Die zehn größten Aufreger aus der Pandemie, die aufgearbeitet werden müssen
Drei Jahre Corona-Pandemie, gehen zu Ende, was bleibt ist eine gespaltene Bevölkerung. Die Pandemie bedeutete, den Umgang mit einer noch nie dagewesenen Situation zu finden. Es hieß aber auch intensive Diskussionen über von einzelnen Gruppen so empfundene Ungleichbehandlungen, über gesetzliche Regeln und deren Exekution. Die Gräben zwischen jenen, die sich an Corona-Maßnahmen hielten - diese unterstützen -, und jenen, die sich ihrer Freiheit beraubt fühlten, sind tief.
Genau das versucht die Regierung nun zu überwinden und investiert 545.000 Euro in eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Corona-Zeit, einen sogenannten "Versöhnungsprozess".
Im Folgenden erfahren Sie
- welche zehn Maßnahmen in Österreich die größten Aufreger waren
- und welche Maßnahmen sich für die Regierung als Fehler herausstellten
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Die Impfpflicht, die keine wurde
Für besonders viel Irritation sorgte die gesetzliche Impfpflicht, die politischen Ansagen dazu konnten mit der Realität nicht mithalten. Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sie noch kategorisch ausgeschlossen, sein Nachfolger Karl Nehammer (ÖVP) hielt sie später für unabdingbar. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) führte sie im Februar 2022 schließlich offiziell ein, freilich ohne Sanktionen. Anfang März wurde sie ausgesetzt – und im Juni schließlich offiziell begraben.
Manche waren im Lockdown gleicher
Öl ins Feuer der Maßnahmenkritiker war der von Mitte November 2021 bis Jänner 2022 geltende Lockdown für Ungeimpfte. Damit wurden zwei Millionen Menschen, die weder geimpft noch in den vergangenen 180 Tagen genesen waren, vom sozialen Leben ausgeschlossen. Was sie noch durften: einkaufen, arbeiten und zur Schule gehen. In manchen Regionen reichte aber selbst die Impfung nicht: In Wien und dem Westen musste man zusätzlich einen aktuellen PCR-Test vorweisen.
Maßnahmen-Chaos in der Gastronomie
Je nach Pandemiephase war die Gastronomie geschlossen – oder bekam Auflagen, die für Häme sorgten. Etwa Gruppenbeschränkungen oder Maskenregeln, die nur galten, solange man nicht saß. Viel Aufregung gab es um die generellen Zugangsbeschränkungen: Teils reichte ein aktueller Test für den Besuch beim Wirten, zeitweise galt die 2-G-Regel, dann durften sich nur Geimpfte bewirten lassen. Als Zugangsticket fungierte der Grüne Pass – so wurde eine Farbe in einer App zu einem Statussymbol.
Welche Regeln gelten eigentlich jetzt?
Auch in anderen Bereichen war nicht immer alles nachvollziehbar. So wurde in einigen Skigebieten bis zum bitteren Ende gefeiert, während das restliche Land bereits "herunterfuhr" (Stichwort Ischgl). Wenig später wurden in Wien Jugendliche von der Polizei reihenweise gestraft, weil sie sich in Parks trafen. Zumindest unglücklich war auch die "Licht ins Dunkel"-Gala 2020, als sich die Spitzenpolitik und weitere Prominente mitten im Lockdown ohne Maske im ORF-Studio ein Stelldichein gaben.
Das Auf-und-Ab bei den Masken
Maske oder nicht Maske, das war während der letzten drei Jahre oftmals eine berechtigte Frage – haben sich die Regeln doch häufig geändert. Eine Episode zur Erinnerung: Wurde die Maskenpflicht mit 15. Juni 2020 weitgehend abgeschafft, mussten bereits ab 24. Juli unter anderem in Supermärkten Mund und Nase wieder bedeckt werden. Nur konsequent also, dass nach wie vor im Zug nach Wien an der Stadtgrenze die Maske aufgesetzt werden muss – zumindest bis Ende Februar.
Bildungs-Lockdowns als "gravierender Fehler"
Aufreger waren auch die Schulschließungen. In Österreich waren die Schulen 2020 und 2021 fast neun Monate lang geschlossen – länger als im Großteil Europas. Kinder und Jugendliche wurden dadurch besonders belastet: Einsamkeit, Depression und Bildungslücken sind die Konsequenz. Gesundheitsminister Nummer 3 seit Pandemiebeginn, Johannes Rauch (Grüne), gestand Ende des vergangenen Jahres ein, die Schulschließungen in dem Ausmaß seien "ein gravierender Fehler" gewesen.
Die Bundesgärten-"Affäre"
Für einen der ersten Eklats der Pandemie sorgte Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, die mit Inkrafttreten des ersten Lockdowns am 16. März 2020 auch die Bundesgärten schließen ließ. Während in Wien also der Schlosspark Schönbrunn und der Augarten geschlossen waren, drängten sich die Menschen in den geöffneten städtischen Parks. Die Stadt war "not amused" (ein früher Vorbote weiterer Konflikte) und wandelte als Reaktion ab Mitte April viele Straßen in temporäre Begegnungszonen um.
Ein Reizwort namens "Ostererlass"
Unmittelbar nach der Bundesgärten-"Affäre" sorgte Ex-Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) für Alarmstimmung – und das im ganzen Land. Per "Ostererlass" wollte er am 1. April die unkontrollierte Virusverbreitung durch Familienfeiern verhindern. Wegen rechtlich unklarer Formulierungen (auch das ein Thema, das sich durch die Pandemie ziehen sollte) und wütenden Protesten der Opposition ("chinesische Allmachtsfantasien") zog Anschober den Erlass noch vor Ostern zurück.
Politische Taktik wog schwer – wohl zu schwer
Zwei Landtagswahlen wurden während der Pandemie-Hochzeit geschlagen und beide Wahlkämpfe wurden stark davon beeinflusst. In Wien nutzte die SPÖ im Herbst 2020 etwa Vorfälle wie die Bundesgärten-Schließung, um sich gegen die Bundesregierungsparteien ÖVP und Grüne zu positionieren. In Oberösterreich gab es im Herbst darauf wiederum Vorwürfe, trotz stagnierender Impfquote würden seitens der ÖVP strengere Maßnahmen ob des drohenden Erfolgs der Impfgegner-Partei MFG verschleppt.
Die Kommission ohne Bedeutung
Im Wirrwarr der Experten-Gremien stach eines mit besonderer Bedeutungslosigkeit hervor: die Ampel-Kommission. Diese evaluiert seit September 2020 das regionale Infektionsrisiko. Die Politik aber ignorierte die daraus abgeleitete Ampel weitestgehend. Ein Beispiel: Am 17. August 2020 kündigte Ex-Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) an, die Maßnahmen an Schulen würden sich an der regionalen Ampel orientieren. Am 14. September wurden sie davon wieder entkoppelt.
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