Pilnacek, Fuchs und Marek: Die weißen Elefanten in der Justiz
In der Politik führt ein Skandal, wenn er nur groß genug ist, zum Rücktritt. Von Heinz-Christian Strache bis hin zu Sebastian Kurz und dessen Getreuen: In den vergangenen Jahren haben gleich mehrere Polit-Karrieren ein jähes Ende gefunden.
In der Justiz ist das anders. Hier gibt es keine Partei, die einem das Vertrauen entzieht, keinen Wähler, vor dem man sich fürchten muss. Hier wird man zum „weißen Elefanten“.
Formal noch im Amt, aber ohne Macht und ohne bzw. mit sehr reduzierten Aufgaben fristen aktuell drei Größen der Justiz ihr Dasein: Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien; Christian Pilnacek, suspendierter Sektionschef im Justizministerium; und Eva Marek, Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes.
Ihr Ansehen ist durch ungustiöse Chats oder strafrechtliche Vorwürfe schwer beschädigt – für eine Absetzung hat es bisher aber noch bei keinem gereicht. Für einen Amtsverlust braucht es bei Beamten schon gröbere Dienstpflichtverletzungen bzw. längere Freiheitsstrafen.
Allerdings sind die Karrieren von Fuchs, Pilnacek und Marek in der Schwebe – und die Aussichten düster. Der KURIER hat sich in Justiz-Kreisen umgehört. Ihre Geschichten im Detail.
- Johann Fuchs: Cybercrime statt WKStA
Als Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft (OStA) hat Johann Fuchs eigentlich die Fachaufsicht über alle Staatsanwaltschaften in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland.
"Eigentlich" – denn die Aufsicht über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat er im Frühsommer 2021 an seinen Stellvertreter übertragen. Dem vorangegangen sind jahrelange Streitigkeiten und gegenseitiges Misstrauen, die immer wieder für Schlagzeilen gesorgt haben (Stichworte: heimliche Tonaufnahme einer Besprechung bzw. Überlegungen über die Observierung eines WKStA-Mannes). Konkreter Auslöser war dann sein Strafverfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses und Falschaussage im U-Ausschuss.
Der Schuldspruch wurde kürzlich in zweiter Instanz aufgehoben, der Prozess muss wiederholt werden. An Fuchs’ beruflicher Situation ändert das vorerst nichts – die Kontaktsperre zur WKStA ist aufrecht.
Kein Dauerzustand
Mit seinem eingeschränkten Tätigkeitsbereich ist Fuchs offenbar nicht ausgelastet – und hat sich selbst eine Aufgabe gesucht: Er arbeite innerhalb der Justiz an einem Konzept zur Bekämpfung von Cyberkriminalität und habe sich mittlerweile auch eine Expertise aufgebaut, wie man hört. Auf Twitter teilte er kürzlich ein Video von Eurojust zu dem Thema.
Löblich, aber wohl kein Dauerzustand. Dass der OStA-Chef seinen Bereich wieder voll zurückbekommt, halten Teile der Justiz für ausgeschlossen. Zu heftig waren die Auseinandersetzungen zwischen den Korruptionsjägern und ihrem Fachaufseher, das Vertrauen ist nachhaltig gestört.
Ausweg gesucht
Die Sache auszusitzen, geht sich wohl nicht aus: Mit 57 Jahren ist Fuchs noch ein gutes Stück von der Pensionierung entfernt. Und „wegloben“ – etwa auf einen EU-Posten – lässt sich der bodenständige Burgenländer (Eigendefinition) wohl kaum. Aktuell verdient er als OStA-Leiter rund 11.700 Euro brutto im Monat.
Einen möglichen Ausweg gäbe es, auf den die WKStA im Zuge der geplanten Justiz-Reform hofft: Sie möchte aus der Struktur der anderen Staatsanwaltschaften herausgelöst und auf die Ebene der Oberstaatsanwaltschaften gehoben werden – damit wäre sie direkt dem neuen Bundesstaatsanwalt als unabhängige Weisungsspitze unterstellt.
Soweit die Idee, die auch im Bericht einer Arbeitsgruppe zur Reform vorkommt, offiziell ist das aber (noch) nicht geplant.
- Christian Pilnacek: Dauer-Suspendierung
Im Februar 2021 verließ Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, seinen Arbeitsplatz – und kehrte bis dato nicht zurück. Ermittler hatten ihn dort aufgesucht und sein Handy beschlagnahmt, Pilnacek wurde suspendiert und musste seine Zutrittskarte abgeben.
Ihm wird vorgeworfen, eine geplante Hausdurchsuchung verraten zu haben, später stand er wegen derselben Causa wie OStA-Chef Johann Fuchs (siehe oben) vor Gericht. Von Letzterem wurde Pilnacek im Sommer rechtskräftig freigesprochen, was Ersteres betrifft, steckt er fest: In dem Verfahren, das bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck geführt wird, geht seit fast zwei Jahren nichts weiter.
