Kein "Kurz-Effekt" in Kärnten - SPÖ holt 18. Mandat

Peter Kaiser
Nach der Briefwahlauswertung ist der Kärntner SPÖ ihr 18. Mandat sicher. Sowohl ÖVP als auch FPÖ hinkten bei der Wahl am Sonntag ihren Erwartungen hinterher. Das liegt auch daran, dass der sogenannte "Kurz-Effekt"in Kärnten ausblieb.

  • Jeder dritte Kärntner, der bei der Nationalratswahl die ÖVP gewählt hatte, entschied sich bei den Landtagswahlen am Sonntag für ein Kreuz bei der SPÖ. Nach Auswertung der Wahlkarten hält die SPÖ nun 18 von 36 Mandate.
  • Auch die FPÖ blieb weit hinter ihren Erwartungen zurück.
  • Experten führen den klaren Sieg Kaisers vor allem auf seinen sachlichen Wahlkampfstil zurück. Person habe über Partei gesiegt.
  • ÖVP-Parteichef Kurz in Kärnten als Wählermagnet einzusetzen, dürfte Politikwissenschaftern zufolge nicht funktioniert haben.
  • Es gibt nun vier mögliche Koalitionsvarianten.
  • Bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Salzburg soll ÖVP-Landeshauptmann Haslauer, wie Kaiser in Kärnten, vom Amtsbonus profitieren.

Die Kärntner Landtagswahl zeigte erneut, dass zwischen Bund und Ländern politisch oft Welten liegen: Während Türkis-Blau im Bund regiert, ließen die Roten in Kärnten ihre Mitstreiter weit hinter sich. Die SPÖ schnitt mit 47,94 Prozent auch in dem Bundesland deutlich besser ab als bei der Nationalratswahl 2017, wo nur 29,3 Prozent der Kärntner die SPÖ mit Christian Kern wählten.

Die Auszählung der Wahlkarten brachte der SPÖ am Montag das 18. Mandat, und zwar zulasten der ÖVP. Diese ist künftig mit sechs Sitzen im Landtag vertreten. Die FPÖ blieb bei neun Mandaten, das Team Kärnten bei drei. Damit geht sich auch theoretisch keine Koalition gegen die SPÖ mehr aus - haben doch FPÖ, ÖVP und Team Kärnten gemeinsam so viele Mandate wie die SPÖ.

Laut SORA-Institut liegt das zum Gutteil an ÖVP-Wählern: Jeder dritte Wähler (27.000 Stimmen), der in Kärnten bei der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 noch die Liste Kurz gewählt hatte, wechselte bei der Landeswahl nun ins Lager von Landeshauptmann Peter Kaiser.

Ebenfalls starke Wechsel aus dem Nationalrats-Lager gab es von der FPÖ: Von deren Wählern entschieden sich rund 7.000 für die SPÖ.

Die ÖVP schnitt im Vergleich zur Nationalratswahl deutlich schlechter ab: Während das schwarze Ergebnis der NR-Wahl in Kärnten bei 26,8 Prozent lag, votierten am Sonntag bei der Landeswahl nur 15,6 Prozent für die Partei von Landesparteichef Christian Benger. Darüber hinaus blieben auch viele ÖVP-Wähler der Nationalratswahl dieses Mal zuhause, nämlich rund zwei von zehn.

Kärnten sei für die ÖVP schon immer ein schwieriger Boden gewesen, sagt Meinungsforscher Peter Hajek. Dass in Wien ein Bundeskanzler Sebastian Kurz sitzt, habe daran nicht viel geändert. "Der stärkste Rückenwind nützt nichts, wenn regional die Themen fehlen und der Spitzenkandidat farblos ist", sagt Hajek über ÖVP-Mann Christian Benger. In Kärnten habe schlicht die Basis gefehlt. "Möglicherweise war der Kurz-Effekt in diesem Fall, dass er vor Verlusten bewahrt hat", sagt Hajek. Die ÖVP hat mit 1,2 Prozent nur hauchdünn zugelegt.

"Kurz-Effekt" half nichts

"Der Kurz-Effekt lässt sich nicht auf Landesebene umlegen", sagt auch Anton Pelinka im Ö1-Morgenjournal auf die Frage, warum die ÖVP in Kärnten deutlich dem Ergebnis der Nationalratswahl aus dem Oktober 2017 hinterherhinkt. Und das, obwohl die Volkspartei im Kärntner Wahlkampf stark auf die Person Kurz gesetzt hatte. Beispielsweise war auf Werbetafeln zwar der Kanzler zu sehen, VP-Chef Benger hingegen nicht.

