Diese 7 Baustellen muss jede neue Regierung in Angriff nehmen
Nach der Wahl ist vor der Regierungsbildung. So bald wird niemand sicher sagen können, wer Österreich künftig auf Bundesebene regieren wird. Aber jede neue Regierung wird sich vor den drängendsten Problemen nicht (lange) wegducken können. Ja, geschehen müssen auch gesetzliche Reparaturen von Regeln, die mit Ende 2024 auslaufen – wie beim ORF oder bei der Frage der Handy-Abnahme durch die Justiz.
Während hier Lösungen vergleichsweise einfach erscheinen, ist es bei den großen Brocken umgekehrt. Wie spart man und kurbelt gleichzeitig die Wirtschaft an? Wie kann man dabei auch noch Emissionen reduzieren? Und wie reformiert man ein zu teures Pensionssystem?
Folgende sieben große Themen müssen jedenfalls rasch in Angriff genommen werden:
Wirtschaft: Budget sanieren und Wachstum ankurbeln
Auch heuer steigt Österreichs Staatsverschuldung wieder kräftig, zum Halbjahr stand bereits ein Minus von 13,8 Milliarden Euro zu Buche. Um das Budget zu sanieren und die EU-Fiskalregeln einzuhalten, muss Österreich in den nächsten Jahren jedenfalls Milliarden einsparen. Aber wo? Im Wahlkampf kamen kaum konkrete Vorschläge.
Wohl auch, weil die wirtschaftliche Situation ein Sparpaket beinahe verunmöglicht. Vielmehr sind Investitionen nötig. Seit 2019 hatte Österreich das schwächste Wachstum aller EU-Staaten, auch heuer schrumpft die Wirtschaftsleistung. Die Zahl der Unternehmenspleiten steigt, Betriebe ziehen in Staaten mit günstigeren Produktionsbedingungen.
Das Bedürfnis nach Sicherheit ernst nehmen
Ohne äußere und innere Sicherheit gibt es keine soziale Sicherheit und ohne soziale Sicherheit keinen sozialen Frieden. Im Jahr 2023 kam es zu einer Zunahme extremistischer Aktivitäten im Rechtsextremismus, im Linksextremismus, im Bereich der demokratieablehnenden Szene und im islamistischen Extremismus, zeigt der Verfassungsschutzbericht 2023. Und im Jahr 2023 wurden rund 85.400 Gewaltdelikte bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Damit stieg die Zahl der angezeigten Gewalttaten das dritte Jahr in Folge.
Nun gibt es Verbote für Messer auf mehreren Plätzen in Wien, syrische und tschetschenische Jugendbanden bekämpfen einander, die Sorge vor islamistischen Attacken steigt.
Ein stabiles Gesundheits- und Sozialsystem
So lange und mit Recht waren die Bürger und Bürgerinnen stolz auf ein funktionierendes Gesundheitssystem für alle. Doch trotz einer noch immer hohen Ärztedichte fehlen Facharztpraxen mit Kassenverträgen und praktische Ärzte, längst nicht nur am Land, sondern auch in der Stadt. Das Zweiklassensystem, finanziert durch private Zusatzversicherungen, die sich nicht alle leisten können, nimmt überhand.
Und da die Österreicher immer älter werden, steigt auch ständig der Bedarf an Pflegekräften, gleichzeitig wird immer klarer, dass den Staat das sehr teuer kommen wird. Jede neue Regierung wird im Gesundheitsbereich Reformvorschläge prüfen müssen.
Eine Energiewende für die Klimaziele
Eine der ersten Entscheidungen, die in Brüssel für die Staats- und Regierungschefs der EU-27 noch in diesem oder Anfang des kommenden Jahres anstehen, sind die Klimaziele für 2040 und die von der EU ebenfalls streng überwachten Zwischenziele. Alles andere als minus 90 Prozent an Treibhausgasen (im Vergleich zu den Emissionen von 1990) wäre eine Überraschung.
Über Klimaziele wurde im Wahlkampf kaum diskutiert, jede Partei und vor allem die neue Regierung muss also rasch Farbe bekennen. Für Österreich stehen zudem zentrale Fragen an wie der Ausstieg aus russischem Gas, den die EU formal bereits beschlossen hat. Für Österreich kommt hinzu, dass die Gasdurchliefer-Verträge Russlands mit der Ukraine Ende des Jahres auslaufen. Zudem hat Türkis-Grün jede Menge Energiegesetze (Grüngas, Elektrizitätswirtschaft) offengelassen, die eine neue Regierung angehen wird müssen.
Leistbares Wohnen wieder ermöglichen
Für die Jüngeren im Land ist es ein frustrierendes Problem, für die Politik das Eingeständnis, in einem zentralen Punkt zu versagen: Das Aufstiegsversprechen, dass es der Kindergeneration besser gehen wird als ihren Eltern, kann seit ein paar Jahren nicht mehr eingelöst werden. Die Abstiegsängste in der Bevölkerung zeigen sich auch in Umfragen. Türkis-Grün hat zaghafte Versuche unternommen, Wohnungseigentum leistbarer zu machen.
Etwa durch zeitlich begrenzte, günstige Zinssätze auf Wohnbaudarlehen bis 2028 oder den Mietpreisdeckel. Aber hilft das gegen die hohe Zinslast und die nach wie vor strengen Kreditregeln? Die kriselnde Baubranche bleibt skeptisch, Erholung ist derzeit nicht in Sicht.
Eine dringende Reform des Pensionssystem
Bis auf die Neos wollte in diesem Wahlkampf eigentlich keine relevante Partei über konkrete Pensionsreformen sprechen. Dabei wird jeder Mittelschüler beim Blick auf die Daten feststellen, dass auf Dauer immer weniger Beitragszahler auf immer mehr Pensionsempfänger kommen und sich das nicht ausgehen kann, ohne das Staatsbudget über Gebühr zu strapazieren.
Das Gute ist, es gibt für die Politik immer zwei Stellschrauben für das Pensionssystem: Pensionsantrittsalter und Pensionshöhe. Das Schlechte daran ist, die Politik scheut sich, eine dieser Stellschrauben auch nur zu erwähnen. Schließlich zählen Pensionisten inzwischen zu einer der größten Wählergruppen im Land.
Zukunftsthemen Bildung und Integration
Seit Jahren beenden konstant 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Pflichtschule, ohne sinnerfassend lesen zu können (Sekundäranalphabetismus). Lehrbetriebe klagen, dass viele Jugendliche erst in den Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) geschult werden müssen, bevor sie ihre Ausbildung starten können.
Zurecht fragt man sich, wozu der Staat 12 Milliarden Euro jährlich für die Schulbildung ausgibt. Ein Problem, das zweifellos größer geworden ist, betrifft die vielen zugewanderten Jugendlichen. Es geht also auch um die Frage der Integration. Heißt: Wie bringt man Migranten nicht nur die Sprache, sondern auch unser Miteinander und Grundwerte wie Toleranz bei?
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