Wifo-Chef: „Die Gewerkschaft muss dieses Mal liefern“
Die Inflation in Österreich bleibt hoch oder steigt sogar noch weiter, gleichzeitig bremst sich das Wachstum deutlich ein. Die Verteilungsmasse bei der am 19. September startenden Herbstlohnrunde ist also recht überschaubar.
Die jüngste Forderung der Gewerkschaft nach einem Mindestlohn von 2000 Euro brutto in allen Branchen plus einer Lohnerhöhung über die 6,3 Prozent hinaus, die der Lohnrunde als Grundlage dienen, sei dennoch eine verständliche Maximalforderung vor Beginn der Verhandlungen, sagt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr im Gespräch mit dem KURIER. Er sagt: „Das überrascht nicht. Es ist klar, die Gewerkschaft muss dieses Mal liefern, das erwarten sich ihre Mitglieder.“
Der Ökonom hat aber auch viel Verständnis für das zentrale Argument der Arbeitgeberseite. Es lautet, man könne die Rekordinflation nicht alleine schultern.
Durch die verschiedenen Hilfspakete des Staates, die Steuerreform und insbesondere die Abschaffung der kalten Progression ab 2023 sei der damit angesprochene Finanzminister ohnehin schon in Vorlage getreten. Dadurch könnte der Lohnabschluss auch etwas moderater ausfallen und – wie von der Gewerkschaft gefordert – die Kaufkraft erhalten bleiben.
Felbermayr: „Ganz zentral ist der Erhalt der Kaufkraft und deshalb die Abschaffung der kalten Progression. Wir reden ja über die Löhne für 2023. Fällt der Lohnabschluss dadurch etwas moderater aus, wäre die Hoffnung, dass dann auch der Preisdruck 2023 ein wenig nachlässt.“
Die Schwierigkeit bestünde ja aktuell darin, dass ein Großteil der Inflation über die Energiepreise importiert werde. Nicht alle Unternehmen könnten die massiv gestiegenen Kosten weitergeben bzw. höhere Preise am Markt durchsetzen.
Das führe zu einem unter Ökonomen derzeit heiß diskutierten Thema. Felbermayr: Nämlich der „historisch einmalig große Unterschied“ zwischen der Inflation, mit all den importierten Preisen etwa für Energie, und dem sogenannten BIP-Deflator, mit dem der Anstieg des realen Bruttoinlandproduktes berechnet wird.
Ohne Importpreise
Dieser BIP-Deflator misst anders als der Verbraucherpreisindex nur den Durchschnittspreis der im Inland hergestellten Güter und Dienstleistungen, aber eben nicht die hohen Preise für die Importe.
Unterm Strich bedeutet das, dass die Kaufkraft, die mit dem relativ soliden Wirtschaftswachstum von vier Prozent gemeinhin verbunden wird, in Wahrheit viel geringer ist. Bei einem Wachstum von besagten vier Prozent im heurigen Jahr, beträgt der Anstieg der Kaufkraft gerade einmal 1,5 Prozent, sagt Felbermayr. „Wir haben also tatsächlich ein Kaufkraft-Thema, obwohl die BIP-Entwicklung gut aussieht. Soll heißen: Es gibt noch einen Kuchen, aber die Verteilungsmasse ist kleiner, als die BIP-Zahlen glauben machen. Das spricht im Endeffekt auch gegen allzu überzogene Forderungen der Gewerkschaft.“
In Wahrheit seien die Lohnverhandlungen, so schwierig sie für die Sozialpartner heuer auch sein mögen, aber nur ein „Vorgeplänkel“ für den Fall, dass der Gashahn zugedreht würde. Auch im Falle, dass 2023 „nur“ 20 Prozent weniger an Gas verfügbar sei, werde es zu einem „hässlichen politischen Spiel der Verteilung“ oder „planwirtschaftlichen Zuständen“ kommen.
Gas und Strom müssten dann in Spitzenzeiten rationiert werden, denn „irgendwer wird darauf verzichten müssen und das treibt natürlich auch die Preise weiter in die Höhe“, so Felbermayr. Eine Pleitewelle sei dann nicht auszuschließen.
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