Dass dieses Konzept nicht österreichweit zu greifen scheint, "wird Kurz noch sehr zu schaffen machen, wenn es etwa um Föderalismus-Reformen geht", sagt Pelinka. Außerdem ist aus Kärntner Sicht Wien weit weg. Dass eine Mobilisierung gegen die Bundespolitik funktionieren kann, kennt man noch aus der Ära Haider. Umgekehrt ist das natürlich schwieriger. Außerdem sei der Kärntner Wahlkampf stark vom Image der Spitzenkandidaten geprägt gewesen, erklärt Politkwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle. Im Raum stand vor allem die Frage: Wem traue ich es zu, Landeshauptmann zu sein? Am Sonntag habe Person über Partei gesiegt. Das zeige auch, dass die Loyalität mit einer Partei auch in Kärnten nicht so groß ist, dass es egal ist, wen man aufstellt, sagt Stainer-Hämmerle.

Deutlich hinter dem Bundesergebnis blieb auch die FPÖ: Sie kam auf nur 22,8 Prozent; bei der Nationalratswahl konnten die Blauen in Kärnten ein Ergebnis von 31,8 Prozent erzielen. Die Freiheitlichen verloren in diesem Vergleich stark an die Nichtwähler: Rund jeder dritte FPÖ-Wähler (32.000 Stimmen) der Nationalratswahl blieb bei der Landtagswahl zuhause.

Die Blauen tun sich seit den Nullerjahren in Kärnten weiterhin schwer, sagt Meinungsforscher Hajek. "Peter Kaiser hingegen strahlt eine Ruhe und Verlässlichkeit aus, die die Menschen dort schätzen." Die FPÖ sei im Land zu sehr auf Opposition getrimmt, konnte ihr Wählerpotenzial, das sie noch bei der Nationalratswahl hatte, nicht abrufen.

Stammwähler bei SPÖ am stärksten

Dass sowohl ÖVP als auch FPÖ hinter ihren Erwartungen zurückblieben, liegt laut Steiner-Hämmerle nicht nur am Spitzenkandidaten, sondern auch an taktischen Fehlern. Beispielweise wäre es im Fall Kärntens falsch gewesen, die "blau-türkise Karte zu spielen". Die Umfragen hatten vor der Wahl gezeigt, dass die Kärntner Peter Kaiser als Landeshauptmann behalten wollten – der Gedanke an einen möglichen FPÖ-Landeshauptmann habe die Mobilisierung für Kaiser weiter verstärkt.

Strahlender Gewinner ist die SPÖ von Landeshauptmann Peter Kaiser: Sie konnte am besten ihre Stammwähler mobilisieren. Acht von zehn SPÖ-Wählern aus dem Jahr 2013 machten dort ihr Kreuz erneut. Mit 17.000 Stimmen konnte die SPÖ am meisten von den Nichtwählern dazu gewinnen, wie aus der Wählerstromanalyse des SORA-Instituts für den ORF hervorgeht.

Einen starken Wechsel gab es von den Grünen, die im vorläufigen Ergebnis nur auf 3,1 Prozent kommen, zur SPÖ: 32 Prozent der ehemaligen Grün-Wähler wechselten zur SPÖ - das sind rund 13.000 Stimmen. Weitere 14.000 Stimmen verloren die Grünen an das Lager der Nichtwähler. Nur 7000 Wähler entschieden sich auch heuer erneut für die Öko-Partei.

Ebenso wie die SPÖ konnte auch die FPÖ stark auf ihre bisherige Wählerschaft bauen: Von den ehemaligen freiheitlichen Wählern (die Partei kandidierte 2013 noch unter der Bezeichnung FPK) entschieden sich 73 Prozent bzw. 40.000 Wähler erneut für ein Kreuz bei Blau. Die Zugewinne erzielte die Partei von Landesparteichef Gernot Darmann vor allem aus dem Lager des ehemaligen Team Stronach (11.000 Stimmen bzw. 31 Prozent der Ex-Team Stronach-Wähler) sowie von Wählern des BZÖ. Von diesen entschieden sich 32 Prozent (bzw. 7.000 Wähler) für die FPÖ. Ebenso stark war der Abgang von BZÖ-Wählern ins Nichtwähler-Lager.

