Ganz Georgien feiert. Lange hat man darauf gewartet

Ganz Georgien feiert. Lange hat man darauf gewartet
EM-Porträts, Teil 12: Giorgi Bidzinashvili hofft auf sein Land – und einen neuen Trainerjob in Wien.
Von Uwe Mauch

Der 26. März 2024, es war ein Dienstag, wird wohl in die jüngere Geschichte Georgiens als Republik eingehen: Als der Einwechselspieler Nika Kvekveskiri den Elfmeter gegen Griechenland verwertet und damit sein Land zur EURO schießt, sind der Krieg, die Korruption, Wirtschaftskrise und alle anderen Probleme im politisch und ökonomisch instabilen Land kurzfristig kein Thema für die Leute.

„Es gab am nächsten Tag nicht einmal ein Verbrechen in Tiflis“, erzählt der in Wien beschäftigte Postler Giorgi Bidzinashvili in der Sportkantine des Helfort-Platzes. „Georgien hat sich jetzt zum ersten Mal für eine Endrunde qualifiziert – und wir alle sind noch immer in einem emotionalen Ausnahmezustand.“

Ganz Georgien feiert. Lange hat man darauf gewartet

Auch für den 46-Jährigen mit österreichischem Pass erfüllte sich endlich ein Traum: „Ich habe schon als Kind in unserem Nationalstadion in Tiflis immer auf einen großen Sieg der Unsrigen gehofft.“

Nach seiner Matura hat Giorgi Bidzinashvili gut vier Jahre lang professionell für einen Hauptstadtverein in der zweiten Liga Georgiens gespielt, parallel dazu eine Fußballtrainer-Ausbildung an der Sport-Akademie in Tiflis absolviert. Er hatte bereits die UEFA-A-Lizenz in der Tasche, als er sich mit 24 entschlossen hat, seine von Bürgerkriegen und Skandalen schwer in Mitleidenschaft gezogene Heimat für immer zu verlassen.

Dennoch sollte es in Österreich noch zehn Jahre lang dauern, bis man ihm eine Arbeitserlaubnis erteilte.

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„Geholfen hat mir dabei der Fußball“, sagt der Briefträger (Postamt 1060). „Ich will mich daher bei all diesen tollen Menschen bedanken, die ich durch den Fußball kennenlernen durfte.“ Er hat sich aber auch immer in den Dienst der Amateurvereine in Wien und Umgebung gestellt.

„Manche haben gemeint, dass ich als Trainer zu streng bin“, erzählt der in Georgien Sozialisierte. Mag sein. Auch er trägt in und mit sich, was er als Junger gelernt hat.

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Beim Rauchen erwischt

Dem Georgier fällt das Auswärtsmatch seines Vereins ein, 400 Kilometer von Tiflis entfernt: „Unser Trainer hat dort einen jungen Spieler beim Rauchen erwischt.“ Die Reaktion war extrem: „Der durfte nicht zu uns in den Bus einsteigen. Wir fuhren ohne ihn heim.“

Der Augenzeuge schüttelt den Kopf, betont aber auch: „Wenn einer zu spät kommt, lässt er seine Mannschaft hängen. Das kann ich nicht tolerieren.“

Muss er im Moment auch nicht, weil er aktuell keine Mannschaft trainiert. Würde er gerne? „Ja, sehr gerne.“

Vorerst freut sich Giorgi aber auf seine Georgier bei der EURO: „Wir sind schon im ersten Spiel gegen die Türkei Außenseiter. Macht aber nix. Wir können ohne Druck spielen und in Deutschland eigentlich nur gewinnen.“

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