Wahlkampf: Welches Wirtschaftsprogramm überzeugt Sie am meisten?

Als FPÖ-Chef Herbert Kickl vergangene Woche sein Wirtschaftsprogramm präsentierte, waren einige Beobachter durchaus überrascht. Während sich die Blauen in den Krisenjahren Markteingriffe oder Bankensteuern forderten und sich damit durchaus der SPÖ annäherten, ist im Wahlprogramm nicht mehr viel davon übrig. Im Gegenteil: Die FPÖ präsentiert sich ähnlich wirtschaftsliberal wie die Neos und die ÖVP, will die Steuern und Abgaben für Arbeitgeber und -nehmer deutlich senken.
Derzeit liegt Österreichs Steuer- und Abgabenquote bei rund 43,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) – und damit rund zwei Prozentpunkte über dem Schnitt der Eurozone. Höher ist sie EU-weit nur in Frankreich und Belgien.
Eigentlich müsste Österreich sparen
Was gegen „Steuergeschenke“ spricht: Die nächste Bundesregierung steht eigentlich unter Sparzwang, wenn sie die neuen EU-Fiskalregeln einhalten will. Demnach müsste Österreich sein Defizit um zumindest zwei Milliarden Euro pro Jahr reduzieren. Die türkis-grüne Bundesregierung wird kein Sparpaket mehr auf den Weg bringen. Stattdessen führ sie im ersten Halbjahr 2024 ein Rekord-Defizit von minus 13,8 Milliarden Euro ein.
Ein Grund: Die nach wie vor hohe Inflation in Österreich, bei stagnierendem Konsum. Seit 2020 ist das Leben hierzulande laut Eurostat um 23,5 Prozent teurer geworden – und liegt damit deutlich über dem Eurozonen-Schnitt von 20,5 Prozent. Zuletzt hat sich die Teuerung immerhin leicht entspannt: Gegenüber 2023 ist die Inflation bis Juli „nur noch“ um 2,9 Prozent, knapp über EU-Durchschnitt, gestiegen.
Wo wollen die fünf Parlamentsparteien nach der Nationalratswahl am 29. September unter diesen Voraussetzungen sparen, wo nicht? Der KURIER liefert einen Überblick über die Wirtschaftsprogramme:
ÖVP: Vollzeitarbeit belohnen, Unternehmer entlasten
Kanzler Karl Nehammer hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Steuer- und Abgabenquote bis 2030 „Richtung“ 40 Prozent des BIP zu senken. Der Eingangssteuersatz soll von 20 auf 15 Prozent sinken, der Grenzsteuersatz von 48 Prozent soll entfallen. Pläne zur Arbeitszeitverkürzung hegen die Türkisen nicht, dafür wollen sie Vollzeitarbeit mit einem jährlichen Steuerbonus von 1.000 Euro entlasten und sämtliche Überstunden zur Gänze steuerfrei machen. Um Unternehmen zu helfen, will die ÖVP noch die Lohnnebenkosten bis 2030 jährlich um 0,5 Prozentpunkte senken.
Nur diese Maßnahmen würden jährliche zwischen drei und vier Milliarden Euro kosten. Bei der Gegenfinanzierung des Plans bleibt die ÖVP vage. Sie geht von einem „soliden Wirtschaftswachstum“ aus, sparen will man etwa beim Arbeitslosengeld. Eine weitreichende Reform des Pensionssystem hat die Volkspartei bisher nicht vorgeschlagen, Erbschafts- und Vermögenssteuern lehnt sie ab.
SPÖ: Zurück zu „Mehr Staat“ – auf Kosten der „Superreichen“
Parteichef Andreas Babler hat seine Pläne nach interner Kritik teils adaptiert. So ist aus der Forderung einer gesetzlichen 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich eine „4-Tage-Woche“ geworden. Und sonst? Babler will Steuern auf Arbeit senken und verspricht jedem, der ein Jahr arbeitslos war, eine „Beschäftigungsgarantie“. Die Wirtschaft will er mit 20 Milliarden Euro Richtung CO2-Neutralität „transformieren“.
