Wie sich die WKStA unter der grünen Justizministerin Zadić verändert hat
Der justizinterne Streit zwischen Pilnacek und den „fantastischen Vier“, Zerschlagungspläne der ÖVP, das Ringen um eine neue Weisungsspitze und ein Mega-Verfahrenskomplex: ein Rück- und Ausblick.
Es begann mit einem Sager: „Daschlogt’s es.“ Ab Mai 2019, nach einer Dienstbesprechung, war die bis dahin medial eher unauffällige Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in aller Munde.
Erst, weil die WKStA wegen obigen Satzes den für sie zuständigen Sektionschef Christian Pilnacek angezeigt hatte (der Vorwurf lautete, er habe Eurofighter-Ermittlungen abdrehen wollen, mehr dazu hier) und ein justizinterner Konflikt entbrannte. Kurz darauf platzte schon die Ibiza-Affäre, aus der sich ein weitverzweigter Verfahrenskomplex entwickelte. Zahlreiche Politiker gerieten ins Visier der WKStA, die dabei auch selbst zur Zielscheibe wurde.
Als Justizministerin Alma Zadić Anfang 2020 ins Amt kam, heftete sie sich auf die Fahnen, sich „schützend vor die unabhängige Justiz“ zu stellen. Doch was hat sich für die WKStA in dieser Zeit verändert? Und wie geht es für die Behörde weiter?
Besagte Eurofighter-Dienstbesprechung offenbarte einen tiefen Konflikt zwischen der WKStA und ihrer Fachaufsicht – bestehend aus der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) mit Johann Fuchs und der Sektion im Justizministerium mit Christian Pilnacek an der Spitze.
Pilnacek wurde entmachtet, indem Zadić seine Sektion teilte. Kurz darauf wurde er wegen weiterer Vorwürfe suspendiert. Im Oktober 2023 starb Pilnacek. Fuchs leitet noch immer die OStA, betreut aber keine Verfahren der WKStA mehr.
Und Sebastian Kurz, der im Zuge der anlaufenden Ermittlungen gegen ÖVP-Politiker behauptete, die Justiz sei von „roten Netzwerken“ durchzogen, hat im Oktober 2021 die Politik verlassen. Aber auch im Zuge seines Falschaussage-Prozesses blieb er bei seiner Erzählung: Die Ermittlungen seien „politisch motiviert“. Auch seinen (nicht rechtskräftigen) Schuldspruch fand er „unfair“.
Im Frühjahr 2021 wurde publik, dass die ÖVP die WKStA umbauen – um nicht zu sagen: zerschlagen – will. Aus einer sollten vier auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Behörden werden. Die Grünen forcierten stattdessen ihr Modell einer unabhängigen Weisungsspitze – was im Gegenteil eine Stärkung der WKStA bedeutet hätte. Sie hätte von der OStA losgelöst und direkt einer neuen „Generalstaatsanwaltschaft“ unterstellt werden sollen. Auch das scheiterte, ÖVP und Grüne wurden sich nicht einig.
Per Erlass wurde dann zumindest die Berichtspflicht gelockert: Hausdurchsuchungen müssen nicht mehr drei Tage im Voraus, sondern erst kurz vorher gemeldet werden – sprich: wenn die WKStA schon vor der Haustür steht.
Das Personal
Die „fantastischen Vier“ sind nicht mehr: Aus dem Gespann, das im Ibiza-Verfahren federführend ermittelt hat – „überschießend“, wie Beschuldigte und politische Opponenten es empfanden –, ist heute nur noch Matthias Purkart übrig. Das bekannteste Mitglied, Gregor Adamovic – er trat auch als Ankläger im Falschaussage-Prozess gegen Kurz auf –, hat sich im Frühjahr zum Landesgericht St. Pölten verabschiedet.
Nach Patzern bei Anklagen (siehe Causa Chorherr) wurde bei der internen Kontrolle nachgeschärft: Auf Verfügung der Behördenleiterin Ilse Vrabl-Sanda werden bei umfangreichen Causen Teams gebildet. Das Ibiza-Team besteht heute aus einem Teamleiter, sieben (Ober-)Staatsanwälten und zwei Wirtschaftsexperten.
Wie in Verteidiger-Kreisen zu hören ist, habe sich die Lage etwas entspannt – neue Kräfte hätten einen frischen Blick in die Ermittlungen gebracht.
Insgesamt wurde bei der WKStA in Zadić’ Amtszeit von 39 auf 45 (Ober-)Staatsanwälte aufgestockt.
Der Ibiza-Komplex
Nach fünfeinhalb Jahren zählt der Ibiza-Komplex noch immer knapp 40 Beschuldigte – und neuerdings einen Kronzeugen: Thomas Schmid, Ex-Finanz-General, belastete in der Inseraten-Causa u. a. Kurz schwer. Bis zu einem Prozess dürfte es noch dauern.
In der Causa um Ex-Casag-Vorstand Peter Sidlo (einem der ältesten Ermittlungsstränge) gibt es einen Vorhabensbericht; ein Ergebnis ist noch nicht bekannt.
Ende 2023 hatte die WKStA 76 Großverfahren; 15 weitere fielen heuer an, etwa zur Signa-Pleite. Bei einem Drittel geht es um Cybercrime – ein riesiger Bereich, der öffentlich nicht so im Fokus steht wie Ibiza.
Von einer neuen Regierung wünscht sich die Justiz entsprechend Personal. Und dass das Projekt Generalstaatsanwaltschaft weiterverfolgt wird – bei einer Koalition von ÖVP, SPÖ und Neos besteht Hoffnung.
Auch darauf, dass ein neuer (parteifreier?) Minister mehr Ruhe in die Justiz bringt. Aufregung hatte die WKStA in den vergangenen Jahren genug.
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