Auch der Amtsinhaber Alexander Wrabetz setzte alles daran, sich allen politischen Rahmenbedingungen zum Trotz zum vierten Mal an die Spitze des Unternehmens zu bugsieren: Da war etwa die Rede davon, seine Gegenkandidaten kämen aus der dritten Reihe, und außerdem sei Weißmann den bürgerlichen Stiftungsräten vom Kanzlermann Gerald Fleischmann diktiert worden. Noch am Tag der Neubestellung kursierte unter Journalisten ein Screenshot einer Videokonferenz, der das belegen sollte. Am Ende waren es sechs Stimmen aus dem roten Lager, die es für den Noch-ORF-General gab.
Der 61-jährige Langzeit-Chef reagierte emotional und betonte nach der Wahl, er sei vom Stiftungsrat „abgesetzt“ worden. Er will aber trotzdem die Ausschreibung und Besetzung von zentralen Funktionen im neuen, zur Besiedlung anstehenden ORF-Newsroom durchziehen. Unter anderem brachte Wrabetz „ZiB2“-Anchor Armin Wolf als Digitalchef ins Spiel.
Weißmann übte sich hingegen in Konstruktivität und betonte, er habe mit Wrabetz in den vergangenen zehn Jahren immer gut kooperiert. „Ich glaube, dass wir das in den nächsten Wochen sehr gut abarbeiten werden. Es wird dazu keine öffentliche Diskussion geben. Der Generaldirektor hat gesagt, er wird mich in wesentliche Diskussionspunkte mit einbeziehen.“ Und: „Mir ist es immer ums Haus gegangen, genauso wie dem Generaldirektor.“
Stiftungsratsvorsitzender und FPÖ-Vertreter Norbert Steger warnte Wrabetz vor juristischen Konsequenzen für den Fall von Alleingängen. Es sei, ähnlich wie bei der ersten Wahl von Wrabetz, eine entsprechende Protokollanmerkung im Stiftungsrat beschlossen worden. Und Steger ließ mit folgendem Satz aufhorchen: „Ich bin seit Jahrzehnten mit der Familie Wrabetz befreundet gewesen. Seine Mutter war bei mir Wahlkampfleiterin. Ich hab das mit ihm alles in Ruhe besprochen.“
Während Wrabetz also von Absetzung sprach, freute sich Weißmann nach der Wahl über eine „breite Mehrheit über die Parteigrenzen hinweg“. Den Ruck, den es da brauchte, brachte die Zustimmung der nur drei grünen Stiftungsräte, die am Montag signalisiert hatten, den türkisen Wunschkandidaten mitzutragen – was querbeet heftige Reaktionen von Intellektuellen über SPÖ bis FPÖ nach sich zog, obwohl auch noch Steger und vier unabhängige Stiftungsräte Weißmann die Mehrheit brachten.
„Wir sind am Ende dem Wohl des ORF verpflichtet. Ich stehe dazu, dass die Entscheidung, die meine Kolleginnen und ich getroffen haben, im Interesse des ORF ist, nach 15 Jahren Neues auszuprobieren“, erklärte der Grüne Lothar Lockl. „Der Lackmus-Test ist die Stärkung der Unabhängigkeit des ORF. Die Glaubwürdigkeit und Seriosität auch seiner Information ist das Um und Auf, sein Markenkern. Weißmann hat heute glaubhaft versichert, dass ihm ein starkes Team an der Spitze, im Direktorium, ein großes Anliegen ist.“ Überdies sieht Lockl grobe Versäumnisse bei der Digitalisierung.
Stichwort Direktorium: Die Grünen werden zwei von vier zentralen Direktoren bestimmen können. Als Kandidaten gelten Ö3-Chef Gerald Spatt (Programm) und ORFIII-Geschäftsführerin Eva Schindlauer (Finanzen). Lockl: „Ich halte es für eine Unkultur, dass Persönlichkeiten, kaum werden sie für Funktionen genannt, politisch punziert werden.“
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