Bodo Ramelow, der "Kampfrentner": Mit Bratwürstel gegen die AfD

Es geht um die (Thüringer Brat-)Wurst: Bodo Ramelow (re.), im Bild mit Bundespräsident Steinmeier.
Bodo Ramelow ist der einzige Ministerpräsident, den die Linke in Deutschland stellt. Doch nach der Wahl am Sonntag könnte er der letzte gewesen sein.

Es wirkt wie ein zynischer Schwank des Schicksals: Im Nebengebäude tagt der Ortsverband des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) – jener Partei, die am Niedergang der Linken in ihrer letzten Hochburg Thüringen maßgeblich beteiligt ist. Nur wenige Meter entfernt, am Vorplatz eines Kulturzentrums, sitzt der Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow, auf grauen Couchmöbeln, im Hintergrund werden Bratwürstel gegrillt. Er spricht über die Erfolge seiner Minderheitsregierung: mehr Geld fürs Ehrenamt und Kindergärten, mehr Lehrer- und Ärztestellen, eine Petition für ein Pensionssystem mit einheitlicher Pensionskasse. Der Polit-Oldie lässt sich nichts anmerken – und noch weniger die Laune verderben.

Der 68-jährige Ramelow ist auf Wahlkampftour, die Zeit nennt es böse "Abschiedstour". Denn der erste und einzige Ministerpräsident der Linken dürfte nach der Landtagswahl am Sonntag Geschichte sein.

Seine Linke liegt weit abgeschlagen mit 14 Prozent auf dem vierten Platz, die rechtsextreme AfD dürfte stärkste Kraft werden. Wie schlecht seine Chancen stehen, weiß Ramelow. Auf entsprechende Journalistenfragen reagiert er dennoch trotzig: "Am 1. September ist keine Wahl des Ministerpräsidenten. Wir werden schauen, wie die Kräfteverhältnisse aussehen, und wer mit wem in Verhandlungen tritt", sagt er zum KURIER.

Sein Motto im Wahlkampf: "Wir dürfen uns Thüringen nicht kaputt quatschen lassen." Seit 2014 ist Ramelow im Amt, seit 2020 mit einer Minderheitskoalition, die er "niemandem empfehlen" würde. Sowas durchzuhalten, brauche „enorm viel Kraft“.

Bodo Ramelow bei einem Bürger-Gespräch im Wahlkampf in Jena.

Bodo Ramelow bei einem Bürger-Gespräch im Wahlkampf in Jena.

Dank Regierungskrise im Amt

Die letzte Regierungsperiode war die Folge einer Regierungskrise in Thüringen: Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich, dessen Partei es gerade so in den Landtag geschafft hatte, war mit Stimmen der CDU und der AfD ins Amt gewählt worden – eine Premiere in der Bundesrepublik, die für Empörung sorgte und Kemmerich zum Rücktritt zwang. An seine Stelle wurde Ramelow gewählt, versprochene Neuwahlen wegen der Corona-Krise nie angesetzt. Die Krise sitzt den Menschen nach wie vor in den Knochen: Auf der einen Seite stehen die, die nach dem 1. September eine ähnliche Chaosstiftung der AfD fürchten; auf der anderen Seite jene, die behaupten, man habe sie ihrer Wahl bestohlen.

Ramelow gilt als Realist, selbstbewusst, nicht selten besserwisserisch. Der Niedergang seiner Partei muss ihm, als einstigem Mitverhandler der Fusion der ostdeutschen PDS und der westdeutschen WASG zur Linken, nahe gehen. Sich selbst nennt er dennoch einen "hochaktiven Kampfrentner". In der Bevölkerung ist er beliebter als seine Partei.

Bodo Ramelow, der "Kampfrentner": Mit Bratwürstel gegen die AfD

Beliebter als eigene Partei

Auch deswegen ist der Wahlkampf auf ihn zugeschnitten. "Haltung und Anstand" steht auf den Plakaten, daneben ein Porträt des Ministerpräsidenten, das Logo der Linken fehlt. "Die Menschen kennen mich, ich bin seit 34 Jahren hier, sichtbar, anfassbar, nahbar."

Am Vorplatz hat sich hauptsächlich älteres Publikum versammelt, darunter loyale Genossen, die während der DDR bei der Sozialistischen Einheitspartei waren und der Nachfolgerin die Treue halten. Sie werden jedoch immer weniger.

Wahlplakat der Linken in Erfurt.

Wahlplakat der Linken in Erfurt.

Ob als Ministerpräsident oder nicht, im Landtag wird Ramelow mit den Abtrünnigen des BSW zusammenarbeiten müssen. "Ich kämpfe nicht gegen das BSW", betont er immer wieder. "Die eigentliche Herausforderung heißt Björn Höcke. Alle anderen Parteien müssen gesprächsfähig und handlungsfähig sein." Das Publikum ist weniger gut auf Wagenknecht zu sprechen, da wird sie auch mal "Zarenknecht" genannt – eine Anspielung auf ihre russlandfreundliche Position, was den Krieg in der Ukraine angeht.

Nach über zwei Stunden Redezeit kommt Ramelow zum Schluss: "So kompliziert das alles ist – ich genieße jeden Tag. Ich will, dass wir fröhlich über dieses Land nachdenken." Klatschen im Publikum, bevor sich ein paar Junge für ein Foto mit dem Ministerpräsidenten anstellen. Der "Kampfrentner" hält durch, bis zum letzten Selfie.

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