Die SPÖ hat eine vage Gegenfinanzierung ihrer Ideen vorgelegt. Größter Brocken: Über eine Millionärs- und Erbschaftssteuer sowie die Rücknahme der Körperschaftsteuer (KÖSt)-Senkung will man jährlich 7,75 Milliarden Euro einnehmen. Steuerliche Erleichterungen für Unternehmen sind – etwa bei den Lohnnebenkosten oder eben der KÖSt – nicht vorgesehen. Keinen Sparbedarf sieht Babler im Pensionssystem. Im Gegenteil: Er will mehr ausgeben und fordert ein Comeback der abschlagsfreien Frühpension nach 45 Arbeitsjahren.
FPÖ: Blaue in der Wirtschaft mit türkis-pinkem Anstrich
Zur Bekämpfung der Inflation forderte FPÖ-Chef Herbert Kickl zuletzt noch Preiseingriffe – und stand Babler damit deutlich näher als Nehammer. Im Wahlprogramm orientiert sich die „soziale Heimatpartei“ wirtschaftspolitisch nun aber klar an der ÖVP. Kickl setzt ebenso auf eine Senkung der Abgabenquote auf 40 Prozent, was bis zu 20 Milliarden Euro kosten würde. Dazu zählt auch, dass Kleinunternehmen statt 23 nur noch 10 Prozent Körperschaftsteuer zahlen sollen. Wer soll all das finanzieren?
Im ORF-Sommergespräch verwies Kickl auf ein um 30 bis 50 Prozent höheres Wirtschaftswachstum durch die Maßnahmen. Und neue Steuern? Wollen die Blauen nicht – auch keine Vermögens-, Erbschafts- oder Schenkungssteuern. Einsparungen bei den Pensionen schlagen die Freiheitlichen ebenfalls nicht vor. Stattdessen soll Zuverdienst neben der Pension von Steuern und Abgaben befreit und die betriebliche sowie private Säule gestärkt werden.
Grüne: Der Standort wird auch dem Klimaschutz untergeordnet
Auch das grüne Wirtschaftsprogramm ist teils eng an deren Hauptthema – den Klimaschutz – gekoppelt. Parteichef Werner Kogler will die Industrie in den Bereichen Solarenergie, Windrädern oder Mikrochips wieder nach Europa bringen. Die gesetzliche Wochenarbeitszeit wollen die Grünen auf 35 Stunden senken – sobald der „akute Fachkräftemangel“ vorbei ist. Im Gegensatz zur SPÖ wollen sie aber auch Lohnnebenkosten verringern – etwa beim Familienlastenausgleichsfonds – und „anders finanzieren“. Für Branchen ohne Kollektivverträge sollen gesetzliche Mindestlöhne umgesetzt werden.
Zur Gegenfinanzierung plädieren die Grünen nach SPÖ-Vorbild auf eine Millionärssteuer. Und die Pensionen? Hier wollen sie eine staatlich finanzierte „Grundpension“ einführen, die jeder ab 65 Jahren erhält. Wer während seines Lebens gearbeitet und Beiträge bezahlt hat, bekommt darauf basierend bis zu einer gewissen „Höchstpension“ mehr.
Neos: Steuern für alle senken – bei gründlicher Pensionsreform
Die Pinken bleiben auch in ihrem aktuellen Wahlprogramm dabei: Sie wollen die Lohnsteuer sowie die Lohnnebenkosten unbedingt senken. Das entlaste Arbeitgeber, schaffe gleichzeitig mehr Spielraum für höhere Löhne und erhöhe Nettolöhne. Gleichzeitig wollen die Neos die „Ladenöffnungszeiten liberalisieren“, Unternehmensgründungen digital innerhalb von 24 Stunden ermöglichen oder – als einzige Partei – den Freihandel weitflächig ausbauen. Eine gesetzliche Vier-Tage-Woche lehnen die Neos wiederum ab.
Auch bei diesen Forderungen gilt: Die staatlichen Einnahmen würden um mehrere Milliarden Euro sinken. Die Neos fordern deshalb eine Ausgabenbremse und wollen das Pensionssystem überarbeiten. Sie fordern unter anderem einen „Deckel“ für staatliche Zuschüsse ins Pensionssystem, betriebliche Altersvorsorge für alle und eine Anpassung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung.
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