Finanzminister: "Wir stehen vor einem Berg“

Kaum ist die Strompreisbremse beschlossen, wird der Ruf nach anderen Förderungen und der Verschiebung der CO2-Bepreisung – wie zuletzt von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vorgebracht – lauter. Der Finanzminister erteilt all dem eine Absage.
KURIER: Wie schirch wird es, nachdem die Strompreisbremse bis 2024 hält?
Magnus Brunner: Wir erwarten, dass die Strompreise auf einem gewissen Niveau bleiben. Das Ziel unserer Maßnahme war und ist, dass die Entlastung antragslos und so einfach wie möglich ist. Die Idee ist, den Strompreis dort einzufrieren, wo er vor der Energiekrise war. Das sind die 10 Cent als Durchschnittswert und die 40 Cent als Obergrenze für ein Kontingent von 2.900 kWh. Wir senken die Preise für die Kunden und haben einen Anreiz zum Sparen.
Wenn Sie nicht schirch sagen wollen: Wird es schlimmer als in der Pandemie?
Es wird herausfordernder. Wir rechnen bei der Strompreisbremse mit drei bis vier Milliarden Euro an Kosten. Diese hängen auch davon ab, wie lange der Krieg dauert und die Waffe Energie, die Putin verwendet, eingesetzt wird.

