Vier Jahre später: Welche Spuren die Pandemie hinterlassen hat
Es waren Bilder, die um die Welt gingen – und für leichtes Unbehagen sorgten: Bilder der Baustelle des „Huoshenshan“ (Berg des Vulkangottes). Ein Krankenhaus von 34.000 Quadratmetern mit 1.000 Betten und 1.400 Mitarbeitern, das binnen acht Tagen in Wuhan, China, aus dem Boden gestampft wurde, um Menschen zu versorgen, die am „neuartigen Coronavirus“ erkrankt waren.
Kurz darauf war klar: Das Virus wird nicht in Wuhan bleiben, es wird sich auf die ganze Welt ausbreiten. Bei einer Konferenz in der Nacht von 11. auf 12. Februar in Genf gab die WHO der Erkrankung einen Namen: Covid-19.
Schulden und Spaltung
Vier Jahre ist es her, dass das Virus das Leben von Milliarden von Menschen auf den Kopf gestellt hat. Und auch, wenn die Schutzmaßnahmen, die beträchtliche Einschränkungen mit sich brachten, schon lange nicht mehr gelten: Die Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen.
In der Wirtschaft, die sich erst mühsam von den Lockdowns zu erholen begonnen hat, als schon die nächste Krise losging. In den Bereichen Gesundheit und Forschung, die sich rasend schnell entwickelt, aber noch immer nicht alle Antworten haben. In den Institutionen, die noch einige Nachbesserungen vor sich haben und vor ungelösten Problemen stehen. Und in der Gesellschaft, die nach der Pandemie noch gespaltener scheint als zuvor.
Unter dem Credo „Koste es, was es wolle“ widmete sich die Regierung den negativen Auswirkungen der Corona-Schutzmaßnahmen auf die Wirtschaft. Laut Finanzministerium (BMF) flossen rund 46 Milliarden des Bundesbudgets von 2020 bis 2023 in die Krisenbewältigung. Davon zehn Milliarden in die Kurzarbeit, elf Milliarden in Gesundheitsmaßnahmen und rund 15 Milliarden – unter anderem in Form von Zuschüssen – an Unternehmen.
Für die Auszahlung der Unternehmenshilfen ist die Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG) zuständig – deren Konstrukt der Verfassungsgerichtshof als teils verfassungswidrig einstufte. Bis Jahresende soll die COFAG aufgelöst werden, bis Ende Juni alle offenen Anträge abarbeiten.
Politische Nachwehen
Waren die bisherigen Förderungen treffsicher? Rechnungshof und Opposition bezweifeln das, orten „Überförderung“. Die Regierung verteidigt die Wirtschaftshilfen zumeist so: Man habe schnell und unbürokratisch helfen wollen – und das sei auch gelungen. Um die Frage, wer eventuell zu viel erhalten hat, werden sich ab März auch zwei parallel verlaufende U-Ausschüsse kümmern. Einerseits ein U-Ausschuss von SPÖ und FPÖ, der ÖVP-nahe Unternehmer ins Visier nehmen soll – andererseits ein entgegengesetzter
U-Ausschuss auf Verlangen der ÖVP.
Bis Ende 2023 hat der Staat laut BMF übrigens rund 110 Millionen Euro an zu Unrecht bezogenen Hilfen zurückgefordert. Weitere Anträge werden geprüft.
Relikte aus der Corona-Zeit sind bis heute auf den Straßen Österreichs zu sehen. Sei es die ein oder andere FFP2-Maske in den Öffis oder die überall anzutreffenden Desinfektionsspender, einige Gesundheitsmaßnahmen scheinen sich gehalten zu haben.
Grundsätzlich können diese Maßnahmen zur Infektionsvorbeugung von Corona und anderen grippalen Infekten auch durchaus sinnvoll sein, so Gerald Gartlehner, Epidemiologe an der Universität für Weiterbildung Krems.
Todesrate unter 1 Prozent
Denn Corona ist nach wie vor eine ernst zu nehmende Krankheit, die tödlich enden kann. Insbesondere für Personen, die zu Risikogruppen gehören, empfiehlt sich deshalb eine regelmäßige Impfauffrischung. Eine Impfung zu Beginn der Pandemie konnte einem schweren Krankheitsverlauf vorbeugen. Ob das auch für Beschwerden nach der Genesung gilt, konnte von Forschern bisher nicht eindeutig beantwortet werden. Beim Thema Long Covid steht die Wissenschaft weiter vor unbeantworteten Fragen. Es ist unklar, wie viele Menschen tatsächlich von den Folgen einer Corona-Erkrankung betroffen sind und wie diese behandelt werden können.
