AfD triumphiert im Osten: Wie es jetzt weitergehen könnte
Die Prognosen behielten diesmal recht, und der klare Wahlsieger bei den Landtagswahlen in den deutschen Bundesländern Sachsen und Thüringen war die rechtsextreme AfD.
In Thüringen führte Spitzenkandidat Björn Höcke die Partei erstmals bei einer Landtagswahl auf Platz eins und holte sogar die Sperrminorität im Landtag, also ein Drittel der Mandate besetzen. Damit könnte die AfD die Wahl von Verfassungsrichtern blockieren, der Landtag könnte sich ohne AfD-Zustimmung nciht auflösen. Rechtsausleger Höcke sprach von einem "historischen Sieg". Dennoch stellte die CDU, die leicht zulegen konnte, in Person von Spitzenkandidat Mario Voigt den Regierungsanspruch.
Spektakulär war das Abschneiden der Linken und des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), das sich erst heuer formiert hat. Für das BSW entschied sich jeder siebente Thüringer.
In die Gegenrichtung ging es für die Linke unter Ministerpräsident Bodo Ramelow: Zwei Drittel der Wähler von 2019 gingen verloren.
Regieren – aber wie?
Leicht wird es in Thüringen für Voigt aber nicht, eine Mehrheit zu zimmern. Mit der AfD haben alle anderen Parteien eine Koalition ausgeschlossen. Da die Grünen den Einzug in den Erfurter Landtag offenbar verpasst haben, bräuchte Voigt das BSW, dessen Namensgeberin schon im Wahlkampf die Latte hoch gelegt hatte (Wagenknecht verlangte etwa ein Zurückrudern bei der Unterstützung der Ukraine), die SPD – und wohl die Linke, ein bisheriges No-Go in der Union. Eine andere Möglichkeit wäre eine Minderheitsregierung, wie sie Ministerpräsident Ramelow zuletzt führte. Darauf angesprochen, sagt Voigt am Sonntagabend über die Erfahrungen im Land: "Wir kommen aus fünf Jahren Minderheitsregierung."
Ähnlich die Situation für den CDU-Spitzenkandidaten und amtierenden Ministerpräsidenten Michael Kretschmer in Sachsen: Im Schlusssprint dürfte er die AfD auf den letzten Metern knapp noch überholt haben. Auch in Sachsen schließen alle Parteien eine Regierungsbildung mit der AfD aus.
Ohne Wagenknecht geht es nicht
Allerdings dürfte auch in Sachsen dem BSW die Rolle der Königsmacherin zukommen: Gemeinsam mit den Grünen, die um den Einzug ins Landesparlament zittern mussten, und der SPD hätte Kretschmer eine hauchdünne Mandatsmehrheit. Allerdings hatte er im Wahlkampf eine Wiederholung seiner jetzigen Koalition ausgeschlossen, vor allem ein neuerliches Regieren mit Grün. Bleibt nur mehr das BSW. Doch ein solches Bündnis fehlte ein Sitz im Landtag für die Mehrheit, Kretschmer wäre damit auch auf die Linke angewiesen, die dank zwei Direktmandate doch einziehen darf.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erinnerte noch am Sonntagabend an den Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei, was eine Zusammenarbeit mit der Linken angeht. Es gebe einen solche auch zu einer Zusammenarbeit mit der AfD, "und daran halten wir uns."
Desaster für Ampel-Regierung
Katastrophal das Abschneiden der Parteien der Berliner Ampelkoalition SPD-Grüne-FDP: In beiden Bundesländern kamen sie zusammen jeweils gerade einmal auf rund elf Prozent. Für die SPD wäre das Ergebnis in Thüringen das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. In Thüringen flog die Öko-Partei aus dem Landtag, in Sachsen schummelte sie sich noch hinein. Die Liberaldemokraten wurde mit jeweils einem Prozent Wählerzuspruch geradezu pulverisiert. Die FDP ist in keinem der beiden Landtage vertreten. Die Grünen erleiden in beiden Ländern deutliche Verluste.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert betonte, in den Ergebnissen "liegen Botschaften in Richtung der Bundespolitik". Grünenchef Omid Nouripour nannte die Ergebnisse "schmerzhaft". FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki hat mit Blick auf die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen sein eigenes Regierungsbündnis kritisiert: "Das Wahlergebnis zeigt: Die Ampel hat ihre Legitimation verloren", schrieb Kubicki auf X. Wenn ein beträchtlicher Teil der Wählerinnen und Wähler "in dieser Art und Weise die Zustimmung verweigert, muss das Folgen haben", fuhr er fort. Ob Kubicki damit ein Auflösen der Ampel-Koalition meinte, ließ er offen.
Proteststimmung und Wende-Erfahrung
Für den deutschen Politikwissenschaftler Volker Best von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg profitierte die AfD von der Proteststimmung im Osten Deutschlands. Doch mittlerweile habe die AfD auch eine Stammwählerschaft, sagt der Politologe zum KURIER. Andere wiederum meinen, dass auch der Messeranschlag von Solingen der AfD zusätzlich Wasser auf deren migranten- und ausländerfeindliche Schaufelräder gespült habe. Die deutsche Staatsspitze gedachte am Sonntag der Opfer.
Der Ostbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), ortet im Erfolgslauf der in Teilen rechtsextremen Partei noch einen anderen Grund: die geringe Parteienbindung in den gar nicht mehr so neuen Bundesländern. Dies wiederum fuße auf negativen Erfahrungen nach der Wende in der früheren DDR. Davon hätten AfD und das BSW Vorteile gezogen. Und natürlich von einer "Empörungswelle".
Doch nicht nur der Protest habe die neue Kraft BSW, die sich von der Linken abgespaltet hat, beflügelt, sagt Volker Best, sie "bedient auch inhaltliche Positionen, die es in Ostdeutschland gibt: das Thema Frieden in der Ukraine, wirtschafts- und sozialpolitische linke Positionen sowie gesellschaftspolitisch rechte Ansichten". Mit der Namensgeberin als charismatisches Zugpferd sei die "alte" Linke mit ihrem bundesweit einzigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow in Thüringen auf verlorenem Posten gestanden.
Und jetzt Brandenburg
Der nächste Stimmungstest findet in Brandenburg am 22. September statt – wo die AfD die Umfragen anführt und sich das BSW mit der CDU und der SPD, die den Ministerpräsidenten stellt, um Platz zwei matcht.
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