Dominanz
„Die Dominanz der Virologen hat es der Bildungspolitik manchmal schwer gemacht“, sagt der Wissenschafter durchaus diplomatisch.
Soll heißen: Auch wenn wochenlange Schulschließungen das viel zitierte „Infektionsgeschehen“ stark bremsen, darf dabei nie vergessen werden, was Selbiges sozial bedeutet. Weil Tablets weder Lehrer noch Schulfreunde ersetzen können, und das auch nicht sollen.
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Karl Nehammer versucht, an diesem Nachmittag einen Punkt zu machen, der ihm besonders wichtig ist: Bei all den Fehlern, die zweifelsohne gemacht wurden, stand immer eines im Mittelpunkt: „Wir hatten ein hehres Ziel: Menschenleben zu retten.“
Und hier wird der ÖVP-Chef hörbar emotional. Denn auch wenn dies manche von ihm fordern, hat er keine Lust, sich dafür zu entschuldigen, „dass ich bereit war, möglichst viele Menschenleben zu schützen“.
Würde er heute etwas anders machen?
Natürlich würde er.
Besonders schwer sei es gewesen, „Verhaltensanpassungen so zu kommunizieren, dass sie nicht verletzen“. Aber eines sei für ihn unstrittig: „Mit dem Wissen von heute würde ich manches bedächtiger formulieren.“
Impfpflicht
Was im Detail in der Pandemie-Kommunikation schief gelaufen ist, lässt sich ganz gut an der zweifelsohne umstrittensten Maßnahme – der Impfpflicht – zeigen:
Wieso hat sie so emotionalisiert, so polarisiert?
Soziologe Bogner erklärt das mit den drei „M“: „Mauscheln, Mauern – und Moralisieren.“
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Das „Mauscheln“ meint Folgendes: Die Diskussion, wie die Entscheidung zur Impfpflicht kam, passierte „mauschelnd“, also hinter verschlossenen Türen. Man erinnert sich an eine Landeshauptleute-Konferenz am Tiroler Achensee, bei der der Entschluss zur Impfpflicht sprichwörtlich über Nacht gefällt worden ist.
Mit „Mauern“ meint Bogner, dass die Impfpflicht als politisch alternativlos dargestellt wurde – was sie nüchtern betrachtet nie ist.
Streng genommen gibt es immer Alternativen. Die Frage ist bloß, ob sie klug und wünschenswert sind.
Mit dem „Moralisieren“ ist die moralische Abwertung all derer gemeint, die die Impfpflicht abgelehnt haben. Die Moralisierung war schließlich der „Motor für die Polarisierung“, sagt Bogner.
Was aber wären die Alternativen? Was die Impfpflicht angeht, lautet der Ratschlag des Experten: „Die Kontroverse moderieren.“ Gerade weil die Impfpflicht ein so schwieriges Thema ist, hätte man Befürworter und Gegner in „Orientierungsdebatten“ im Parlament und anderswo zusammenbringen und eine „ergebnisoffene“ Diskussion starten müssen.
Insgesamt hat die Regierung schon auf den Bericht reagiert. Mit dem im Sommer beschlossenen Krisensicherheitsgesetz soll die „Krisenresilienz“ erhöht werden. Und was die professionellere Krisenkommunikation angeht, wird an Konzepten gearbeitet.
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