Pilnacek im Endlos-Kampf gegen eine Justiz, die ihn verstoßen hat

Christian Pilnacek
Christian Pilnacek steht mitten in einem Konferenzzimmer im 2. Stock eines Bürokomplexes in Wien-Landstraße und schaut aus dem Fenster – in Gedanken versunken und unbeirrt von Journalisten, die um ihn herumgehen müssen, um zu ihren Sitzplätzen zu gelangen. Um Punkt 9.30 Uhr setzt er sich auf seinen Platz, die Verhandlung vor einem Dreiersenat der Bundesdisziplinarbehörde kann beginnen. Seine Hand zittert ein wenig, als er sich ein Wasser einschenkt. Wohl nicht aus Nervosität (in Terminen wie diesen ist er mittlerweile geübt) sondern aus Verärgerung.
Seine Suspendierung an sich, aber auch den Medienandrang und die rege Berichterstattung im Vorfeld der Verhandlung findet Pilnacek „völlig unverhältnismäßig“. „Was wirft man mir überhaupt vor? Ich habe nie etwas zum eigenen Vorteil gemacht, es gibt auch keine Vorwürfe in diese Richtung“, sagt er. Und: „Ich habe übrigens auch niemals Inserate vergeben.“ Den Seitenhieb auf die aktuellen Geschehnisse (Stichwort ÖVP-Inseratenaffäre) leistet er sich gerade noch.
„Freundschaftlicher Rat“
Pilnacek ist seit Februar 2021 suspendiert, als Ermittlungen wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses in Gang gesetzt wurden. Auf seinem Handy wurden dann Chats entdeckt, aus denen sich weitere Verdachtsmomente ergeben haben. Manche davon sind strafrechtlich schon abgehandelt, um die dienstrechtliche Seite geht es jetzt bei der Bundesdisziplinarbehörde.
Erstens soll Pilnacek einer Journalistin ein Amtsgeheimnis verraten haben – in dieser Causa wurde er bereits freigesprochen.
Zweitens gibt es Chats mit dem Kabinettschef des damaligen ÖVP-Finanzministers Gernot Blümel in Bezug auf eine Hausdurchsuchung und eine Sicherstellungsanordnung. „Das ist ein Putsch!!“, „Nur eine Beschwerde hilft“ und „Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?“, schrieb Pilnacek dem ÖVP-Mann.
Der Sektionschef bezeichnet diese Chats als „freundschaftlichen Rat“ und „privaten Austausch“; der Ex-Kabinettschef spricht später bei seiner Zeugenvernehmung eher von einer „beruflichen Notwendigkeit“. Er habe von Pilnacek, einem ausgewiesenen Strafrechtsexperten, eine Einschätzung gebraucht, sagt er.
Drittens wird Pilnacek vorgeworfen, dass er von Mitarbeitern der Oberstaatsanwaltschaft Unterlagen aus dem Ibiza-Verschlussakt geschickt bekommen hat, obwohl er (wegen einer justizinternen Umstrukturierung, siehe Infobox) nicht mehr dafür zuständig war. Weil er das nicht gemeldet hat, soll er seine Dienstpflicht verletzt haben. Pilnacek bekennt sich „nicht schuldig“.
Christian Pilnacek
ist seit 2010 Sektionschef im Justizministerium und war lange Zeit für Einzelstrafsachen zuständig – hatte also die Fachaufsicht über Staatsanwaltschaften. 2020 ließ die grüne Ministerin Zadić die Sektion teilen und Pilnacek entmachten. Bis zur Suspendierung 2021 war nur noch für Legistik zuständig
Die WKStA
liegt mit Pilnacek seit einer Dienstbesprechung zur Eurofighter-Causa 2019 im Clinch. Kurz darauf platzte auch noch die Ibiza-Causa - und immer mehr Vorwürfe, auch gegen Pilnacek, wurden laut.
Auf dem Papier geht es um diese Vorwürfe, im Hintergrund aber um viel mehr: Sinngemäß wird Pilnacek seit mehreren Jahren vorgeworfen, er habe seine Macht als Sektionschef gegen die WKStA, die eigene Strafverfolgungsbehörde und für beschuldigte ÖVP-Politiker eingesetzt. Als Indiz dafür wird etwa der Chat mit dem Kabinettschef gewertet.
Kaltgestellt
Pilnacek hingegen sieht sich als gerechter Kritiker einer „kritikunfähigen“ WKStA, den man jetzt, mit einer grünen Justizministerin an der Spitze, kaltgestellt habe. Ebenso wie seinen „Verbündeten“ Johann Fuchs, Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien.
Der Kampf gegen seine Suspendierung ist für Pilnacek auch ein Kampf gegen eine Justiz, die ihn – subjektiv gesehen – verstoßen hat und nicht mehr auf ihn hört.
Dabei muss man bedenken: Pilnacek ist seit 2010 Sektionschef, und über weite Teile verlief seine Karriere reibungslos. Er galt zwar als autoritär, war aber ein angesehener Jurist. Viele Gesetze aus dieser Zeit tragen seine Handschrift. Erst 2019 – Anlass war das Eurofighter-Verfahren – kippte die Stimmung, immer mehr Vorwürfe wurden seither laut.
Fortsetzung folgt
Die Disziplinarverhandlung wird am 27. April fortgesetzt. Selbst wenn sie zu seinen Gunsten ausgeht, ist die Suspendierung noch nicht vom Tisch. Es handle sich nur um ein „Teilverfahren“, es seien „noch weitere Fakten“ anhängig, betont der Disziplinaranwalt. Und: Gegen die Entscheidung kann (und wird?) das Justizministerium Rechtsmittel ergreifen.
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