4.600 Euro für syrische Familie: Zahlt Wien zu viel Mindestsicherung aus?

Symbolbild: Ein Antrag auf Mindestsicherung.
Ist die Mindestsicherung für kinderreiche Familien in Wien zu hoch? Der Fall einer syrischen Familie mit sieben Kindern sorgte diese Woche für eine kontroverse Debatte. Wie Heute zuerst berichtete, erhält die Familie monatlich eine Mindestsicherung in Höhe von 4.600 Euro netto (inklusive Mietbeihilfe), hinzu kommt noch die Familienbeihilfe. Aufgeflogen war der Fall, nachdem die Syrer eine neue Wohnung im Bezirk Landstraße anmieten wollten und Einkommensnachweise vorlegen mussten.
Zur Einordnung: Wären die Eltern erwerbstätig, müssten sie ohne weitere Beihilfen zusammen rund 7.500 Euro brutto verdienen, um auf diese Summe zu kommen.
Die Mindestsicherung gilt als letztes soziales Auffangnetz. Ihre Bezieher müssen noch nicht einmal erwerbstätig gewesen sein, um sie beziehen zu dürfen. Sind 4.600 Euro vor diesem Hintergrund zu viel, oder handelt es sich um eine Neiddebatte?
"Geht um Gerechtigkeit"
Sehr deutlich fällt die Antwort der FPÖ aus. Der Wiener Landesparteichef Dominik Nepp sagt am Freitag in einer Pressekonferenz: „Ich bin schon seit Jahren in der Politik, aber das was sich hier abgespielt hat, hat es noch nie gegeben.“ Es gehe nicht um Neid, sondern um Gerechtigkeit. Die Familie würde „ohne etwas zu leisten“ mehr bekommen als viele für ihren Vollzeitjob, kritisiert Nepp.
Er kündigt einen Misstrauensantrag gegen Bürgermeister Michael Ludwig und Sozialstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) sowie eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen Hacker an. Immerhin hätte die Wiener SPÖ durch höhere Sozialleistung eine „Binnenmigration“ in die Hauptstadt gefördert. Kurzum: Laut Nepp hat Wien höhere Sozialleistungen als die anderen Länder, weshalb viele Menschen in die Stadt kämen, „die nicht arbeiten wollen“.
Mit 10,8 Prozent ist die Arbeitslosenquote in Wien doppelt so hoch wie in Rest-Österreich. Auch die Quote an Einwohnern, die Mindestsicherung beziehen, ist in Wien mit 7 Prozent mit Abstand am höchsten. In den anderen Bundesländern liegt sie unter einem Prozent oder knapp darüber. Als Hauptgrund gilt – neben der hohen Zahl an Langzeitarbeitslosen in Wien – der hohe Anteil an Migranten.
Oberösterreich und Wien im Vergleich
Tatsächlich dürfte die Bundeshauptstadt für Menschen, die nicht arbeiten können oder wollen, finanziell attraktiver sein als andere Bundesländer.
Die türkis-blaue Regierung ist 2019 mit ihrem Versuch, ein bundesweit einheitliches Modell einzuführen, am Verfassungsgerichtshof gescheitert. Deshalb können die Länder selbst über die Zuschläge entscheiden. Der größte Unterschied hat sich zwischen Wien und Oberösterreich herauskristallisiert.
Oberösterreich hat ein degressives Modell: Bei einem Minderjährigen in der Familie gibt es 288,96 Euro, bei zwei Minderjährigen jeweils 231,17 und bei drei jeweils 173,38 Euro. Ab fünf Kindern werden pro Kind nur noch 138,70 Euro ausgezahlt. In Wien aber proklamiert Stadtrat Peter Hacker: „Jedes Kind ist gleich viel wert.“ Deshalb gibt es – unabhängig von der Familiengröße – pro Kind 312,08 Euro.
Zudem wird die Mietbeihilfe in Wien gesondert ausbezahlt und kann bis zu 30 Prozent des Mindestsicherungsbezugs betragen. In Oberösterreich wird die Wohnbeihilfe auf die Sozialhilfe angerechnet.
So kommt die syrische Familie mit sieben Kindern in Wien (inkl. Mietbeihilfe) auf 4.600 Euro, in Oberösterreich würde dieselbe Familie nur auf 2.590 Euro kommen.
Noch einen Unterschied gibt es: Subsidiär Schutzberechtigte (im Gegensatz zu Asyl kein dauerhafter Aufenthaltstitel) haben nur Anspruch auf Grundversorgung. In Wien – und übrigens auch in Tirol – wird der Betrag auf die Höhe der Mindestsicherung aufgestockt. Das macht einen Unterschied von mehreren Hundert Euro.
Mindestsicherung: 500 Euro pro Kopf
Im Büro von Stadtrat Hacker setzt man den Fall der syrische Großfamilie in Relation: In Wien gebe es nur 120 Familien dieser Größe, davon sind 107 nur „Aufstocker“. Das sind Erwerbstätige, deren Einkommen zu gering ist und deshalb auf die Höhe der Mindestsicherung aufgestockt wird. Nur 13 Familien seien sogenannte „Vollbezieher“.
Im Ö1-Journal rechnet Hacker vor: 4.600 Euro für neun Personen ergeben 500 Euro pro Kopf. Es solle jeder in sich gehen und sich fragen, ob er mit 500 Euro im Monat auskäme, sagte er da.
Der Anzeige der Freiheitlichen sieht man gelassen entgegen – es sei nichts Strafbares vorgefallen, heißt es in Hackers Büro. Der Auszahlungsbetrag sei auch keine „Aufdeckung“, sondern geltende Rechtslage in Wien. Und man denkt auch nicht daran, etwas zu ändern. „Diese Summen stehen jeder Familie zu, die sie brauchen – auch österreichischen.“
Mindestsicherung ist als letztes Auffangnetz für Menschen gedacht, die kein Arbeitslosengeld bekommen. Für Asylberechtigte ist es aber das erste Netz, wenn sie aus der Grundversorgung fallen und nicht arbeiten (können)
190.000 Bezieher gab es 2022 österreichweit, davon 134.000 in Wien
Unterschiede: Eine alleinstehende bzw. alleinerziehende Person erhält in Wien und in OÖ 1.155,84 Euro, Paare gemeinsam 1.618 Euro. Pro Kind gibt es in Wien zusätzlich 312,08 Euro. In OÖ wird der Zuschlag mit jedem Kind weniger (1 Kind 288,96 / 2 Kinder je 231,17 / 3 Kinder je 173,38 / 4 Kinder je 144,48 / ab 5 Kindern je 138,70 Euro)
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