Meinl-Reisinger zeigt Interesse am Finanz-Ressort: "Die Steuern gehören runter"

Meinl-Reisinger zeigt Interesse am Finanz-Ressort: "Die Steuern gehören runter"
Die Neos-Chefin war der erste Gast in den diesjährigen ORF-"Sommergesprächen". Auf mögliche Koalitionspartner wollte sie sich nicht festlegen, wohl aber nannte sie ein Thema, das ihr am Herzen liegt.

Eine Terrasse am Traunsee in Oberösterreich ist der Schauplatz der diesjährigen ORF-Sommergespräche. Erster Gast war am Montagabend Beate Meinl-Reisinger, Bundesparteivorsitzende der Neos

Und das erste Thema: Bildung. Die Schulen in Österreich hätten hohe Qualität, die Lehrer hohes Engagement, schickt Meinl-Reisinger voraus. Ausbauen würde sie unter anderem gerne das ganztägige Angebot, zudem brauche es Maßnahmen gegen den Lehrermangel.

In Wien sei mit Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr viel passiert, sagt Meinl-Reisinger, und nennt etwa die School Nurses und administrative Hilfskräfte, damit sich die Lehrer wieder mehr aufs Unterrichten konzentrieren können. 

Aber: Wie das Schulsystem aufgestellt ist, werde Potenzial der Kinder vergeudet. Schuld sei der Bund. Die letzte große Reform sei 1962 gewesen. "Da waren meine Eltern in der Schule", empört sich die Neos-Chefin.

Meinl-Reisinger zeigt Interesse am Finanz-Ressort: "Die Steuern gehören runter"

Hin und wieder "wachelt" sie beim Sprechen. Was weniger an der hitzigen Interviewsituation liegt als an den Wespen. "Hier sind unglaublich viele Wespen", entschuldigt sich Meinl-Reisinger. 

Zurück zum Thema: In Wien gibt es Schulen, in denen zwei Drittel nicht genug Deutsch können, um dem Unterricht folgen zu können. Ist das wirklich allein Sache des Bundes?, fragt ORF-Journalist Martin Thür. 

Meinl-Reisinger kritisiert selbst, dass "immer alle mit dem Finger auf den Bildungsminister zeigen". Jetzt betont sie, dass es hier Zusammenarbeit brauche - ihr Vizebürgermeister könne nicht alles alleine machen.

Und schon sind wir beim Thema Integration. Es gehe um drei Dinge, sagt Meinl-Reisinger, die "Klartext" sprechen will: "Erstens muss man erwarten können, dass sich alle an die gemeinsamen Werte halten, zweitens, dass sie Deutsch lernen und drittens, dass jemand arbeitet und seine Steuern zahlt."

Unterrichtsfach zur Wertevermittlung

Einmal mehr spricht sich die Neos-Chefin für ein Unterrichtsfach zur Wertevermittlung aus. Die Schule sei der beste Ort, um das zu vermitteln. 

Nachfrage von Thür, weil es dazu einmal eine Debatte gab: Demokratieunterricht statt Religionsunterricht oder beides? Beides, sagt Meinl-Reisinger. 

Nächstes Thema: Sozialleistungen. In Wien, wo die Neos mitregieren, ist die Mindestsicherung höher als in anderen Bundesländern. 

Kritisch sieht Meinl-Reisinger vor allem den "Fleckerlteppich", der durch die "Zerschlagung" der Mindestsicherung durch die türkis-blaue Koalition 2018 entstanden sei. 

Und dann widerspricht sie sich etwas: Einerseits bleibt sie beim Neos-Slogan "Jedes Kind ist gleich viel wert", andererseits kann sie sich schon ein degressives Modell vorstellen. Zur Erklärung: Wien zahlt für jedes Kind in der Mindestsicherung gleich viel, Oberösterreich und Niederösterreich zahlen je Kind weniger in kinderreichen Familien. 

Eines sagt Meinl-Reisinger aber ganz klar: Wer arbeiten geht, soll mehr zum Leben haben. 

