Wahlkampf: Welche Partei löst das Migrationsproblem?
Migration und Integration sind auch in diesem Wahlkampf das Top-Thema. Und zwar nicht aufgrund einer akuten Flüchtlingswelle: Die Zahl der Asylanträge bewegt sich heuer auf vergleichsweise moderatem Niveau. Bis Juli wurden rund 15.200 Anträge gestellt, bis Jahresende dürften es knapp 26.000 werden. Zum Vergleich: Im Rekordjahr 2022, als besonders viele Menschen über Ungarn nach Österreich gelangt waren, gab es 112.000 Anträge.
Die Debatte hat sich auf jene Migranten verlagert, die sich bereits in Österreich aufhalten – und keine gesteigerte Integrationsbereitschaft zeigen. Der Fokus liegt dabei auf dem Kampf gegen den politischen Islam und islamistisch motivierten Attentätern mit Migrationshintergrund. Etwa aufgrund des vereitelten Terroranschlags auf die Wien-Konzerte von Taylor Swift oder wegen des jüngsten Messerattentats beim „Fest der Vielfalt“ im deutschen Solingen – mit drei Toten.
Auch in Gerechtigkeitsdebatten spielen Zuwanderer eine immer größere Rolle. Zuletzt ging es etwa um die unterschiedliche Höhe der Mindestsicherung in den Bundesländern. Der Fall einer neunköpfigen syrischen Familie in Wien, die über die Sozialhilfe mehr als 4.600 Euro netto im Monat erhält, sorgte für Empörung. Hauptkritik: Communitys sammeln sich in der Hauptstadt und bilden Parallelgesellschaften – ohne Zwang, sich zu integrieren.
Steigende Kriminalität
Gleichzeitig weisen immer mehr Insider auf die Entwicklungen im Wiener Schulsystem hin. Laut Statistik Austria sprechen mancherorts 70 Prozent der Jugendlichen in den Pflichtschulen im Alltag nicht Deutsch, ein Drittel der Erstklässler kann dem Unterricht nicht folgen. Ihre Aussichten am Arbeitsmarkt: sehr schlecht.
Auch die Berichte über Messerangriffe in Wiener Bezirken mit hohem Migrantenanteil häufen sich, gleichzeitig versuchen islamistische Hassprediger auf sozialen Medien frustrierte Jugendliche zu radikalisieren. Wie will die Politik all diesen Problemen begegnen? Also weitere Flüchtlingswellen verhindern, Personen mit Aufenthaltsrecht besser integrieren und Gewalt stoppen? Die Ansätze der Parlamentsparteien im KURIER-Überblick:
ÖVP: Sach- statt Geldleistungen, Asylverfahren in Drittstaaten
„Multikulti ist gescheitert“, urteilt die ÖVP in ihrem „Österreichplan“. Sie setzt stattdessen auf eine vage „Leitkultur“ – und höhere Hürden beim Zugang zu staatlichen Leistungen. Die Sozialhilfe will die ÖVP etwa nach dänischem Vorbild reformieren: Nur, wer sich fünf Jahre legal in Österreich aufgehalten hat, soll die vollen Sozialleistungen erhalten. Für Arbeitsmigranten gilt diese Regelung schon, Asylberechtigte erhalten die volle Sozialhilfe ab Tag eins. Zudem setzt man auf Sach- statt Geldleistungen – wie die Bezahlkarte für Asylwerber, die in Niederösterreich ausgerollt wurde.
Asylverfahren würde die ÖVP gerne in sicheren Drittstaaten abwickeln und dorthin auch abschieben. Innenminister Gerhard Karner und Dänemark suchen Bündnispartner für ein entsprechendes Abkommen. Die Volkspartei fordert zudem mehr Mittel für den EU-Außengrenzschutz. Eine fixe Obergrenze an Asylanträgen in Österreich hat sie derzeit nicht definiert.
SPÖ: Klage gegen Ungarn, damit die Verteilung in der EU fair wird
Mit einem „Masterplan“ will SPÖ-Chef Andreas Babler die Zahl der Asylanträge um 75 Prozent senken. Wie? Indem auch andere EU-Staaten wie Ungarn – das die SPÖ klagen will – ihren Verpflichtungen nachkommen und Asylwerber aufnehmen. Babler orientiert sich dabei am „Kaiser-Doskozil-Papier“ von 2018: Asylwerber sollen Anträge in Verfahrenszentren an den EU-Außengrenzen stellen. Werden diese positiv beschieden, sollen sie „fair“ auf die EU-Staaten aufgeteilt werden.
