Kein Regenbogen
Geht man nach dem Wahlergebnis, teilen Ihre Einschätzung des „Mr. ORF“ ausschließlich Sozialdemokraten im Stiftungsrat. Niemand sonst hat Alexander Wrabetz am letzten Dienstag gewählt. Macht dieses Ergebnis nicht nachdenklich?
Der Kern dessen ist tatsächlich das Überlaufen der Grünen. Es hat eine Koalition der Vernunft über Partei- und Landesgrenzen hinweg unmöglich gemacht. Man wird sehen, wie zukunftsträchtig diese Entscheidung war, was ich bezweifle, die weiteren Vorgänge, die da noch kommen, stehen jetzt unter Beobachtung, das ist auch klar.
Es haben aber nicht nur die Grünen nicht für Wrabetz gestimmt, sondern auch die Neos nicht, die FPÖ nicht, sämtliche Unabhängigen nicht. Man kann sagen: Bei Alex verging der Regenbogen.
Dieser Wahlverlauf hängt sehr stark mit dem Drohpotenzial der 20 Stimmen der türkis-grünen Koalition im Stiftungsrat zusammen. Er konterkariert die starke Arbeit von Wrabetz völlig, das in Zahlen gegossen ja vorliegt – Bestwerte bei Quoten, hervorragende wirtschaftliche Daten etc.. Wir müssen an der Stelle nicht darüber diskutieren, dass Wrabetz seinen Job konnte – diesen Beweis muss hingegen sein Nachfolger erst noch antreten, wobei ich auch sage, dass Ergebnisse demokratischer Prozesse zu akzeptieren sind. Offenbar wollten die Türkisen eine Machtdemonstration im ORF, und die Grünen haben mitgemacht. Diese Macht braucht Kontrolle, die werden wir im Interesse des Unternehmens ORF und seiner Konsumenten auch ausüben.
Zweite Garnitur
Wie soll das stattfinden?
Wir werden für maximale Transparenz bei der Bestellung der Direktoren am 16. September sorgen, darüber, ob es nun koalitionsintern Absprachen gegeben hat, wie die einen Grünen sagen, oder keine, wie die anderen Grünen meinen. Wir werden ganz genau hinschauen und hinterfragen, ob die Qualifikation von Bewerberinnen und Bewerbern den Ausschreibungskriterien, aber auch den Anforderungen einer positiven ORF-Zukunft genügen. Beispielsweise geht es im Programm um einige nachhaltige Weichenstellungen auch in Hinblick auf den Player. Es geht zudem um die Frage: Wie geht es mit Sport, Kultur, Religion, Wissenschaft im ORF weiter? Was an potenziellen Direktoren-Namen kolportiert wird, kann nicht des Weißmanns letzter Schluss sein. Da ist ein Blick über den Tellerrand dringend notwendig. Ich werde deshalb mit Vertretern der Zivilgesellschaft – Autoren, Künstlern, Sportlern, Wissenschaftlern – intensive Gespräche führen und auch deren Vorbehalte öffentlich machen, bevor falsche Entscheidungen getroffen werden.
Unrühmliche Direktoren-Betellungen hat die ORF-Vergangenheit bereits einige zu bieten, auch die jüngere.
Selbst wenn es irgendwann einmal Fehler gegeben haben sollte, muss man sie nicht wiederholen. Das kann sich der ORF nicht leisten. Wir stehen vor wirklich großen Herausforderungen – technologisch, personell, wirtschaftlich – dafür braucht es eine Einser-Mannschaft und keine zweite Garnitur auf dem Platz. Es ist jetzt die Zeit der besten Köpfe. Umso unverständlicher ist es mir, wenn Mediensprecher von Parteien offenbar nun meinen, der Stiftungsrat wäre nur ein Vollzugsorgan für Absprachen in der Koalition.
Alleinstellungsmerkmale pflegen
Allzu viel Gestaltungsspielraum gibt es ohnehin nicht. Viele Landesdirektoren sitzen fest im Sattel – Frauenquote hin oder her. Ein Austausch wäre nicht zu argumentieren. Bleibt nur die zentrale Direktion.
Der kommende, neue Generaldirektor hat in einer zugegeben ambitionierten Rede dargelegt, dass er den Weg hin zu einer 50:50-Quote jetzt beginnen will. Das geht über die Direktoren-Posten hinaus und betrifft auch Ebenen darunter. Bei allen Nachbesetzungen – etwa auch seiner eigenen Position beim Player und als Chefproducer – wird es ein Mehr an qualifizierten Frauen geben müssen, will er nicht schon jetzt wortbrüchig werden. Man wird nicht für politisches Kleingeld alles auf die Goldwaage legen, aber das Ziel ist klar und der Weg muss gegangenen werden. Das wird wie vieles nicht einfach werden. Und ich warne nachdrücklich vor politischen Deals beim Spitzenpersonal des ORF.
Und Ihre Erwartung auf der inhaltlichen Ebene?
Internationale Stimmen, wie jüngst Gerhard Zeiler im KURIER, haben es ja klar formuliert: Der ORF muss seine Alleinstellungsmerkmale pflegen – die unabhängige Information, Kultur und Wissenschaft, Events und die Länderstudios. Und das bei knappen Mitteln. Deshalb wird etwa auch der Sport Chefsache sein müssen – Sky, Servus usw. haben einen ausgeprägten Appetit auf diese Senderechte. Glücklicherweise konnten nochmals wichtige Wintersport-Rechte gesichert werden. Als nicht ausgegoren sehe ich die Ansagen des künftigen Generaldirektors für die Bundesländer-Studios.
Offener Geldhahn
Welche betrifft das konkret?
Weißmann hat klar formuliert, er wolle eine „Verländerung des ORF“, was ein klares Abwenden von urbanen Lebenswelten bedeutet. Begründet wurde das damit, dass zwei Drittel der Jungen nicht in Städten wohne – ich erlaube mir zu hinterfragen, ob der Musik-Geschmack 18-Jähriger 50 Kilometer von Wien entfernt wirklich so anders ist, dass man sich von der Stadt abwenden muss. Und was fürs Radio gilt, gilt erst recht fürs Fernsehen – und in der Folge für den Player.
Wo sehen Sie das Problem?
Das kann ökonomisch für den ORF schon einmal in Bezug auf die Werbung zur Belastung werden. Dazu will Weißmann noch frisches Geld – etwa aus einer Gebührenanpassung – für ein bis zwei Hauptabend-Sendungen je Bundesland in den nächsten fünf Jahren investieren sowie die gesamten Personalkosten von Social Media dort übernehmen. Da geht’s um Millionen. Bei aller Unterstützung für regionalen Content - da wurde der Geldhahn schon geöffnet, noch bevor ein Konzept durchgerechnet wurde. Ich sehe dahinter auch ganz klar ein politisches Kalkül der Türkisen. Dafür wurden nicht die vielen Opfer der ORF-Belegschaft gebracht, etwa mit dem Abbau von über 300 Mitarbeitern. Eine Ära des offenen Geldhahnes darf nicht stattfinden.
Danke für das Gespräch.
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