Grün-Stiftungsrat Lockl: "System- und Kultur-Wechsel dringend notwendig"

SITZUNG ORF-STIFTUNGSRAT: LOCKL
Fordert "ein Team mit positiven Veränderungswillen" ein. Kritik von SPÖ und Neos an ORF-Wahl

Morgen, Dienstag, kommt es im sechsten Stock des Objekt1 im ORF-Zentrum Küniglberg zum Showdown. Die 35-köpfige Stiftungrat stimmt, nach dem Hearing, über die neue Alleingeschäftsführung ab 1. Jänner ab. Diese Wahl einen klaren Favoriten: ORF-Chefproducer Roland Weißmann. Er wird von der ÖVP-nahen und unabhängigen Stiftungsräten forciert. Das allein reicht schon für die notwendige absolute Mehrheit. Das wäre gleichbedeutend mit der Abwahl von Alexander Wrabetz, der seit 15 Jahren den Öffentlich-Rechtlichen führt.

Der ORF-Logik folgend könnte es eine breite Zustimmung für Weißmann geben - keiner will später den Geschäftsführer nicht gewählt haben. Denn wer nicht dabei ist, hat in der Folge auch nichts mitzureden. 

Seit Montagfrüh wird spekuliert, dass auch die grünnahen und weitere Stiftungsräte Weißmann unterstützen könnten - was entsprechend "Gestaltungsspielraum", sprich, Vorschlagsrecht für Direktoren, bringen würde.  

Leute vom Fach

Lothar Lockl, der für die Grünen spricht, betont in einem kurzen Telefonat: "Mir ist der unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunk wichtig." Dieser stehe vor enormen Herausforderungen bedingt durch technologischen Wandel und Konkurrenzsituation: "In den kommenden fünf Jahren braucht es deshalb ein ORF-Direktorium, das aus fachlich höchst kompetenten, parteifernen Personen besteht, die bewiesen haben, dass sie erfolgreich einen Sender oder ein Medium führen können. Es braucht ein Team mit positiven Veränderungswillen, dass die notwendigen wie die Digitalisierung und den Generationswechsel im Haus entschlossen in Angriff nimmt. Dieser System- und Kultur-Wechsel ist dringend notwendig, will der ORF künftig noch eine Rolle spielen – und das soll er.“

Die KURIER-Nachfrage, ob das bedeutet, dass auch die Grünen für Weißmann stimmen werden, beantwortet Lockl ausweichend: „Die Wahl ist am Dienstag.“

Kritik

Für SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried bestätigen sich die Befürchtungen, „dass Kurz versucht, den ORF unter seine Kontrolle zu bekommen. Medien- oder demokratiepolitische Fragen und Pressefreiheit interessieren ihn nicht." Es werde deshalb in den nächsten Jahren darum gehen, für die Unabhängigkeit des ORF aufzustehen und zu kämpfen. „Von dieser Unabhängigkeit hängt ab, ob der ORF auch in Zukunft das journalistische Leitmedium in Österreich sein kann und vom Publikum als solches anerkannt wird“, erklärte Leichtfried am Montag in einer Aussendung. Enttäuscht zeigte sich Leichtfried von den Grünen: „Es geht um das wichtigste Medienunternehmen des Landes, es geht um Pressefreiheit und Demokratie. Das müsste den Grünen wichtiger sein als irgendwelche koalitionsinternen Brosamen, die Kurz versprochen hat, damit die Grün-nahen Stiftungsräte ‚richtig‘ abstimmen.“

Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter hat am Montag  „echte strukturelle Reformen im ORF" verlangt. Die Bestellung der Leitung müsse auf neue, transparente und unpolitische Beine gestellt werden. „Egal, wer es wird, die neue Führungsperson wird eine Fülle an Herausforderungen schultern müssen", kritisierte Brandstötter. Gefordert wird eine Gremienreform, weg von den Freundeskreisen einzelner politischer Parteien, hin zu einer echten Hauptversammlung. „Damit nicht mehr nur zählt, wen man kennt, sondern was man kann.“

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