Alle gegen einen? "FPÖ-Chef Herbert Kickl hat die attraktivere Rolle"
Es ist Herbert Kickls drittes ORF-Sommergespräch - und doch wird es mit Spannung erwartet. Dafür gibt es verschiedene Gründe.
- Weil die FPÖ seit Monaten diverse Meinungsumfragen anführt - in der jüngsten KURIER-OGM-Umfrage liegt die FPÖ mit 27 Prozent an erster Stelle gefolgt von SPÖ (25%) und ÖVP (24%).
- Weil FPÖ-Chef Kickl – anders als seine Amtsvorgänger Norbert Hofer und Heinz-Christian Strache – die direkte Kommunikation mit klassischen Medien in Form von Interviews auf ein absolutes Minimum reduziert, um nicht zu sagen meidet, und es stattdessen bevorzugt, seine Wählerschaft via eigener Social Media-Beiträge zu informieren.
- Weil die FPÖ nach dem Platzen der türkis-blauen Koalition im Bund (Ibiza) mit der ÖVP in Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg regiert - die Volkspartei auf Bundesebene aber nicht müde wird zu betonen, dass eine Koalition mit der FPÖ unter Kickls Parteiobmannschaft für sie nicht infrage kommt.
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- Weil die ÖVP sich zuletzt mit Bargeld eines besonderen blauen Kernthemas angenommen hat und Kanzler Karl Nehammer dafür via Social Media heftig und insbesondere von Kickl kritisiert wurde.
- Und nicht zuletzt, weil die Quoten der bisherigen Sommergespräche bescheiden ausfielen. Bei Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger waren durchschnittlich 496.000 Zuschauer (19 Prozent Marktanteil) dabei, bei Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler 424.000 (21 Prozent Marktanteil).
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2021 und 2022 sorgte Kickl für die quotenstärksten Sommergespräche. Zum Vergleich: 2022 erreichte das Gespräch mit Kickl durchschnittlich rund 150.000 Personen mehr als jenes mit Vizekanzler Kogler (629.000 Zuseher) und beinahe 200.000 Personen mehr als das mit Neos-Chefin Meinl-Reisinger (590.000 Zuseher).
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- Und, weil 2024 EU- und Nationalratswahlen stattfinden werden.
Dass die öffentliche Kritik an Kickl von allen politischen Mitbewerbern diesem zu schaden gereichen wird, das glaubt OGM-Chef und Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer nicht.
"Das Prinzip 'Alle gegen einen' hat schon bei FPÖ-Chef Jörg Haider nicht im Sinne der anderen Parteien funktioniert", erinnert sich Bachmayer und an Haider Slogans wie "Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist".
Kickl selbst profitiere davon, denn er müsse gar nicht viel dazu tun, um ständig in den Schlagzeilen zu sein. "Das Geschäft machen schon die anderen für ihn. FPÖ-Chef Herbert Kickl hat die attraktivere Rolle", attestiert Bachmayer, "denn er repräsentiert und personifiziert geradezu die große Unzufriedenheit, die derzeit in der Gesellschaft herrscht".
"Watschentanz bei Sommerloch-Themen"
Irgendwann, davon geht der OGM-Chef aus, wird Kickl sein "Frontaloppositions-Image" wandeln, um "Stimmen von allen Seiten zu gewinnen, je näher der Wahlkampf rückt. Schließlich muss er beweisen, dass er mehr als nur Opposition kann, denn dort lässt es sich leicht kritisieren. Der Watschentanz bei den derzeitigen Sommerloch-Themen wird bald vorbei sein."
Was die Themensetzung betrifft, erwartet Bachmayer "nichts maßgeblich Neues, nur neu Interpretiertes." Die Freiheitlichen werden nach Bachmayers Dafürhalten weiter auf Migration setzen, einen strikten Asylkurs einfordern und vor allem Maßnahmen gegen die Inflation, die in Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern hoch ist.
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Die FPÖ werde sich deshalb auch dem großen Themenbereich Wirtschaft und Arbeit annehmen, so Bachmayer. "An die Eigenschaften der eigenen Kernklientel erinnern, dass es mit Fleiß und Arbeit jeder zu etwas bringen kann." Damit adressiere die FPÖ klassische ÖVP-Wähler aber auch jene SPÖ-Wähler, denen SPÖ-Chef Bablers Arbeitsmarktpolitik zu links ist. Als Beispiel nennt Bachmayer eine KURIER-OGM-Umfrage zur 32 Stunden-Woche.
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Diese wird von der SPÖ und dem ÖGB propagiert. Die ÖVP spricht sich dezidiert dagegen aus wie auch die WKÖ. Die FPÖ kann dem Ansinnen grosso modo auch nichts abgewinnen, die FPÖ-Wählerschaft spricht sich mit 59 Prozent gegen eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich aus. Das Nein ist nur bei den deklarierten ÖVP-Wählern mit 65 Prozent noch höher.
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