Hat Kurz gelogen, als er im U-Ausschuss mit Postenschacher-Vorwurf konfrontiert wurde? Mitwisser und Betroffene aus der türkis-blauen Ära kommen beim Prozess zu Wort – von Schmid über Blümel bis Strache.
Drei Angeklagte und 21 Zeugen sollen in den kommenden Wochen im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts vor Richter Michael Radasztics Platz nehmen.
Zum Prozessauftakt am Mittwoch steht Ex-Casinos-Direktorin Bettina Glatz-Kremsner im Fokus, am Freitag dürfte der große Auftritt von Ex-Kanzler Sebastian Kurz folgen. Sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli wird dann am darauffolgenden Montag, den 23. Oktober, an der Reihe sein.
Vorgeworfen werden ihnen Falschaussagen im U-Ausschuss und bei der WKStA, was Postenbesetzungen während der türkis-blauen Ära von 2017 bis 2019 betrifft.
Es drohen ihnen bis zu drei Jahre Haft. Voraussichtlich werden sich alle drei als „nicht schuldig“ bekennen.
Besprechung über weiteren Fahrplan
Wann die Zeugen (laut Strafantrag sind es 21, es könnten aber noch weitere beantragt werden) auftreten, ist noch völlig offen.
Am Montag soll es im Landesgericht eine Besprechung über die weitere Planung geben. Zuletzt wurde überlegt, den restlichen Oktober zu pausieren und erst im November mit den Zeugenbefragungen fortzusetzen.
Die Zeugen gelten als Mitwisser oder direkt Betroffene von mutmaßlichem Postenschacher bei der ÖBAG (Österreichische Beteiligungs AG) und der Casag (Casinos Austria AG).
Wie diese beiden Bereiche zusammenhängen? Eine Theorie lautet, dass Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, von der ÖVP als Alleinvorstand der ÖBAG installiert wurde und die FPÖ dafür ihren Bezirksrat Peter Sidlo als Finanzvorstand der Casag bekam. Auch die Besetzung des ÖBAG-Aufsichtsrates soll parteipolitisch paktiert worden sein.
Noch einmal zur Erinnerung: Nicht die Postenschacherei ist angeklagt, sondern die mutmaßlichen Falschaussagen von Glatz-Kremsner, Kurz und Bonelli, als sie dazu befragt wurden.
Kurz wird im Strafantrag sinngemäß vorgeworfen, er habe seine Rolle kleingeredet, weil ihm die Wahrheit imagemäßig nicht ins Konzept gepasst hätte.
Personalentscheidungen
Die Zeugen stehen unter Wahrheitspflicht – es sei denn, sie müssten sich selbst belasten, dann können sie sich entschlagen.
Besonders heikel ist die Lage für Thomas Schmid: Im Sommer 2022 hat sich der frühere ÖVP-Intimus bei der WKStA als Kronzeuge angedient und über mehrere Wochen hinweg ausgepackt. Lügt er, dann platzt sein Traum vom Kronzeugen-Schutz, und er könnte bald selbst auf der Anklagebank sitzen.
Im jetzt startenden Prozess ist Schmid die Hauptperson, wenn es um die Vorwürfe gegen Ex-Kanzler Kurz geht: Rund um seinen Aufstieg zum Alleinvorstand der ÖBAG und die Auswahl „seines“ Aufsichtsrates soll Kurz damals, im Juni 2020, im U-Ausschuss gelogen haben.
Involviert gewesen sein sollen auch Stefan Steiner, einst engster Berater von Kurz, und der damalige Kanzleramtsminister Gernot Blümel, die ebenfalls als Zeugen geladen sind.
Steiner könnte sich entschlagen, da er im Casag-Verfahrenskomplex als Beschuldigter geführt wird. Bei Blümel sind bereits alle Verfahren eingestellt worden (der KURIER berichtete).
Er dürfte im Zeugenstand mit einer Reihe von Chats konfrontiert werden, die belegen sollen, dass Schmids Aufstieg nicht nur gewollt, sondern die ÖBAG regelrecht für ihn maßgeschneidert wurde. „Schmid AG fertig!“, schrieb Blümel 2018, nach dem Gesetzesbeschluss im Nationalrat, an Schmid.
Als Zeuge geladen ist zudem der Industrielle Siegfried Wolf. Er sollte angeblich auf Wunsch von Kurz Vorsitzender des Aufsichtsrates werden.
Gegen Wolf wird im Verfahrenskomplex noch wegen Steuerinterventionen ermittelt, auch ihn belastet Ex-Finanz-General Schmid schwer.
Zuständiger Finanzminister war damals Hartwig Löger, aber auch er könnte sich als Zeuge entschlagen, weil noch gegen ihn ermittelt wird.
Er soll die Besetzung des ÖBAG-Aufsichtsrates mit Heinz-Christian Strache, damals FPÖ-Vizekanzler, abgestimmt haben.
Strache, der in zwei anderen Verfahren bereits rechtskräftig freigesprochen wurde, dürfte aber auch etwas zum zweiten Themenbereich – der Casag – beitragen: Ex-Casinos-Chefin Glatz-Kremsner sagte bei ihrer Vernehmung vor der WKStA aus, dass sie mit Strache „nie über das Thema Sidlo“ gesprochen habe.
Allerdings tauchten dann Chats aufs, in denen sich Strache bei ihr für die „Unterstützung“ bedankt und sich erkundigt, ob die „Zusage bezüglich Peter Sidlo eh hält“. Sidlo ist übrigens auch als Zeuge geladen.
Ob es einen türkis-blauen Deal gab, dazu soll auch Walter Rothensteiner, damals Casag-Aufsichtsratschef, im Zeugenstand befragt werden. Bei ihm wurde 2019 eine Notiz sichergestellt, wonach Sidlo für die Blauen „ein Muss“ sei.
Zu etwaigen Hintergrund-Deals und Sidelettern der türkis-blauen Regierung könnte auch Norbert Nemeth, langjähriger FPÖ-Klubdirektor und Mitverhandler der Koalition, einiges an Insider-Wissen beitragen.
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