Die Energiepreise sind unterdessen für alle weiterhin hoch. Meinl-Reisinger sieht das Problem darin, dass es unter den Energieversorgern, die meist den Ländern gehören, zu wenig Wettbewerb gebe. 

Auch bei den Lebensmittelpreisen fehlt der Wettbewerb - es gibt nur wenige große Supermarktketten. Was würde die liberale Neos-Politikerin da tun?

Liberalisierung der Öffnungszeiten

Die wünscht sich ein besseres Raumordnungskonzept, um die Konzentration von Supermarktflächen am Ortsrand zu bremsen und Ortskerne wieder mehr zu beleben. Viel könne man auch mit einer Liberalisierung der Öffnungszeiten machen. 

Direkte Eingriffe in die Preispolitik hält Meinl-Reisinger für "absolut unklug". Sie sagt: "Wenn der Staat anfängt, in die Schokoladepreise einzugreifen, wird das ein böses Ende nehmen." 

Die Neos mögen eine kleine Partei sein, vor der kommenden Nationalratswahl gewinnen sie als potenzieller Mehrheitsgeber einer künftigen Koalition aber an Gewicht. 

Fragt sich: Mit wem wollen sie zusammenarbeiten? Die Neos haben als Oppositionsparteien ja jede Partei "durch Sonne, Mond und Sterne" geschossen, wie Moderator Thür richtig bemerkt. 

"Es braucht jemanden, der Energie und Mut hat"

Meinl-Reisinger holt weit aus, spricht über fehlende Reformen, das Budget-Defizit. "Es braucht jemanden, der Energie und Mut hat, die vielen Parteien in den vergangenen Jahrzehnten gefehlt haben. Das sehen auch die Österreicherinnen und Österreicher so", sagt sie und holt einen Artikel des Standard mit einer Umfrage hervor, wonach zwei Drittel der Befragten sagen, es könne so nicht mehr weitergehen.

Thür grätscht hinein: "Schamlos, korrupt, dummdreist, fetzendeppert, eitel, zerstritten, unfähig, stur" habe sie andere Politiker in der Vergangenheit geschimpft - um nur einige Beispiele zu nennen. Also noch einmal die Frage: Mit wem wollen die Neos regieren?

"Vieles von dem ist durchaus richtig", sagt Meinl-Reisinger und schmunzelt. Aber trotzdem müsse man schauen in einer Demokratie, wie man zusammenkommt. Wobei sie eingesteht, dass sie rhetorisch manches Mal über das Ziel hinausgeschossen sei. 

Weg vom Feindbild-Denken

Die Neos-Chefin will etwas weg von dieser Rhetorik, erklärt sie: "Die Menschen gewinnt man mit Optimismus und mit dem Glauben an die Zukunft." Dieses Feinbild-Denken helfe nicht weiter. 

Auf die Frage, welche Ressorts es die Neos abgesehen hätten, kämen sie in die nächste Regierung, bleibt Meinl-Reisinger vage - lässt aber doch ein Lieblingsressort hervorblitzen: Finanzen. 

Zugeschrieben wird den Neos ja immer das Bildungsthema. Jetzt sagt die Parteichefin: "Es wäre gut, wenn es jemanden gibt, der den Mut hat, Reformen umzusetzen. Die Steuern müssen runter." 

Von einer Dreier-Koalition dürfte Meinl-Reisinger übrigens kein Fan sein - das klingt durch, als sie auf die deutsche Ampelkoalition aus SPD, Grüne und FDP angesprochen wird. 

Abgerückt sind die Neos mittlerweile von ihrer Idee des "Chancen-Kontos": Noch einigen Monaten haben sie ein "Chancenkonto" für junge Menschen gefordert, das vom Bund mit 25.000 Euro unterstützt werden soll. 