Strafverfahren stockt
Grund ist ein Sichtungsverfahren bei seinem Mitbeschuldigten, Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter. Er soll Pilnacek zum Geheimnisverrat angestiftet haben, um dann seinen Mandanten vor der Razzia zu warnen.
Brandstetter wurde am selben Tag wie Pilnacek das Handy abgenommen – er ließ es aber sofort versiegeln. Als Anwalt hat er das Recht, dass sein Berufsgeheimnis gewahrt bleibt. Und dem Vernehmen macht er von diesem Recht ausgiebig Gebrauch – jedenfalls hat man sich bisher nicht einigen können, welche Datenbestandteile ausgelesen werden dürfen und welche nicht. Auf KURIER-Anfragen bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck heißt es seit Monaten, der Stand sei „unverändert“.
Der „Leidtragende“ ist Pilnacek: Solange bei ihm ein Verfahren läuft, dauert auch die Suspendierung an.
Hohe Rückzahlung
Während der Suspendierung erhält der Sektionschef nur zwei Drittel seines Gehalts von monatlich rund 10.900 Euro. Sollten das Strafverfahren und später auch das Disziplinarverfahren zu seinen Gunsten ausgehen, dann muss das entgangene Drittel rückwirkend ausbezahlt werden, bestätigt das Ministerium. Nach mehr als zwei Jahren ist das eine Menge Geld.
Was die weitere Laufbahn des ausgewiesenen Strafrechtsexperten betrifft, ist vieles offen. Derzeit führt sein Stellvertreter die Sektion. Dass Pilnacek in vollem Umfang an seinen Posten zurückkehrt, halten viele – ähnlich wie bei Fuchs – atmosphärisch für unvorstellbar. Überlegt wird dem Vernehmen nach eine vorzeitige Pensionierung, Pilnacek wird heuer 60 Jahre alt.
Offen ist freilich, wie kompromissbereit der geschasste Sektionschef nach Jahren des Konflikts noch ist – oder ob er es auf eine Konfrontation anlegt.
- Eva Marek: Vizepräsidentin ohne Pouvoir
Eva Marek ist Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes. Ursprünglich hatte sie im Justizpalast am Schmerlingplatz aber ein anderes Büro im Auge: jenes der Generalprokuratur. Zumindest geht das aus Chats hervor, die im Jänner 2022 publik wurden.
Die Vorgeschichte: Marek hatte sich 2014 für die Leitung der Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA) beworben – offenbar aber nur, um der ÖVP einen Gefallen zu tun und zwei andere, weniger genehme Bewerberinnen auszubremsen: Marie-Luise Nittel, derzeit Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien, und Ilse Vrabl-Sanda, derzeit Leiterin der WKStA.
Im Gegenzug wollte Marek später, 2016, Chefin der Generalprokuratur werden.
Sie wurde es nicht, und schrieb zynisch an den damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter: „Danke Dir für die peinliche Vorführung in der Perskomm. DANKE für das Einhalten unserer Gespräche und dass ich Dir aus einer ausweglosen Situation helfen durfte. SPRICH Nittel und Vrabl verhindert werden mussten.“
Nur Berichterstatterin
2018 wurde Marek bei der OStA von Johann Fuchs (siehe oben) abgelöst und zur Vizepräsidentin des OGH ernannt. Bis Jänner 2022 war die Welt so weit in Ordnung – dann aber wurden besagte Chats publik und Präsidentin Elisabeth Lovrek entzog ihr „alle Leitungs- oder sonstigen Aufgaben der Justizverwaltung“.
Ein Disziplinarverfahren wurde nicht eingeleitet, und anders als bei Fuchs und Pilnacek läuft gegen Marek auch kein Strafverfahren. Dennoch: Die 54-Jährige ist ein Jahr nach dem Skandal noch immer Vizepräsidentin ohne Führungsfunktion – mit einem monatlichen Salär von rund 13.000 Euro.
Was sie dann macht? Laut Geschäftsverteilung des OGH ist sie in einem von 18 Senaten des Gerichtshofes als „Berichterstatterin“ eingesetzt – das heißt, sie bearbeitet Fälle im Bereich Strafrecht. Zum Vergleich: Der zweite Vizepräsident hat in zwei Senaten den Vorsitz und ist zusätzlich für Personal und Gebäude zuständig.
Aussichten unklar
Beim OGH heißt es auf KURIER-Anfrage, Marek verfüge nicht über das nötige Dienstalter, um einen Senat zu leiten. Sie sei neben ihrer Arbeit in der Rechtssprechung noch in einem Personalsenat vertreten.
Dass sie keine Aufgaben in der Justizverwaltung hat, sei eine Entscheidung von Präsidentin Lovrek gewesen – und nur Lovrek könne das ändern. Ob sie das vorhat bzw. was nötig wäre, um Marek zu rehabilitieren, wird nicht beantwortet.
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