Wo der Justiz das Tempo fehlt

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Zumindest die Frage, ob man als Staatsanwaltschaft anklagt oder nicht, sollte eine von Monaten und nicht von Jahren sein
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Als Markus Wallner im Juni dem Druck in der Wirtschaftsbund-Affäre wich, da erschien es durchaus realistisch, dass aus der Auszeit ein endgültiger Abschied wird. „Das war’s dann wohl mit dem Herrn Landeshauptmann“, wurde im Ländle wie im Wiener Regierungsviertel mitunter hämisch geunkt.

Acht Monate nach Ausbruch der Affäre hat der für seine spröde Sachlichkeit bekannte Gsiberger mehrfach überrascht: Erst kehrte er – wie angekündigt – in den Job zurück; und dann demonstrierte er eher unaufgeregt, wie man Stück für Stück die Deutungshoheit in der eigenen Causa zurückgewinnt. Stand Mittwoch ist davon auszugehen, dass den Vorwürfen gegen Wallner die Substanz fehlt.

Was sind die Schlüsse aus der Causa?

Der erste Reflex mag bei manchen sein: Oha! Da haben sich die Korruptionsjäger von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft aber schön blamiert! Acht Monate Ermittlungen, und dann löst sich der vermeintliche „Kronzeuge“ mitsamt seiner eidesstattlichen Erklärung in Luft auf!

Was für Wallner gilt, gilt freilich genauso für die WKStA wie überhaupt für die Justiz: Häme ist fehl am Platz.

In der Causa Wallner ist die Sache viel schlichter:

Die Justiz hat plausibel klingende Vorwürfe gesammelt, gewogen – und offenbar für zu leicht befunden.

Dass der betroffene Politiker der ÖVP angehört, tut nichts zur Sache. Denn würden in der WKStA tatsächlich „linke Zellen“ agieren, dürfte Entlastendes über einen ÖVP-Mann nicht schon jetzt, also vor für die ÖVP wichtigen Landtagswahlen kursieren. Und nebenbei sollte man nie vergessen: Es war die WKStA, die einen der beliebtesten SPÖ-Bürgermeister des Landes, den Salzburger Heinz Schaden, ins Gefängnis brachte.

Das eigentliche Problem von Politik und Justiz ist nicht, dass ermittelt wird.

Das wahre Problem – oder zumindest eines der zentralen – ist die Dauer der Ermittlungen. Es ist schlimm genug, wenn man als Betroffener Monate oder Jahre im Ungewissen bleibt, ob man vor einen Richter muss. Bei Politikern kommen zwei Erschwernisse hinzu: Sie müssen sich täglich vor Funktionären, dem politischen Gegner, den Wählern und der medialen Öffentlichkeit erklären. Und sie haben sich Wahlen zu stellen. Ewige Ermittlungen schaden dem Image, also direkt dem Wahlerfolg.

Für die Justiz gilt es demnach Wege und Mittel zu finden, in politischen Causen das Tempo zu erhöhen.

Die Justiz kann das: In den Bezirksgerichten vergingen 2021 im Schnitt gerade einmal sechs Monate von den ersten Ermittlungen bis zum Strafurteil. Natürlich sind Korruptionscausen viel komplexer als der einfache Ladendiebstahl: Doch zumindest die Frage, ob man anklagt oder nicht, sollte eine von Monaten und nicht von Jahren sein.

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