Welcher Trump wird die USA regieren?

Was können sich Amerikaner und der Rest der Welt von Donald Trump erwarten? Er gilt als unberechenbar, das macht vielen Angst.

Wer ist der wahre Donald Trump? Der dumpfe, laut schreiende Rechtspopulist aus dem Wahlkampf oder der Versöhnliche, der in seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg davon gesprochen hat, ein Präsident für alle Amerikaner sein zu wollen? Genau diese Frage stellen sich jetzt viele US-Politiker und ausländische Staatschefs - eigentlich jeder.

Viele politische Gegner sind nach dem Sieg Trumps jedenfalls auf ihn zugegangen, haben ihm die Zusammenarbeit und Mithilfe angeboten – darunter parteiinterne Widersacher wie die Bush-Familie, aber auch US-Präsident Barack Obama selbst, einer seiner schärfsten Kritiker – zum Teil aus politischer Tradition dem gewählten Präsidenten nach dem Wahlkampf Respekt zu zollen, aber in diesem Fall vielleicht auch, um die Proteste im Land nicht weiter anzuheizen.

Eine große Frage ist freilich auch, welche Wahlversprechen kann und wird Trump tatsächlich umsetzen? Baut er die Mauer an der mexikanischen Grenze, schmeißt er alle Illegalen raus, kündigt der den Klimavertrag? Oder war das alles Wahlkampfgetöse und Trump wird als Präsident gemäßigter als im Wahlkampf agieren. Kurz: Welchen Trump werden wir als Präsidenten sehen? Diese Fragen beschäftigen auch den Politologen Reinhard Heinisch, USA-Experte an der Universität Salzburg.

Wie könnte Trumps Regierungsstil aussehen?

Heinisch hat im Gespräch mit kurier.at keine Zweifel: "Sicher top down. Er duldet keine Widersprüche." Das heißt, alles tanzt nach seiner Pfeife. Heinisch sieht auch Probleme entstehen aufgrund der schwer auszumachenden Persönlichkeit Trumps: "Es gibt viele Möglichkeiten, wo er in seiner physischen und psychischen Verfassung ausrasten wird, wo andere Politiker Konflikte einfach aussitzen."

Internationale Partner der USA werden sich wohl auf große Veränderungen im Umgang vorbereiten müssen – auf was genau, kann allerdings niemand vorhersagen. Für Heinisch gibt es eine zentrale Frage: "Wie reagiert Trump in die Enge getrieben?". Seine Einschätzung fällt wenig schmeichelhaft aus: "Wenn man sich fügt, ist er generös". Was aber wenn ausländische Regierungschefs nicht auf Linie sind und versuchen Druck aufzubauen? "Es stellt sich die Frage, ob er dann externe Bedrohungsszenarien aufbietet", sagt Heinisch.

Wie geht er mit parteiinternen Gegnern um?

Unklar ist außerdem, wie Trump mit seinen Gegnern innerhalb der Partei verfahren wird, wie zum Beispiel mit dem mächtigen Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan. Der Republikaner hatte sich in den vergangenen Monaten klar von Trump distanziert. Nach der Veröffentlichung eines Videos, in dem Trump damit prahlt Frauen als "Star" begrapschen zu können, hatte Ryan Trump vor einem gemeinsamen Wahlkampfauftritt kurzerhand ausgeladen und parteiintern den Rat gegeben, sich auf die Kongresswahlen zu konzentrieren. Gewählt hat Ryan dann aber doch Trump, wie er sagt. Am Ende war ihm wohl wichtiger, dass ein Republikaner ins Weiße Haus einzieht.

Ryan könnte von Seiten der Tea Party angegriffen werden, vermutet Heinisch. Sie könnten fordern, ihn als Sprecher des Repräsentantenhauses zu ersetzen und jemanden aus ihren Reihen zu installieren. Dagegen könnten sich damit die gemäßigten Republikaner - sie stehen hinter Ryan - organisieren. Das würde fast schon einer Parteispaltung gleichkommen. Deshalb sei es klüger für Trump vorerst besonnen zu agieren, meint Heinisch, sofern er das schaffe. Es sollte ihm jetzt darum gehen die Partei zu einen.

Der Fokus sollte demnach intern auf Agenden liegen, wo sich die Partei einig ist, wie beim Klima und der Einwanderung. Schwierig wird es dort, wo Geld ausgegeben werden muss, schätzt Heinisch die Gefahrenlage ein. Trump will zum Beispiel die Steuern senken, allerdings soll – geht es nach einem Großteil der Republikaner – das Budget-Defizit nicht größer werden. Heinisch ist sich sicher, dass hier schon das erste große Konfliktpotential droht.

