Spannungen um Wahlen im Nordkosovo: "Das kann nicht gut gehen"
Im Nordteil der kosovarischen Stadt Mitrovica brennen wieder Autos. Es ist der Schauplatz eines alten Konflikts, der sich immer wieder aufs Neue zuspitzt – nämlich jener zwischen den Serben im Norden des Kosovo und den Albanern im Süden. Obwohl die einstige serbische Provinz sich bereits vor über 15 Jahren für unabhängig erklärte, erkennt Belgrad – allen voran Präsident Aleksandar Vučić – den Kosovo nach wie vor nicht an.
Mächtige Staaten wie Russland unterstützen Serbien dabei, auch fünf EU-Staaten erkennen den Kosovo nicht an (Spanien, Griechenland, Zypern, die Slowakei und Rumänien). Das führt seit jeher zu Spaltung und Spannung. Mitrovica besteht aus zwei Welten – zwei Sprachen, zwei Währungen, zwei Religionen.
"Pulverfass"
Die Brücke dazwischen bewachen die KFOR–Truppen der NATO, sie sorgen seit Ende des Kosovokrieges 1999 in der Region für Stabilität. Oder versuchen es zumindest, denn der Kosovo gilt auch heute noch als das „Pulverfass“ auf Balkan.
Der Konflikt gipfelte Ende 2022, als ein Streit um serbische Nummerntafeln im Kosovo heftige und wochenlange Straßenblockaden auslöste.
Kritik von Vučić
Im neuen Jahr ist viel weitergegangen: „Wir haben einen Deal“, hieß es unlängst nach Verhandlungen zwischen Vučić und dem kosovarischen Premier Albin Kurti. Auf dem Tisch liegt ein „EU-Plan“, der die Verhältnisse normalisieren will. Serbien soll den Kosovo demnach de facto anerkennen, dafür soll es einen serbischen Gemeindeverbund im Norden geben.
Genau in jenen Gemeinden, um die es dabei geht, wird am Sonntag gewählt. Und trotz des Deals sind die Aussichten für den Urnengang keine vielversprechenden. „Ich bin nicht optimistisch“, sagt etwa die kosovo-albanische Journalistin Vjosa Çerkini zum KURIER.
Sie war am Donnerstag in Mitrovica, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. „Es muss nicht viel Öl ins Feuer gegossen werden, damit die Situation wieder eskaliert“, warnt sie – und ist mit dieser Einschätzung nicht allein, aus mehreren Gründen.
Nur ein Serbe auf Stimmzettel
Denn in den Gemeinden Nordmitrovica, Leposavić, Žubin Potok und Zvečan treten insgesamt elf Kandidaten an, um Bürgermeister zu werden. Obwohl mehrheitlich serbisch bewohnt, steht auf den Stimmzetteln jedoch nur ein einziger Serbe. Denn die belgradtreue Partei Srpska Liste (SL) boykottiert die Wahlen. Das hat sie auch im Dezember schon gemacht, weshalb die Wahlen auf diesen Sonntag verschoben wurden.
Diesmal sollen sie aber durchgeführt werden, USA und EU kündigten bereits an, das Wahlergebnis bestätigen zu wollen. Es sieht also ganz danach aus, als würden die vier nördlichen Gemeinden – trotz Belgrads großem Wunsch nach mehr Autonomie dort – Kosovo-Albaner als Stadtchefs bekommen.
Hohes Gewaltpotenzial
Journalistin Çerkini wittert hier neuen Stoff für Eskalationen. „Was machen wir, wenn ein Albaner Bürgermeister von Nord-Mitrovica wird? Das kann nicht gut gehen“, glaubt sie.
Aus Serbien kommt vor allem Kritik am Westen. Präsident Vučić meint außerdem, der Sonntag wird „ein schwerer Tag für das serbische Volk.“ Trotz EU-Deal ist also derzeit im Nordkosovo von Entspannung keine Rede. Im Gegenteil: Experten sehen ein hohes Gewaltpotenzial.
Auf beiden Seiten Vertrauen bilden
Einer von ihnen ist Vedran Džihić. Der ist Senior Researcher vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) blickt besorgt auf die Situation. Überrascht ist er aber nicht.
"Mit dem Deal wurde kurzfristig die Eskalationsspirale gestoppt, an der grundsätzlich unversöhnlichen Haltung der beiden Seiten zueinander hat sich nichts verändert", analysiert er im Interview mit dem KURIER. Für Džihić ist klar, dass der Weg zur Versöhnung wohl noch dauern wird.
"Wenn man auf beiden Seiten nicht mit aller Kraft an Kompromissen und vertrauensbildenden Maßnahmen arbeitet, wovon derzeit überhaupt nichts zu sehen ist, wird sich die Pattsituation nicht entschärfen lassen", sagt der Experte vorausblickend.
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