Sicher ist jedoch, dass die Todesfälle im Zusammenhang mit Corona langsam zurückgehen. Im Rekordjahr 2021 sind in Österreich rund 7.857 Menschen an Corona gestorben. Im ersten Halbjahr 2023 sank die Zahl auf 1.892. Die Letalitätsrate ist von den anfänglichen fünf Prozent auf unter ein Prozent zurückgegangen.
Ein zentrales Ziel, das sich die Regierung bei der Aufarbeitung der Pandemie gesetzt hat, ist eine Reform des völlig veralteten Epidemiegesetzes, das mitverantwortlich für so manch chaotische Regelung im Corona-Management war. Die nötige inhaltliche Stoßrichtung der Reform lässt sich aus einem Bericht des Rechnungshofes zu den Pandemie-Maßnahmen ablesen. Notwendig seien demnach funktionierende Meldesysteme, auch brauche es ein klar geregeltes Zusammenspiel zwischen Gesundheitsministerium, Krankenanstalten und dem niedergelassenen Bereich.
Die Novelle wurde bereits im Herbst 2022 angekündigt, liegt aber bis dato noch nicht vor. Dem Vernehmen nach gibt es in der ÖVP Widerstände gegen die geplante Beschneidung der Länderkompetenzen zugunsten einer zentralen Koordination auf Bundesebene. „Zur Novelle des Epidemiegesetzes finden aktuell fachliche Gespräche statt“, heißt es im Gesundheitsministerium knapp.
Krisensicherheitsgesetz
Produkt der Pandemie ist auch das Krisensicherheitsgesetz. Im Innenministerium wird ein Bundeslagezentrum eingerichtet, ein Krisenkoordinator wird gerade gesucht. Die Ministerien sollen zudem selbstständig Krisenpläne erstellen. Nichts wurde es hingegen mit der fixen Einbindung des Bundesheeres bei Krisenfällen. Die Streitkräfte hätten für die Bevorratung von Lebensmitteln, Medikamenten, Hilfsmitteln, Zelten etc. zuständig sein sollen.
Versöhnung. Die viel zitierte Spaltung in der Gesellschaft, die sieht Bernhard Kittel, Wirtschaftssoziologe an der Uni Wien und ehemaliger Leiter des „Austrian Corona Panel Projects“, nicht. Bei einer „nicht unbeträchtlichen Minderheit“ aber wirkt der Vertrauensverlust infolge von Maßnahmen und Verunsicherung bis heute nach: Dass die Zustimmung gegenüber der Regierung so niedrig ist und (trotz Milliardenhilfen gegen die Teuerung) eine so große Unzufriedenheit vorherrscht, führt er darauf zurück. „Egal, was die Regierung tut, es wird sofort etwas Böses vermutet, oder gar nicht wahrgenommen, weil man sich längst abgewendet hat.“
Vor-Pandemie-Niveau
Schon im ersten Corona-Jahr ist die Zustimmung zur Politik sukzessive geschwunden. In diesem Umfeld konnte die Impfgegner-Partei MFG (zumindest kurz) Fuß fassen und die FPÖ so stark wie nie werden. Die erwähnte „nicht unbeträchtliche Minderheit“ finde sich aber auch unter SPÖ- oder Neos-Wählern, sagt Kittel. Was es jetzt braucht, sei eine „klare und produktive Politik, die sich geduldig den Problemen stellt“. Im Rahmen eines „Versöhnungsprozesses“ hat die Regierung Fehler eingestanden, damit war das Thema auch schon wieder erledigt. Vertrauen zurückzugewinnen sei aber ein längerer Prozess, und „unglaublich schwierig“, sagt Kittel.
Während Politik polarisiert, sieht der Forscher, dass sich die Gesellschaft erholt: „Zu Beginn gab es ein starkes Zusammenrücken, dann eine Entsolidarisierung. Mittlerweile sind wir wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau.“
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