Long Covid bei Jugendlichen: "Ich bin nicht mehr so wie vorher"

Long Covid bei Jugendlichen: "Ich bin nicht mehr so wie vorher"
Ein Besuch im Reha-Zentrum kokon in Bad Erlach, wo Kinder und Jugendliche lernen mit ihrer der Erkrankung besser umzugehen.

Es ist gar nicht so leicht die Anweisungen von Trainingstherapeutin Julia Berger umzusetzen: Luca, Nica und Josef laufen hintereinander über eine Matte, an bestimmten Punkten müssen sie springen und gleichzeitig klatschen. Die drei Jugendlichen sollen mit der Übung ihre Koordination verbessern. Es gelingt ihnen großteils, ihre Energielevels sind heute mit 60 bis 70 Prozent verhältnismäßig hoch.

Der 15-jährige Luca, die gleichaltrige Nica und der 17-jährige Josef haben Long Covid. Sie sind für insgesamt fünf Wochen im Reha-Zentrum kokon im niederösterreichischen Bad Erlach. In ihrer jetzt vierten Woche geben sie routiniert vor jeder Sporteinheit ihre Energielevels an, danach tragen sie auf einer Skala von eins bis zehn ein, wie sehr sie sich angestrengt haben. "So sollen sie einschätzen lernen, wie erschöpft sie sind, welche Belastungen bei welchem Energielevel gut und welche vielleicht zu viel sind", sagt Berger, die die Jugendlichen betreut.

Verschiedene Symptome

Das ist für die drei nicht gleich, denn sie haben zwar die gleiche Diagnose, aber unterschiedliche Symptome. Luca leidet vor allem unter starken Kopfschmerzen und ist oft erschöpft. "Dadurch vergesse ich viel. Wenn ich in die Schule gegangen bin, habe ich jeden Tag ein bis drei Schmerztabletten genommen. Seit ich Covid hatte, bin ich sehr eingeschränkt und oft krank, ich bin nicht mehr so wie vorher", erzählt er. Früher, vor seiner Infektion im September 2022, hat er in einem Fußballverein gespielt, jetzt ist "die Ausdauer komplett weg".

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Eine Trainingstherapeutin und ein Long Covid Patient trainieren in einem Turnsaal.

Luca läuft entlang der Matte und muss an bestimmten Punkten springen und klatschen gleichzeitig, um seine Koordination zu trainieren. 

Für Nica war die Covid-Erkrankung selbst "gar nicht schlimm". Aber: "Danach bin ich zwei Wochen zu Hause nur gelegen, weil ich so erschöpft war. Ich bin drei, vier Schritte gegangen, dann war mir schwindlig. Alltägliches war schwierig, ich musste mich in der Dusche hinsetzen", erzählt die Schülerin, die inzwischen von ihren Eltern unterrichtet wird. In die Schule kann sie nicht mehr gehen.

Auch Josef, der im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern arbeitet, wird oft schwindlig und müde. Nach einem halben Tag Arbeit, ist er sehr erschöpft. "Ich war bei sechs verschiedenen Ärzten, wurde von oben bis unten untersucht. Der sechste hat gemeint, es könnte Long Covid sein. Ich hoffe jeden Tag, dass mehr geht, aber schon eine Stunde mehr spüre ich am nächsten Tag und brauche dann zwei Tage Pause."

Schwierig ist für alle drei, dass vielen Long Covid zwar mittlerweile ein Begriff ist, aber richtig Bescheid wissen die wenigsten. "Man sieht es nicht – das ist ein Vorteil und ein Nachteil, aber der Nachteil ist, dass jeder Erwartungen hat, die ich nicht erfüllen kann und dann glauben die anderen, ich bin faul und will nur nicht", sagt Josef.

Ein Jugendlicher trainiert in einer Kraftkammer.

Der 17-jährige Josef arbeitet im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern und fürchtet, als faul abgestempelt zu werden. 