Eine Asyl-Obergrenze von 10.000 Anträgen pro Jahr – wie von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gefordert – lehnt die Bundes-SPÖ genauso ab wie niedrigere Sozialleistungen. Kinderreiche Familien würden im SPÖ-Modell für eine Kindergrundsicherung sogar mehr Geld erhalten als in Wien – das aktuell die höchste Mindestsicherung hat. Und: Asylwerber mit „hoher Bleibewahrscheinlichkeit“ sollen direkt in den Arbeitsmarkt einsteigen können.
FPÖ: Blaue wollen Österreich zur „Festung“ machen
Die FPÖ will die „Festung Österreich“ errichten. Ihr Maßnahmenbündel hat dementsprechend einen nationalen Fokus. An Österreichs Grenzen will man Pushbacks durchführen – also Zuwanderer an der Grenze abweisen. Asylanträge wolle man nur von Personen annehmen, die „kein sicheres Drittland“ passiert haben. Das Asylrecht soll zudem durch ein Notgesetz ausgesetzt werden, solange Österreich „überdurchschnittlich“ durch Zuwanderung belastet sei. Asyl soll es nur „mit Ablaufdatum“ und ohne Chance auf eine Staatsbürgerschaft geben.
Sozialhilfe will die FPÖ nur an Staatsbürger auszahlen. „Asylanten“ sollen Sachleistungen erhalten, der Familiennachzug gestoppt werden. Kleine Asylheime wollen die Blauen schließen und durch Ausreisezentren ersetzen, „kriminelle und extremistische“ Ausländer wollen sie „remigrieren“ – also abschieben. Staaten, die Österreich hier die Zusammenarbeit verweigern, sollen keine Entwicklungshilfe erhalten.
Grüne: „Zuwanderung als Chance“ für Arbeitsmarkt nutzen
Die Grünen plädieren wie die SPÖ für einen „fairen Verteilungsmechanismus“ von Flüchtlingen in EU. Das Grenzmanagement müsse dabei „Humanität und Ordnung“ verbinden, Menschenrechte gehörten geachtet.
Abseits davon wollen sie „Zuwanderung als Chance“ nutzen. Bei der Integration setzen die Grünen deshalb vor allem auf einen sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber. Wer eine Qualifikation in einem Mangelberuf aufweist, soll vom Asylsystem auf jenes der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ umsteigen können – wäre dann also nicht mehr Asylwerber, sondern Arbeitsmigrant mit generellem Aufenthaltsrecht. „Fachkräfte“ wollen die Grünen prinzipiell nicht mehr abschieben. Beginnen Asylwerber eine Lehre, dürfen sie aus Sicht der Grünen während ihrer Ausbildung – und zwei Jahre danach – nicht abgeschoben werden.
Und: Wer in Österreich geboren wurde, soll automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten.
Neos: Mit weniger Bürokratie zu mehr Fachkräften
Ein gemeinsames EU-Asylsystem mit gemeinsamer Asylbehörde wünschen sich die Neos. Ziel: Den Asylstatus von Zuwanderern in Zentren an der EU-Außengrenze klären und Asylberechtigte fair auf die EU-Staaten aufteilen. Wie SPÖ und Grüne fordern die Pinken eine Residenzpflicht: Personen mit Bleiberecht, die in einem Bundesland die Mindestsicherung erhalten, müssen dort bleiben.
Um die Integration von Migranten zu verbessern, schlägt man verpflichtenden Ethik- und Demokratie-Unterricht, ein Integrationsjahr mit schnellerem Zugang zum Arbeitsmarkt und niedrigere Hürden beim Erwerb der Staatsbürgerschaft vor. Und: Die Neos wollen Doppelstaatsbürgerschaften zulassen.
Dritter Hauptpunkt: mehr „qualifizierte Migration“. Die Neos wollen „unbürokratischer“ Fachkräfte nach Österreich holen. Basis dafür soll ein „modernes Einwanderungsgesetz“ sein – statt eines „Behörden-Dschungels“.
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