Pro
Pssssst! Kommen Sie näher. Nicht, dass der Nachrichtendienst unser Gespräch mitanhört. Doch halt, wir leben ja in Österreich, das kann er hier ja gar nicht. Denn ohne richterlichen Beschluss dürfen jene Männer und Frauen, die in der öffentlichen Wahrnehmung gerne als Austro-James-Bonds existieren, nicht einmal ein Telefonat belauschen.
Und wer telefoniert heute noch? Whatsapp, Signal, Telegram, darüber wird kommuniziert. Doch dabei nützt in diesem Land selbst ein richterlicher Beschluss nichts, denn diesen Bereich der modernen Kommunikation zu überwachen, ist offenbar eine furchtbar böse Vorstellung. Schreibt ein Terrorist nicht gerade ein Fax oder greift zum Hörer, hat er gute Chancen, in Österreich unentdeckt zu bleiben.
Die Republik verfügt maximal über taube und blinde James-Bond-Versionen und will dies auch nicht so schnell ändern.
Ja, die Freiheit des Einzelnen ist ein hohes Gut. Doch den Nachrichtendiensten die Lizenz zu geben, im Einzelfall (!) und nach Rücksprache mit einem Rechtsschutzbeauftragten, Personen, die verfassungsgefährdende Angriffe planen, zu überwachen, ist nicht der erste Schritt zur Massenüberwachung. Es ist ein Schritt heraus aus der technischen Steinzeit ins 21. Jahrhundert.
In einer Zeit, in der wir es hinnehmen, dass nach einer Google-Suche zum nächsten Urlaub von unserem Handy „rein zufällig“ Flug-Angebote vorgeschlagen werden. Aber es als Skandal empfinden, wenn Terroristen überwacht werden sollen.
Anja Kröll ist Chefreporterin der Chronik
Contra
Sollen Gefährder nach Bewilligung durch einen Richter bis auf die Unterhosen ausspioniert werden dürfen? Klares Ja. Soll die Republik über dunkle Kanäle Schadsoftware wie Bundestrojaner kaufen, um die gesamte Telekommunikation in Österreich mittels Reizworten überwachen zu können? Klares Nein.
Erstens aus historischen Gründen: Mit dem Briefgeheimnis, dass Österreichs Bürger 1848 gegen Metternich erkämpft haben, sicherten die Habsburger unseren Vorvätern wesentliche bürgerlich-politische Rechte zu, darunter Glaubens-, Religions- und Gewissensfreiheit, rechtsstaatliche Verfahren, Pressefreiheit und eben das Briefgeheimnis. Das darf heute nur mit richterlicher Erlaubnis und einem konkreten Verdacht aufgehoben werden.
Das Argument, durch so eine Massenüberwachung könnten Gewalttaten verhindert werden, könnte zweitens gleich weitergedacht werden, und in jedem Haushalt Videokameras und Mikrofone installiert werden. So könnte man viele Tote häuslicher Gewalt verhindern. Zurecht ist der Gedanke völlig abwegig.
Denn drittens sollten wir, auch beim sehr ernsten Thema Terrorabwehr, sehr genau abwägen , welche Freiheiten wir gegenüber dem Staat aufgeben wollen, um mehr Sicherheit zu bekommen. Leider verdienen unsere Nachrichtendienste derzeit wegen diverser offener Skandale (Causa BVT-Razzia, Causa Ott und Marsalek, Causa Wiener Terror-Amoklauf trotz Warnung aus der Slowakei) auch nicht das volle Vertrauen.
Bernhard Gaul ist Innenpolitik-Redakteur
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