Therapie in der Gruppe

Der Austausch mit Gleichaltrigen während der Reha tue ihm gut. Das soll auch so sein – alle Kinder und Jugendlichen mit gleichem Erkrankungsbild werden in Gruppen mit ähnlichem Alter eingeteilt. Sie absolvieren einen Teil der Therapien, wie die Sporteinheiten, zusammen und essen gemeinsam. "Das ist sehr gut für die Motivation, sie können Bewältigungsstrategien austauschen, lernen voneinander und das fördert den Reha-Prozess", sagt Jutta Falger, Ärztliche Direktorin im kokon. Seit vier Jahren werden hier Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Erkrankungen betreut. Seit etwa zwei Jahren kommen jährlich rund 40 mit Long Covid, der Großteil davon Mädchen ab 14.

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Bei der Gestaltung des Reha-Zentrums wurde viel Wert drauf gelegt, dass sich die junge Patientengruppe wohlfühlt. "Unsere Räume sind sehr hell und freundlich gestaltet, es gibt viele Spielmöglichkeiten, eine Kletterhalle, ein Schwimmbad, abends Kino – es ist aber kein Wellnessaufenthalt, sondern wirklich harte Arbeit", sagt Falger.

Ein Aufenthaltsraum im Rhea-Zentrum kokon.

Die Räume sind freundlich und hell gestaltet, Wellnessaufenthalt ist die Reha aber keiner. 

Ziel: Freunde treffen

Alle Reha-Patienten haben ein Ziel, auf das in den unterschiedlichen Therapien hingearbeitet wird. In der Gruppe von Luca, Nica und Josef sind das weniger Kopfweh, wieder in die Schule gehen zu können und Freunde zu treffen. Sie wollen lernen, wie sie sich besser konzentrieren können, woran sie erkennen, dass sie erschöpfen oder wie sie den Tag am besten einteilen. Trainingstherapeutin Berger achtet darauf, dass sie sich nicht überfordern. "Anders als bei anderen Erkrankungen geht es bei Long Covid nicht darum, immer mehr zu machen, sondern durchaus auch tiefzustapeln." Manche Einheiten finden draußen statt, etwa im kleinen Föhrenwäldchen oder am Sportplatz des Reha-Zentrums.

Jutta Falger ist die ärztliche Direktorin des kokon Reha-Zentrums in Bad Erlach.

Jutta Falger ist die ärztliche Direktorin des kokon Reha-Zentrums in Bad Erlach.

Für Luca, Nica und Josef geht es nach dem Turnsaal in die Kraftkammer. Hier hat jeder eigene Übungen, bei denen sie seit Beginn der Reha bereits besser wurden. Für die Therapeuten im kokon war Long Covid am Anfang ebenso neu wie für die Patienten selbst. Anfängliche Therapiepläne werden laufend nachgebessert, erklärt Direktorin Falger. "Long Covid ist ein junges, dynamisches Krankheitsbild. Es kann sein, dass die Reha in zwei Jahren anders ist, weil man dann mehr Erkenntnisse hat."

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Ein Therapieraum im Reha-Zentrum kokon.

Die Kinder und Jugendlichen im kokon absolvieren einen Teil der Therapien alleine, einen Teil gemeinsam mit ihrer Vierergruppe Gleichaltriger. 

Zur Ruhe kommen

Heute stehe vor allem das Pacen, das heißt das Anpassen an das, was der Körper leisten kann, im Vordergrund. Im Snoezelenraum des Reha-Zentrums lernen die Jugendlichen etwa Entspannungs- und Atemübungen oder gehen auf Gedankenreise. Der Raum ist komplett in weiß ausgestattet, enthält Wasserbetten und blubbernde Wassersäulen, die über zuschaltbare Lichteffekte zur Ruhe kommen lassen.

Eine Frau liegt auf einem Wasserbett in einem Raum mit verschiedenen Lichteffekten.

Im Snoezelenraum lernen die Jugendlichen etwa Entspannungs- und Atemübungen.

Luca, Nica und Josef wünschen sich, dass ihre Beschwerden mehr anerkannt werden und sie sich nicht immer wieder erklären müssen. "Wenn ich sage, ich kann nicht, verstehen das viele nicht. Ich will aber nicht jedem sagen müssen, warum ich nicht kommen kann." Und Luca ergänzt: "Ich möchte einfach wieder gesund sein und das erreichen können, was ich mir vornehme – wie früher. Noch spüre ich kaum Verbesserung, aber ich arbeite sehr daran."

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