Bewerbungskonzepte für den ORF-Chef: Gleichklang und Misstöne

Bewerbungskonzepte für den ORF-Chef: Gleichklang und Misstöne
Die Favoriten sind alle für Finanzierung durch Gebühren und Werbung, aber Unterschiede bei der Struktur

Es gehört zu den Absurditäten in Sachen ORF: Er ist als Stiftung Eigentum der Allgemeinheit, die darf aber nicht wissen, was potenzielle Geschäftsführer in den Konzepten für die Zukunft des ORF gedacht haben. Zugänglich sind sie nur den Stiftungsräten, Ausdrucke werden sogar mit Wasserzeichen versehen. Oft durchkreuzen Bewerber – die Favoriten kommen auch diesmal aus dem ORF – die nicht zeitgemäße Geheimniskrämerei, selten aber so offen wie ORF1-Channel-Managerin Lisa Totzauer, die das Konzept auf ihre Homepage stellte.

- Titel

Sie nennt das 106-Seiten-Konvolut „Offen. Relevant. Fortschrittlich.“ Chef-Producer Roland Weißmann will „Lust auf Zukunft“ machen. Amtsinhaber Alexander Wrabetz zeigt „Leadership. Die digitale Transformation managen.“ – wobei ein Gutteil aus der vom Stiftungsrat einstimmig beschlossenen „Strategie 2025“ besteht. Bei Online-Chef Thomas Prantner heißt’s staatstragend „ORF neu: Für Österreich und seine Menschen“.

- Gebühren

Das eint alle Favoriten bei dieser Wahl, sogar Prantner, dem stets Nähe zu den Blauen nachgesagt wurde. Er aber gibt ein „Klares Bekenntnis zur dualen Finanzierung des ORF durch Gebühren (Programmentgelte) und Werbung.“ Zudem will er die GIS-Streaming-Lücke schließen. Das können alle anderen so unterschreiben, wie auch, dass Werbebeschränkungen überprüft werden sollen. Gespart werden soll auch, aber nicht durch „generelle lineare Einsparungsvorgaben“, wie etwa Weißmann festhält.

- Struktur

Wrabetz will die Direktionen aus Programm, Radio (künftig Audio), Finanzen, Technik/Digital quasi beibehalten. Die Info bleibt so Sache des Generaldirektors. Das gilt auch für Weißmann, der die Aufstellung in der Folge aber evaluieren will. „Die Zeit für starre, unveränderte Strukturen ist vorbei.“

Bei Prantner und Totzauer gibt es keine Radio-Direktion mehr. Prantner plant etwa eine Programmdirektion für TV, Radio und Online, eine für Finanzen, Personal und Business Development und eine für Technik, Digitalisierung und neue Medien. Totzauer führt wieder eine Informationsdirektion und den Generalsekretär. Überraschend: Jedenfalls beim ersten Blick ins Konzept findet sich kein Radio Symphonie Orchester.

- Programm

Österreich-Inhalte vermehren und die Landesstudios stärken, das wollen alle – es geht da um immerhin neun von 35 Stiftungsräte.

- Digitalisierung

Die Digitalisierung vorantreiben, neue Angebote schaffen (z. B. ORF-Player) und so die zum Teil schon verlorene junge Zielgruppe an den ORF heranholen, ist allen Bewerbern gemein und wird auf vielen Seiten erläutert. Von internem Zoff wird berichtet, weil Weißmann kritisiert, dass Entscheidungen zu wichtigen Zukunftsthemen noch nicht gefallen sind – eine Spitze, die auf Wrabetz zielte. Der wiederum verbat sich die Führung der stv. Direktoren-Titel durch Prantner und Weißmann. Es seien „politische Ehrentitel".

- Interner Wandel

Den Generationswechsel im ORF wollen alle Bewerber für Verjüngung, für mehr Frauenpower und zum Schließen von Lücken bei Mitarbeitern (z. B. Daten, Technologien) nutzen.

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