Junge Menschen sollen sich etwas aufbauen können

Meinl-Reisinger erklärt: Es sei ihr darum gegangen, dass junge Menschen in der Lage sein sollen, sich etwas aufzubauen. Deshalb habe man diese Idee entwickelt. Dann habe im Juni aber der Fiskalrat Alarm geschlagen und angesichts des Defizits von 21 Milliarden Euro der neuen Regierung ein Sparpaket empfohlen. 

Deshalb sagt die Neos-Chefin jetzt. "Es braucht erst einmal eine Kostenbremse, im nächsten Schritt braucht es Reformen und eine Entlastung der Bürger." 

Fragt sich natürlich: Wo sparen? Ausgabenseitig, meint Meinl-Reisinger, gebe es viele Bereiche: In Bereiche wie Gesundheit, Bildung und Verwaltung etwa zahlen Länder wie Schweden und Dänemark, die EU-weit als Vorbilder gelten, weniger aus als Österreich. 

"Wir müssen jeden Cent umdrehen und schauen, ob er gut eingesetzt ist. Das primäre Ziel ist, im System zu sparen", sagt sie. 

Um das Thema Pensionen druckst sie zunächst ein wenig herum, sagt dann aber doch: 

"Wenn man mittel- bis langfristig ausgabenseitig reformiert und die Menschen steuerlich entlastet, dann wird man um eine Pensionsreform nicht umhin kommen." 2023 seien die Menschen leicht früher in Pension gegangen als in den 1970er-Jahren, erklärt sie. Im selben Zeitraum sei die Lebenserwartung um sieben bis acht Jahre gestiegen. "Ich sage Ihnen: Das geht sich nicht aus."

Die Neos plädieren deshalb für ein flexibles Pensionskonto: Wer länger arbeitet, kriegt mehr, wer nicht so lange arbeitet, kriegt weniger. Und auch der Staat solle sich etwas zurückziehen - die Pinken wollen mehr auf die private Pensionsvorsorge setzen. 

Klar: Das wäre ein Kapitalmarktprodukt - und Schwankungen unterworfen, wie die derzeitig Unruhe an der Börse zeigt. "Sind die Pensionen wirklich etwas, das man einem solchen Risiko aussetzen will?", fragt Thür. 

Meinl-Reisinger erklärt: Die Veranlagungen seien etwas Langfristiges, die Neos wollen dies nur als Ergänzung, nicht als Ersatz. 

Mit dem heiklen Pensionsthema endet das Sommergespräch. Am Schluss stellt Thür noch ein paar kurze Fragen zu Fakten - die spannendste davon: "Wie viele Ihrer Aussagen haben Sie schon bereut?"

"Weiß ich nicht. Einige", sagt Meinl-Reisinger. 

Und wird dann etwas nachdenklich: Sie habe sich im Zuge ihres Buches mit dem "Feindbilddenken" beschäftigt. "Wir (die Neos, Anm.) haben uns da auch treiben lassen. Wenn man irgendwann das Gefühl hat, das ist kein Mitbewerber mehr, sondern ein Feind, der vernichtet gehört, das macht mir Sorge. Jeder ist in der Verantwortung, das zu ändern. Das Feindbilddenken bringt uns nicht weiter."

Und ihr Wahlziel für die Nationalratswahl?

"Null Prozent", sagt sie und lacht. "Null Prozent Kinder, die keine Chancen haben." 

Kurz zusammengefasst:

  • NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger war die Erste bei den diesjährigen ORF-'Sommergesprächen'.
  • Meinl-Reisinger spricht sich einmal mehr für ein Unterrichtsfach zur Wertevermittlung aus.
  • In Sachen Sozialleistungen schlägt die NEOS-Chefin eine einheitliche Mindestsicherung vor und betont die Notwendigkeit von Sachleistungen anstatt Geldleistungen.
  • Die NEOS-Chefin kritisiert die Liberalisierung des Strommarktes in Österreich
  • Mit wem die NEOS in die Regierung wollen, weiß Meinl-Reisinger noch nicht, aber "die brauchen uns", zeigt sie sich überzeugt.
  • Meinl-Reisinger will einen "Kassasturz" und zeigt Interesse am Finanzministerium.

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