Die Grünen als Partner oder Aufputz in der Regierung?
Wenn zwei so unterschiedliche Parteien wie die Volkspartei und die Grünen miteinander regieren, können aus kleinen Sticheleien rasch gröbere Konflikte entstehen.
Türkis-Grün scheint von einer echten Krise noch weit entfernt. Zu gut sind die Umfragewerte, zu positiv sind bisher Stimmung und Arbeitsklima in der Regierung. Die inhaltlichen Unterschiede, die
in den vergangenen Tagen rund um diverse EU-Themen deutlich zutage getreten sind, könnten aber schneller zu einer Auseinandersetzung führen, als es den Parteistrategen lieb sein kann. Die wichtigsten „Diskussions“-Themen sind:
EU-Mittelmeermission "Sophia“
Der grüne Sozialminister Rudi Anschober ist für die Wiederaufnahme der EU-Mittelmeermission „Sophia“ – „ich persönlich würde das begrüßen“ – und stößt damit bei der ÖVP auf blankes Unverständnis. Unmissverständlich stellt ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg klar: „Die Position Anschobers ist weder neu noch überraschend. Für die Position der Republik ist sie jedoch nicht relevant, da die österreichische Linie in dieser Frage in Brüssel vom Außenminister vertreten wird und nicht in Anschobers Zuständigkeit fällt.“
Dabei hat Anschober nur ausgesprochen, was für jeden Grün-Bewegten selbstverständlich ist: 45.000 Menschen wurden seit 2015 aus dem Mittelmeer gerettet, seit einem Jahr ruht „Sophia“. Doch Kanzler Sebastian Kurz ist strikt gegen die Wiederaufnahme der Mission. Man betreibe nur das Geschäft der Schlepper. Kurz ist damit auf einer Linie mit der FPÖ und völlig konträr zur Linie der Grünen – und auch der SPÖ.
UN-Migrationspakt
Österreich werde den UN-Migrationspakt (Abkommen im Umgang mit Flüchtlingen) bestimmt nicht unterschreiben, ließ Außenminister Schallenberg bereits kurz nach der Angelobung wissen. Er blieb damit klar auf der seinerzeitigen Linie von Türkis-Blau. Dereinst waren die Grünen damit nicht d’accord, sie kritisierten die ÖVP scharf. Wieder im Parlament und erstmals in der Regierung, bleibt die Kritik jetzt leise oder hinter vorgehaltener Hand.
Finanztransaktionssteuer
Bei seiner Regierungserklärung im Parlament verspricht Vizekanzler Werner Kogler noch, die Bundesregierung werde sich in Brüssel für die Finanztransaktionssteuer einsetzen. Seit 2011 wird die Steuer gegen die Umtriebe der Finanzspekulanten verhandelt. Drei Wochen später erklären ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel und Kurz, „Österreich“ werde den letzten Vorschlag zur Einführung der Steuer sicher nicht mittragen. Wer in diesem Fall „Österreich“ ist bzw. vertritt, bleibt unklar. ÖVP-Chef Kurz erwartet sich nun neue Vorschläge, sagte er am Dienstag bei seiner Stippvisiste in Berlin. Vielleicht findet sich in dieser Frage noch ein Kompromiss.
EU-Budget
Auch beim EU-Budget wird ein Kompromiss nötig sein. Kurz hat mit einem Veto gedroht, sollte sich der Kommissionsvorschlag für ein um 400 Millionen leicht höheres EU-Budget (Gesamtvolumen: 160 Milliarden) durchsetzen.
Die Grünen unterstützen die Position der Kommission, schließlich gibt es viele EU-Großprojekte – allen voran der Klimaschutz –, die eher mehr als weniger Geld benötigen.
Sicherungshaft
Vizekanzler Kogler hält die Debatte einer Präventivhaft für Gefährder zwar für „übertrieben“, aber an seiner Parteibasis rumort es. Einer Verfassungsänderung wollen die Grünen definitiv nicht zustimmen. Auch SPÖ und Neos sind strikt dagegen.
Kopftuchverbot
VP-Integrationsministerin Susanne Raab will das Kopftuchverbot für Bis-14-Jährige und als „nächsten Schritt“ eines für Lehrerinnen. Für Kogler ist Letzteres „nicht vorstellbar“, hier gebe es Dissens.
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