Am Mittwoch um 9.30 Uhr wird Richter Michael Radasztics die Verhandlung gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), die damalige Vizeparteichefin und Casinos-Austria-Direktorin Bettina Glatz-Kremsner und den Kurz-Vertrauten Bernhard Bonelli im Großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen in Wien aufrufen – und die Kamerateams und Fotografen aus dem Saal bitten.
Der Rummel im Vorfeld könnte vermuten lassen, dass zumindest ein Schöffengericht im Einsatz ist. Doch Radasztics wird das Verfahren als Einzelrichter führen. Grund dafür ist der Strafrahmen für das angeklagte Delikt: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft den drei Angeklagten falsche Beweisaussage vor dem parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss vor.
Konkret soll es um angeblich abgesprochene Postenbesetzungen gegangen sein. Glatz-Kremsner soll zudem als Zeugin im Casinos-Verfahren falsche Angaben gemacht zu haben. Der Strafrahmen beträgt bis zu drei Jahre.
Michael Radasztics
Erst Rechtsanwalt, später Staatsanwalt, seit Anfang des Jahres Richter im Landesgericht für Strafsachen in Wien. In seiner Zeit als Staatsanwalt ermittelte er auch gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, ebenso war er mit dem Eurofighter-Verfahren betraut, ehe ihm der Akt entzogen und die WKStA damit betraut wurde. Dass ausgerechnet er nun in einem Strafantrag der WKStA urteilt, sorgte im Vorfeld für Irritationen. Grund dafür ist allerdings das computergesteuerte Aktenverteilungssystem des Gerichts. Dieses System soll gewährleisten, dass Richter möglichst gleichmäßig mit anfallenden Akten belastet werden.
Noch keine Zeugen
Drei Prozesstage sind vorerst angesetzt. Doch die sind nur die Spitze des Eisberges. An diesen drei Tagen werden keine Zeugen zu Wort kommen. Und davon wurden in diesem Verfahren zahlreiche geladen. Allein die WKStA beantragte 18. Darunter den ehemaligen ÖBAG-Chef Thomas Schmid, der Kronzeuge werden will.
Auf seinen Aussagen beruht ein wesentlicher Teil des Strafantrages. Aber auch die ehemaligen Minister Hartwig Löger und Gernot Blümel sind als Zeugen beantragt, genauso wie Manager Siegfried Wolf.
Gregor Adamovic fiel im Prozess gegen Ex-Ministerin Sophie Karmasin (ÖVP) mit markigen Sprüchen auf. Sie wurde zu bedingter Haft verurteilt (nicht rechtskräftig).
Christina Jilek sprach im Ibiza-U-Ausschuss über das „politische Störfeuer“ gegen die WKStA, die sie danach verließ. Sie initiierte das Anti-Korruptions-Volksbegehren und kehrte zur WKStA zurück
Der Strafantrag der WKStA ist 108 Seiten dick. Die wesentlichsten Inhalte wird die WKStA im Eröffnungsvortrag erläutern. „Chats don’t lie“ – Chats lügen nicht: Diesen markigen Sager benutzte die Anklagebehörde in einem anderen Verfahren. Doch es wird auch diesmal auf Chats hinauslaufen. Im Strafantrag sind davon jede Menge enthalten.
Und auch wenn diese „oft erkennbar unüberlegt, flapsig oder emotional gefärbt sind“, wie die Oberstaatsanwälte Gregor Adamovic und Christina Jilek im Strafantrag festhalten, sei der zentrale Aussageinhalt zumeist richtig und auch so gemeint. Entsprechend wird man diese Chats wohl auch beim Prozess präsentieren wollen, genauso wie die Tonaufnahmen der inkriminierten Aussagen im U-Ausschuss – ein Techniker wurde jedenfalls für den ersten Prozesstag angefordert.
Sebastian Kurz: Der ehemalige ÖVP-Bundeskanzler zog sich 2021 aus der Politik zurück. Grund waren die Ermittlungen der WKStA. Er ist nun Unternehmer und Investor
Bettina Glatz-Kremsner: Bis März 2022 war sie Generaldirektorin der Casinos Austria. Zudem war sie Bundesparteiobmann-Stellvertreterin der ÖVP
Bernhard Bonelli: War Kabinettschef im Bundeskanzleramt. Er galt als enger Kurz-Vertrauter. Kurz war sogar Bonellis Trauzeuge. Später gründete er einen Fonds
In den folgenden Verhandlungstagen am 20. und 23. Oktober werden die Beschuldigten befragt. Sie alle haben im Vorfeld die Anschuldigungen zurückgewiesen. Der Ex-Kanzler hatte noch am vergangenen Freitag eine „Gegenäußerung zur Anklage“ bei Gericht eingebracht.
Wie viele Verhandlungstage nach Befragung der Angeklagten nötig sind, lässt sich aktuell nicht abschätzen. Weitergehen dürfte es aber frühestens im November.
Otto Dietrich: Zuletzt vertrat er den früheren Spionage-Chef des BVT. Im Buwog-Prozess stand er an der Seite des früheren Immofinanz-Chefs Karl Petrikovics.
Lukas Kollmann: fiel in den vergangenen Jahren als Anwalt speziell in Wirtschaftsstrafsachen auf. Er verteidigte unter anderem in den Causen Buwog und Chorherr.
Werner Suppan: gilt als „der“ ÖVP-Anwalt. Der Kärntner war es auch, der ein heimlich aufgezeichnetes Telefon zwischen Kurz und Schmid den Behörden übergab.
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