30 Jahre Deutsche Wiedervereinigung: Von Euphorie und Enttäuschung

30 Jahre Deutsche Wiedervereinigung: Von Euphorie und Enttäuschung
Jahrzehntelang trennte die innerdeutsche Grenze das Land und seine Menschen. Heute vor 30 Jahren wurden BRD und DDR vereint – wie steht es um die Einheit?

"Helmut, nimm uns an die Hand, zeig uns den Weg ins Wirtschaftswunderland" – Plakate kurz vor der ersten freien Volkskammerwahl im März 1990. Der westdeutsche Kanzler Helmut Kohl (CDU) stand zwar nicht zur Wahl, aber eine Allianz, die für sein Versprechen stand: Das Land zu vereinen. Monate später wurde sie am 3. Oktober 1990 offiziell vollzogen. Das geteilte Land war wieder eines.

Gesellschaft der "kleinen Leute"

Zahlen und Umfragen zeigen aber nach wie vor soziale und wirtschaftliche Unterschiede, wie in der Verteilung von Vermögen, und Eliten bzw. Spitzenämtern. Soziologe Steffen Mau von der Humboldt-Universität, aufgewachsen in der Rostocker Großwohnsiedlung Lütten Klein, ist für seine Forschung nach 30 Jahren dorthin zurückgekehrt (Lütten Klein – Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, Suhrkamp). Ein Ort, der den Osten heute noch repräsentiert, sagt er dem KURIER. "Die Bewohner haben eine turbulente Zeit hinter sich: Arbeitslosigkeit, Abwanderung, Überalterung."

Seine Bilanz: Die ostdeutsche Gesellschaft ist noch immer mehrheitlich eine "der kleinen Leute", wo "eine Kultur des Duldens und der Passivität" existiert. Das hat sich teils vor der Einheit entwickelt, ist aber auch ihre Folge. Der erhoffte soziale Aufstieg blieb aus – "viele sind erstmal in eine Existenzkrise geschlittert".

In einem Land, das keine Arbeitslosen kannte, waren in den ersten Jahren nach der Einheit Millionen ohne Job. Die Wut vieler entlud sich auf der Straße – auch mit Blick auf die Versprechen. "Was wird aus uns?" fragten Demonstranten auf einem Plakat, festgehalten von Fotograf Andreas Rost, der den letzten Sommer der DDR dokumentierte (Aktuelle Ausstellung im Kupferstich-Kabinett Dresden).

Im Osten werde es bald "blühende Landschaften" geben, kündigte Kohl 1990 im Wahlkampf an. Eine Aussage, die er später laut Spiegel zurücknahm, er kannte den maroden Zustand der DDR-Wirtschaft, wollte angeblich aber das Selbstwertgefühl der Menschen nicht beschädigen.

Kommentare