung die Rechte. In Amerika sagt man, Gott gibt mir die Rechte und die Regierung nimmt sie mir weg. Das ist ein riesiger Denkunterschied.
Woher kommen diese Unterschiede?
Man darf nicht vergessen: Die eine Hälfte der Amerikaner ist geflüchtet, die andere Hälfte war versklavt. Es ist ein irrsinnig traumatisiertes, ängstliches Land.
Ist die USA tatsächlich so gespalten, wie es aus europäischer Sicht wirkt?
Ja. Da gehen Freundschaften und Familien auseinander. Das Land ist permanent kurz vor sozialen Unruhen. Es sind irrsinnig viele Waffen im Land, es brodelt permanent. Als 2020 in Wien der Typ schießend im ersten Bezirk herumgerannt ist, war das in den Weltnachrichten. Das passiert in Amerika jeden Tag. Da fährt man dann halt außen herum. Aber natürlich habe ich wahnsinnig Angst um die Kinder. Die häufigsten Todesursachen bei Teenagern sind erschossen zu werden oder an einer Drogen-Überdosis zu sterben.
Aus europäischer Sicht wird Donald Trump gerne als Irrer gesehen ...
Natürlich ist er narzisstisch. Natürlich ist er verrückt und natürlich sagt er viele depperte Sachen. Es ist einfach, ihn zu verteufeln. Aber bei so manchen Thematiken hat er schon recht. Wenn er zum Beispiel sagt: „Ihr Europäer solltet jetzt auch einmal selber für eure Verteidigung zahlen.“ Dass er Saudi-Arabien an den Verhandlungstisch gebracht hat, vergisst man auch schnell.
Was kann nach den US-Wahlen passieren?
Egal, wer gewinnt, es gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit soziale Unruhen. Wenn Harris gewinnt, wird es heißen, die Wahl war gefälscht. Wenn Trump gewinnt, werden die anderen auf die Straße gehen. Er hat eben nicht dieses staatsmännisch Beruhigende.
Verfolgen Sie die Politik in Österreich?
Die Geschichte rund um Lena Schilling habe ich mitbekommen. Es tut mir weh, dass die Grünen so wurschteln, weil die haben eigentlich fantastische Ideen. Ich glaube, dass Österreich ein Naturjuwel ist. Das soll so bleiben. Manchmal wünsche ich mir, dass die Grünen besser organisiert wären. Man müsste die Manager von der ÖVP und die Wahlpeitscher vom Kickl mit den Grünen vereinigen.
Nummer 1 sollen die werden? Wahnsinn! Ich glaube das passiert, weil Europa so lange geschlafen hat. Die Deutschen haben 70 Jahre geschlafen und ihr Militär zu Tode gespart. Und jetzt steht Putin vor der Tür.
Sie haben mit Ihren Aussagen in Österreich oft polarisiert und aufgeregt.
Ja. Ich habe es einfach nicht geschafft, Ja und Amen zu sagen. Das fällt mir immer noch schwer. Ich glaube aber auch, dass ich zu oft zu viel mit zu viel Ahnungslosigkeit gesagt habe.
Sie hätten manchmal also nicht nur unter Wasser die Luft anhalten sollen?
Ja, das wäre sicher besser gewesen. Das habe ich aber nie geschafft. Wenn man sich anschaut, wie der Schneckerl Prohaska immer lieb ist und immer Schönes sagt. So ein wirklich netter Mensch! So nett bin ich einfach nicht.
In vier Jahren trägt Los Angeles zum dritten Mal Olympische Spiele aus. Was halten Sie davon?
Es gibt mehr als tausend Olympia-Athleten, die in LA wohnen, und ich bin im erweiterten Organisationskomitee, in der Athletenkommission. Es wird die Stadt wenig verändern, weil 84 Prozent der Struktur ist schon da, das ist schon cool. Für mich ist toll, dass das Schwimmen im SoFi-Stadion stattfinden wird vor 90.000 Zuschauern. Aber kurze Wege gibt es nicht. In der Gegend leben doppelt so viele Leute wie in Österreich.
Thema Social Media: Haben die Menschen verlernt, normal miteinander zu reden?
Absolut. Nur deswegen habe ich einen Job. Wenn Menschen ihre Gefühle offen und ohne Ängste ausdrücken könnten, gäbe es mein ganzes Berufsfeld nicht. So gesehen ist Social Media gut für das Geschäft. Das ist sogar messbar. Man kann die Herzvariabilität und die Herzfrequenz messen, wenn man auf Social Media ist. Es ist Stress pur.
Wie gehen Sie persönlich damit um?
Ich kann nur empfehlen, alle Apps zu löschen und nur noch über den Browser einzusteigen. Das reduziert die Belastung um 70 bis 80 Prozent. Natürlich gibt es interessante Informationen, aber die Apps sind von Suchtspezialisten entwickelt worden. Man darf dieses Ding auch nicht Handy nennen. Man sollte es Supercomputer nennen.
Was wird Ihnen nach Ihrer Rückkehr in die USA abgehen?
Österreich ist wunderschön, gerade hier an der Alten Donau ist es wie auf einer Insel der Seligen. Ich habe zwei Lebensentwürfe: Der eine ist, mit meiner Familie hierher zu ziehen, um dieses wunderschön Entspannte zu spüren. Aber vielleicht ist das Selige nur noch Fantasie. Ich weiß nicht, wie lange Österreich noch so ist. Der andere ist, die Brutalität der Realität in den USA voll zu erleben. Und ich bin eher auf dieser Seite: Nichts ist brutaler als die Realität. Lass uns ihr voll in die Augen schauen!
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