Männer in kurzärmeligen T-Shirts schlagen wie wild auf die Schutzschilder uniformierter Soldaten ein – manche mit Schlagstöcken, andere mit den bloßen Händen. Um sie herum steigt roter Rauch auf. Autos brennen. Geschrei.
Die Szenen, die am Montagabend aus dem Norden des Kosovo um die Welt gingen, schockieren. Aber nicht nur sie, sondern auch die Nachricht, dass bei den Zusammenstößen rund 30 Soldaten der NATO-geführten KFOR (Kosovo Force) – 19 Ungarn, elf Italiener – teils schwere Verletzungen wie Knochenbrüche und Verbrennungen erlitten. Mehr als 50 Kosovo-Serben wurden bei dem Vorfall ebenfalls verletzt.
Wie konnte es zu solch heftigen Zusammenstößen kommen?
Der mehrheitlich ethnisch-albanisch besiedelte Kosovo gilt als das „Pulverfass“ auf dem Balkan. Die einstige serbische Provinz erklärte sich 2008 für unabhängig, Belgrad erkennt das bis heute nicht an. Besonders im Norden, wo überwiegend Kosovo-Serben leben, führt das immer wieder zu Auseinandersetzungen und explosiver Stimmung. Zuletzt eskalierte der Konflikt Ende 2022, als ein Streit um serbische Nummerntafeln wochenlange Straßenblockaden auslöste.
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Am Montag ist die Lage aufgrund der Lokalwahlen im März eskaliert. Serbien rief zum Boykott auf, die Wahlbeteiligung lag bei 3,47 Prozent. So kam es, dass fast nur Kosovo-Albaner wählten – und albanische Bürgermeister nun ihre Ämter in mehrheitlich serbisch besiedelten Gemeinden antreten wollten. Genau dagegen protestierten jene Serben, die jetzt mit der KFOR zusammenkrachten.
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Mit der KFOR sorgt die NATO seit Kriegsende 1999 im Kosovo für Sicherheit, überwachte schon den Abzug jugoslawischer und serbischer Streitkräfte. Sie macht einen neuen Krieg dort quasi unmöglich: Würde Serbien in den Kosovo einmarschieren, müsste die NATO eingreifen. Aktuell besteht die KFOR aus 3.800 Einsatzkräften aus 27 Ländern – die meisten aus Italien, den USA, Ungarn und der Türkei.
Auch österreichisches Bundesheer bei KFOR
Auch das österreichische Bundesheer ist dabei, mit 273 Soldaten. Sie wurden am Montag nicht verletzt, der Truppenschutz soll aber erhöht werden. Das Außenministerium in Wien verurteilte die gewalttätigen Angriffe in einem Tweet „aufs Schärfste“. Aus Militärkreisen in Brüssel hieß es Dienstagabend, die NATO wolle ein Kontingent von etwa 700 Mann zusätzlich in die Krisenregion entsenden. Ein weiteres Bataillon der operativen Reserve werde in Bereitschaft versetzt.
Belgrad und Pristina nutzten die Geschehnisse wie gewohnt, um sich gegenseitig dafür verantwortlich zu machen. Kosovos Premier Albin Kurti sprach von „Extremisten der Regie Belgrads“. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić appellierte an die Serben im Norden des Kosovo, in keinen Konflikt mit der NATO zu treten – Kurti würde sich das am meisten wünschen.
Stockende Verhandlungen
Und all das, obwohl es doch im Jänner dieses Jahres noch so aussah, als könnte sich die Beziehung zwischen Serbien und dem Kosovo endlich normalisieren. Ein von der EU vermittelter Lösungsplan sollte es richten. Vučić deutete erstmals an, den Kosovo de facto anerkennen zu wollen – im Gegenzug zu einem autonomen Gemeindeverbund im Norden.
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Von der jahresanfänglichen Zuversicht ist vier Monate später nicht mehr viel übrig: die Verhandlungen sind weitestgehend eingefroren.
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