Ganz Georgien feiert. Lange hat man darauf gewartet

Der 26. März 2024, es war ein Dienstag, wird wohl in die jüngere Geschichte Georgiens als Republik eingehen: Als der Einwechselspieler Nika Kvekveskiri den Elfmeter gegen Griechenland verwertet und damit sein Land zur EURO schießt, sind der Krieg, die Korruption, Wirtschaftskrise und alle anderen Probleme im politisch und ökonomisch instabilen Land kurzfristig kein Thema für die Leute.
„Es gab am nächsten Tag nicht einmal ein Verbrechen in Tiflis“, erzählt der in Wien beschäftigte Postler Giorgi Bidzinashvili in der Sportkantine des Helfort-Platzes. „Georgien hat sich jetzt zum ersten Mal für eine Endrunde qualifiziert – und wir alle sind noch immer in einem emotionalen Ausnahmezustand.“

Wir stellen Ihnen zur EURO insgesamt 23 Protagonisten aus der Wiener Fußballwelt vor. Jede Person steht für eines der 23 Länder, die sich neben Österreich für die EM qualifiziert haben.
Egal ob Highlander in Kaisermühlen, Schiedsrichter aus dem Gastgeberland Deutschland, der slowakische Masseur vom SC Mannswörth, die Torfrauen aus Italien und Serbien oder der dänische U-8-Spieler bei Union Mauer - alle haben dieses Leuchten in den Augen, wenn sie erklären, was den Reiz des Fußballs ausmacht und was sie ihrem Heimatland bei der EURO zutrauen.
Teil 1: Ein deutscher Schiri pfeift in Wien. Geht das?
Teil 2: Ein Schotte vereint Fußball-Nationen – in Wien-Kaisermühlen
Teil 3: „Dagi“ wartet auf Nachricht aus Serbien
Teil 4: Wo Floridsdorfs Fußball an Slowenien erinnert
Teil 5: „Als Engländer kannst du nur eines: hoffen“
Teil 6: Polnische Feiertage auf dem FavAC-Platz
Teil 7: „Bei uns in Ungarn gibt es mehr Akademien“
Teil 8: Er heiratet um elf, Belgien spielt um 21 Uhr
Teil 9: „Danish Dynamite“ im Südwesten von Wien
Auch für den 46-Jährigen mit österreichischem Pass erfüllte sich endlich ein Traum: „Ich habe schon als Kind in unserem Nationalstadion in Tiflis immer auf einen großen Sieg der Unsrigen gehofft.“
Nach seiner Matura hat Giorgi Bidzinashvili gut vier Jahre lang professionell für einen Hauptstadtverein in der zweiten Liga Georgiens gespielt, parallel dazu eine Fußballtrainer-Ausbildung an der Sport-Akademie in Tiflis absolviert. Er hatte bereits die UEFA-A-Lizenz in der Tasche, als er sich mit 24 entschlossen hat, seine von Bürgerkriegen und Skandalen schwer in Mitleidenschaft gezogene Heimat für immer zu verlassen.
Dennoch sollte es in Österreich noch zehn Jahre lang dauern, bis man ihm eine Arbeitserlaubnis erteilte.

Giorgi Bidzinashvili: Geboren am 13. 2. 1978 in Tiflis/Tblisi, besitzt die UEFA-A-Lizenz. In Österreich war er Trainer bei Amateurvereinen in Wien, NÖ und im Burgenland.
Sakartwelos Pechburtis Pederazia: Der georgische Fußballverband ist seit 1992 Mitglied der FIFA und UEFA; bei der EURO 2024 in einer Gruppe mit der Türkei, Tschechien und Portugal.
„Geholfen hat mir dabei der Fußball“, sagt der Briefträger (Postamt 1060). „Ich will mich daher bei all diesen tollen Menschen bedanken, die ich durch den Fußball kennenlernen durfte.“ Er hat sich aber auch immer in den Dienst der Amateurvereine in Wien und Umgebung gestellt.
„Manche haben gemeint, dass ich als Trainer zu streng bin“, erzählt der in Georgien Sozialisierte. Mag sein. Auch er trägt in und mit sich, was er als Junger gelernt hat.

Beim Rauchen erwischt
Dem Georgier fällt das Auswärtsmatch seines Vereins ein, 400 Kilometer von Tiflis entfernt: „Unser Trainer hat dort einen jungen Spieler beim Rauchen erwischt.“ Die Reaktion war extrem: „Der durfte nicht zu uns in den Bus einsteigen. Wir fuhren ohne ihn heim.“
Der Augenzeuge schüttelt den Kopf, betont aber auch: „Wenn einer zu spät kommt, lässt er seine Mannschaft hängen. Das kann ich nicht tolerieren.“
Muss er im Moment auch nicht, weil er aktuell keine Mannschaft trainiert. Würde er gerne? „Ja, sehr gerne.“
Vorerst freut sich Giorgi aber auf seine Georgier bei der EURO: „Wir sind schon im ersten Spiel gegen die Türkei Außenseiter. Macht aber nix. Wir können ohne Druck spielen und in Deutschland eigentlich nur gewinnen.“
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