Die ÖVP konnte 65 Prozent ihrer bisherigen Wählerschaft erneut überzeugen. Die stärksten Zugewinne für die Volkspartei mit rund 4.000 Stimmen kamen von der SPÖ, sowie jeweils rund 3.000 von FPK, Team Stronach und BZÖ.

Das Team Kärnten von Landesrat Gerhard Köfer konnte mit rund 12.000 nur jede dritte Stimme des ehemaligen Team Stronach für sich gewinnen.

Wer mit wem in sechs Wochen?

Obwohl Kaiser mit dem Ergebnis der Chance zur Alleinregierung extrem nahe kam, geht sie sich nicht ganz aus. Bleiben also drei Möglichkeiten: Eine Zusammenarbeit entweder mit ÖVP, FPÖ oder dem Team Kärnten.

Kaiser selbst erklärte zwar, die neue Kärntner Regierung solle innerhalb von sechs Wochen stehen, über Bedingungen und Präferenzen für eine Koalition wollte er sich aber noch nicht äußern. Es gäbe für und gegen jede mögliche Variante gute Gründe - auch zu Gerhard Köfer und seinem Team Kärnten gebe es "keine Gräben, die zu tief sind", sagte er im Ö1 Morgenjournal. Es soll nun mit allen anderen Parteien Gespräche geben, beginnend mit jenen, die zukünftig nicht im Landtag vertreten sein werden – „um zu besprechen, wie man auch ihre Potenziale nutzen kann“.

Mehr Einblicke gab hingegen Landesgeschäftsführer Daniel Fellner: In den vergangenen Tagen sei laut geworden, die ÖVP wünsche sich starke Einsparungen im Gesundheitsbereich. Die werde es mit der Kärntner SPÖ nicht geben, meinte er. Außerdem wolle man keine Burschenschafter in der Landesregierung sitzen haben, sagte er hinsichtlich einer möglichen Koalition mit der FPÖ.

Gerade zu den Freiheitlichen habe Kaisers SPÖ eine große Distanz, erklärte auch Politikwissenschafter Anton Pelinka im Morgenjournal. Dennoch erwartet er, dass die Kärntner FPÖ bereit sein wird, der SPÖ in vielen Punkten entgegenzukommen, um in die Landesregierung einzuziehen.

Nächster Stopp: Salzburg

Am 22. April wird in Salzburg gewählt. Vom "Amtsbonus" dürfte dort auch der amtierende ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer profitieren. Wie Peter Kaiser in Kärnten steht Haslauer für "eine neue Sachlichkeit der Landeshauptleute", sagt Meinungsforscher Peter Hajek.

Auch die FPÖ sei in Salzburg gut aufgestellt, mit Spitzenkandidatin Marlene Svazek hätten die Blauen sogar Chancen auf Platz 2 - könnten also die SPÖ hinter sich lassen.

Während die Grünen in Kärnten ein weiteres Debakel erlitten, könnte es in Salzburg für sie besser ausgehen, sagt Stainer-Hämmerle. Die Partei sei dort am längsten verankert und die soziostrukturelle Zusammensetzung der grünen Wählerschaft sei in Salzburg anders als in Rest-Österreich.

Tirols Landeshauptmann sondiert weiter

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) wird diese Woche weitere Sondierungsgespräche führen. Für heute, Montag, und morgen, Dienstag, seien neuerlich Treffen mit den infrage kommenden Koalitionspartnern SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos angesetzt. Mitte der Woche dürfte die Volkspartei dann eine Entscheidung treffen, mit wem konkret verhandelt werden soll.

Die bisherigen Gespräche seien "durchwegs sehr wertschätzend und angenehm" verlaufen, bilanzierte Platter. Bei allen vier Parteien habe man "gespürt", dass sie "ernsthaft" an einer Zusammenarbeit interessiert seien. "Nun gilt es auszuloten, mit welcher Partei und mit welchen Persönlichkeiten die für unser Land wichtigen Themen bestmöglich umgesetzt werden können", sagt Platter.

Die Volkspartei ging vor einer Woche mit 44,3 Prozent der Stimmen als Sieger bei der Landtagswahl hervor. Neben dem bisherigen Partner, den Grünen, kommen auch SPÖ und FPÖ infrage. Eher theoretischer Natur dürfte hingegen die vierte Option mit den NEOS sein. Denn bei dieser Variante hätte eine schwarz-pinke Landesregierung im Landtag nur eine hauchdünne Mehrheit von einem Mandat.

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