Was bleibt von Trumps Versprechen?

Trump gilt als unberechenbar, seine politischen Forderungen sind ungenau und populistisch. Sie reichen vom Mauerbau bei Mexiko bis zur Infragestellung der Nato. Umsetzbar ist wenig ohne Konsens im Kongress. Reinhard Heinisch sieht Trumps wahre Macht als Präsident zum Teil stark eingeschränkt.

- Will er beispielsweise tatsächlich - wie angekündigt - die Sanktionen gegen Russland aufheben, bräuchte er dazu den Kongress. Dieser ist zwar in der Hand seiner Partei, allerdings sind die meisten Republikaner mit seinen Äußerungen über Russland alles andere als glücklich. Russland ist übrigens wohl das einzige Land, das sich über Trumps Sieg zu freuen scheint.

- Die versprochene Mauer zu Mexiko würde zwischen fünf und sechs Milliarden Dollar kosten. Das Geld könnte nur der Kongress locker machen. Sollte dieses Versprechen halten, könnte sich Heinisch vorstellen, dass Mexiko diverse Zuwendungen von US-Seite im Kampf gegen die Drogenkriminalität gestrichen werden – quasi als Gegenrechnung. "Für die Symbolik" könnte Trump derartige Aktionen setzen. Es könnte aber auch reichen diverse bestehende Grenzanlagen und Zäune auszubauen.

- Obamas Iran-Deal steht auch auf der Kippe. Er muss noch durch den Kongress, Trump könnte ihn schlicht auf Eis legen.

- Auch der Umgang mit Saudi Arabien ist alles andere als klar. Hier stellt sich außerdem die Frage, wie mit einreisenden Moslems aus diesem Land umgegangen wird. Trump hatte ursprünglich gefordert, Moslems die Einreise zu verweigern, ruderte aber später zurück. Auf seiner Homepage ist diese Forderung nach seine Wahl verschwunden.

Was passiert mit Hillary Clinton?

Spannend wird es um Hillary Clinton. Im Wahlkampf drohte Trump damit, sie "einsperren" zu lassen. Es stellt sich die Frage, ob er eine Untersuchung in der Email-Causa weiter vorantreiben wird, sagt Heinisch.

Zieht Trump ins Weiße Haus?

Obama hat das Weiße Haus geöffnet, Intellektuelle und Künstler eingeladen. Donald Trump wird womöglich gar nicht erst einziehen. Eines seiner Hotels in der Hauptstadt, das Post Office, hat er erst kürzlich renovieren lassen.

Wer könnte im Team Trump mitspielen?

Was man sagen kann: Trump setzt auf Loyalität, sagt Heinisch. Somit können der republikanische Hardliner Newt Gingrich, New-Jerseys Gouverneur Chris Christie, der Ex-Bürgermeister von New York Rudy Giuliani und Floridas Gouverneur Rick Scott mit Posten rechnen. Auch Sarah Palin ist im Gespräch, als Symbol an die Tea-Party-Bewegung. Das amerikanische Politmagazin Politico will dazu schon mehr wissen. Unter Berufung auf Vertraute berichtet das Magazin, dass Palin, tatsächlich Innenministerin unter Trump werden könnte. Als Außenminister wird Gingrich gehandelt. Das Justizministerium könnte an Giuliani gehen. Wahlkampfmanagerin Kellyanne Conway, welche durch ihr sonniges Auftreten wohl viel zum Zuspruch der Frauen für Trump beigetragen hat, könnte laut Politico Pressesprecherin werden.

Was wird aus Obamas Vermächtnis?

Für Obama ist Trumps Sieg jedenfalls besonders bitter – sein gesamtes politisches Erbe steht auf dem Spiel. Trump könnte gemeinsam mit dem von den Republikanern dominierten Kongress alle seine politischen Agenden ausradieren. Im Wahlkampf hat er das auch angekündigt.

Obamas Gesundheitsreform – ein historischer Meilenstein und das Herzstück von Obamas Politik – könnte schon bald Geschichte sein. Nicht zu reden von diversen Dekreten – politischen Erlässen, die Obama am Kongress vorbei bestimmt hat, darunter eine Einwanderungsreform und eine Verschärfung der Waffengesetze – alles umsonst. Eine Präsidentin Clinton hätte Obamas Agenden fortgeführt.

Die Kluft zwischen Demokraten und Republikanern, die mit Obamas Amtszeit immer größer wurde, konnte Obama freilich nicht überbrücken – ein Versäumnis, dass er in seiner letzten Rede zur Lage der Nation auch bedauerte.

Fraglich, ob Trump das gelingt, was Obama nicht geschafft hat, sofern der neue Präsident das wirklich vorhat.

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