Brunner im KURIER-Interview mit Johanna Hager und Martin Gebhart
Jetzt bekommen alle – ob Single oder Großfamilie gleich viel – auch, weil es keine Daten über die Haushalte gibt. Sind wir wirklich so schlecht aufgestellt?
Auf Bundesebene hat jede Behörde die Daten, es fehlt ein sinnvoller Zusammenschluss. Dass die Energieanbieter nicht über persönliche Daten verfügen ist klar, weil man bei der Anmeldung keinen Pass oder anderes vorlegen muss. Im Rahmen der Digitalisierung denken wir darüber nach, wie wir das auf Dauer vereinfache können.
Haben Sie Sorge, dass die Energiekonzerne die Strompreisbremse ausnutzen und mit den Preisen nach oben gehen werden?
Genau deshalb haben wir ein Modell mit einer Höchstgrenze von 40 Cent gewählt. Energieministerin Leonore Gewessler hat bereits ein Monitoring in Auftrag gegeben, E-Control und Wettbewerbsbehörden beobachten genau die Preise.
Welches Signal gibt das Land Niederösterreich im Vorwahlkampf ab, wenn durch zusätzliche Förderungen de facto weniger zu bezahlen ist als vor der Krise? Ist es gescheit, was Johanna Mikl-Leitner da macht?
Unser Ziel war es, eine einfache, schnelle Lösung für alle neun Bundesländer und alle Energieversorger zu finden. Wenn ein einzelnes Bundesland zusätzliche Hilfen anbietet, dann ist das die Sache des Landes.
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr kritisiert die fehlende Treffsicherheit und den Sparanreiz – der Staat könne nicht alles ausgleichen.
Die Teuerungen erreichen den Mittelstand, aber Gabriel Felbermayr hat Recht, weil der Staat nicht 100 Prozent aller Krisen der Welt kompensieren kann. Wir können die Preise nur abfedern. In das Preisgeschehen einzugreifen, um die Inflation zu bekämpfen, das ist Aufgabe der EZB.
Halten Sie eine zweistellige Inflationsrate heuer für realistisch?
Die Prognosegenauigkeit der EZB war in der Vergangenheit leider verbesserungswürdig. Es ist unseriös zu sagen, in welche Richtung es gehen wird. Ich hoffe, dass Tendenzen nach unten rasch eintreten werden.
Ist der verschobene Start der CO2-Steuer mit 1. Oktober sakrosankt?
Wir haben immer gesagt, die CO2-Steuer kommt mit dem regionalen Klimabonus. Gerade in der Krise darf es keine Denkverbote geben, man müsste die Bepreisung sonst anderweitig kompensieren. Ich gehe davon aus, dass die CO2-Bepreisung im Oktober kommen wird.
Wenn der Staat nun nach Corona wieder einspringt, es auch zu Überförderungen kommt, dann regiert für viele die Vollkasko-Mentalität.
Der Ruf nach dem Vollkasko-Staat ist keine gute Entwicklung. Wir achten bei jeder Maßnahme darauf, dass sie Sinn macht und haben auch schon Maßnahmen abgelehnt.
Welche Maßnahme kam in Österreich nicht – außer der Spritpreisdeckel?
Maßnahmen, die zu teuer und zu wenig treffsicher sind. Wir haben in den Spritpreis nicht eingegriffen und in die Massensteuern. Die Mehrwertsteuern zu senken, das ist aus unserer Sicht und der von vielen Experten falsch. Auch Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe sieht das Senken der Massensteuern als falschen Weg an.
Das heißt, eine Senkung der Mehrwertsteuer kommt nicht infrage?
Das ist bei uns aktuell kein Thema. Nichts zu tun, das ist aber keine Option. Wir haben bei jeder Maßnahme versucht, rasch und unbürokratisch zu helfen.
Was lernen Sie aus den Corona-Hilfen für die Energie-Krisen-Modelle und wie gedenken Sie, der Wirtschaft zu helfen?
Es wird zu Strompreis-Kompensationen für Industrie-Unternehmen kommen und es wird einen Energiekosten-Zuschuss für KMU geben. Die Richtlinien werden gerade von Arbeitsminister Kocher und Klimaministerin Gewessler erarbeitet. Ich rechne mit der Präsentation in den nächsten Wochen. Nicht jede simple Forderung ist eine kluge Lösung. Die zweite Lehre, die wir ziehen müssen, ist die bessere Vernetzung vorhandener Daten.
Ihr deutscher Amtskollege Christian Lindner wirft öffentlich die Frage auf, wie die Hilfen refinanziert werden sollen. Deutschland könne sich nicht mehr Schulden leisten, stehe vor einer Steilwand. Wovor stehen wir, Herr Brunner?
Ich würde nicht Steilwand sagen. Wir stehen vor einem herausfordernden Berg, über den wir drüber kommen müssen. Österreich ist dank Reserven und dem AA+ Rating gut aufgestellt.
13,7 Milliarden Euro an Corona-Hilfen, zwei Milliarden für Wien Energie, 32 Milliarden gegen Teuerung, bis zu vier Milliarden für die Strompreisbremse: wie wird das wann refinanziert?
Ja, das Budget wird extrem belastet. Wenn wir die Krisen halbwegs überwunden haben, dann müssen wir dringend auf nachhaltige Budgets achten auf nationaler wie europäischer Ebene.
„Koste es, was es wolle“ wird Ihnen nicht über die Lippen kommen?
Nein. Mein Satz heißt: „Wir stellen das zur Verfügung, was notwendig ist.“ Wir müssen weiter beim Verschuldungspfad nach unten. Wir liegen jetzt bei 84 Prozent und mein Ziel ist es, trotz Krise unter 80 und in Richtung 70 zu kommen. Wir können es uns nicht leisten, jetzt nicht zu helfen.
Seit zwei Wochen und der Causa Wien Energie gelten Sie als Feindbild der SPÖ …
… um etwas klarzustellen: Die Dramatik haben nicht wir erfunden, sondern wurde uns am Samstag vor zwei Wochen vom Unternehmen mitgeteilt. Unsere Beamtenschaft und die der Stadt Wien haben innerhalb von 48 Stunden extrem konstruktiv zusammengearbeitet. Nach 72 Stunden hatten wir eine Kreditlinie über zwei Milliarden. Das ist, um Ihnen eine Dimension zu geben, das Jahresbudget von Vorarlberg.
Es geht insbesondere um Ihren Auftritt Sonntagnacht in der ZiB 2.
Es ging um zwei Milliarden Euro und zwei Millionen Kunden. Da als Finanzminister nicht für Transparenz zu sorgen, das wäre fahrlässig. Wären die politischen Vertreter der Stadt Wien beim Energiegipfel dabei gewesen, wären wir wahrscheinlich gemeinsam vor die Presse gegangen.

Brunner in seinem Büro vor einer Leihgabe aus dem Bestand von Erich Lessing "US Banker at London Stock Exchange". Es wird angenommen, dass das Foto rund um die europäischen Wiederaufbauhilfen nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist.
Der politische Mitbewerb sagt, dass das Ihr Door Step für die Kanzlerschaft war.
Diese unsinnigen Spekulationen gab es bereits im Sommer, und ich beteilige mich nicht an ihnen.
Ist nach wie vor „nur“ die Wien Energie in „Schieflage“ geraten, wie es heißt?
Offizielle Rundrufe haben ergeben, dass andere Unternehmen nicht betroffen sind. Das ist derzeit mein Wissensstand. In diesen verrückten Zeiten an den Märkten kann man allerdings nie etwas ausschließen.
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