Intendant Wegscheider: „ServusTV ist als langfristiges Projekt angelegt“
Mit Premium-Sport spielt ServusTV in Österreich in der ersten Quoten-Liga. Für Diskussionen sorgte man in Sachen Corona. Und, obwohl Privatsender, investiert man in die fiktionale Produktion. Ein Gespräch mit Sender-Chef Ferdinand Wegscheider. (Langfassung)
KURIER: Die Marktanteile von ServusTV steigen stetig weiter. Das war auch zuletzt im August so. Das liegt wohl vor allem an den Premium-Sport-Rechten wie Formel1 und Co?
Ferdinand Wegscheider: Das sind nicht einfach nur die Sportrechte. Wir haben eine ideale Mischung im Programm gefunden. Wir sehen natürlich, dass die großen Sportrechte Treiber für die Quoten sind. Aber auch an den Tagen und Wochenenden ohne große Sportereignisse entwickelt sich der Sender nach oben. Das liegt an unseren fiktionalen Eigenproduktionen, an den Vorabend-Formaten wie „Servus am Abend“, den Nachrichten und Quizsendungen.
Wenn Eigenproduktionen gut funktionieren, wäre es nicht naheliegend, auch in der Daytime entsprechend zu investieren?
Das ist eine der Überlegungen für die nächsten Programmschritte.
Also ähnlich den ORF2-Magazinen?
So ähnlich und doch anders. Wir sehen ja, dass die bisher gesetzten Schritte funktionieren. Damit meine ich die „Quizjagd“ um 17 Uhr, die Programmierung von „Bares für Rares“, auch wenn dieser Dauerbrenner zugekauft ist, „Servus am Abend“. Da macht es absolut Sinn, die Lücke, die am Nachmittag noch besteht, zu schließen.
Wichtige Sportrechte, etwa die Formel1, sind im Auslaufen und demnach in Verhandlung. Welches Ziel haben sie sich gesetzt?
Wir haben ja seit vielen Jahren den Running Gag bei solchen Fragen zu antworten: An attraktiven Sportrechten ist Servus TV immer interessiert. Das klingt lustig, hat aber schon einen Hintergrund. Das heißt, natürlich sind wir interessiert und wäre es wünschenswert, diese Sportrechte, die jetzt so gut funktionieren, zu verlängern. Aber natürlich sind Sportrechte kein reines Wunschkonzert. Da müssen schon auch die Relationen passen, was die Preisentwicklung für die Lizenzen betrifft. Und da es kein Wunschkonzert ist, können und werden wir zwar mitbieten, was aber nicht heißt, dass wir all die Rechte auch wieder bekommen.
Geglückter Paarlauf
Gleich bei mehreren Sportrechten – Fußball-WM, EM, EM-Quali, Formel1 – wird der Paarlauf von ServusTV mit dem ORF praktiziert. Ist das ein Weg, den ihr weitergehen wollt und hat sich das bewährt?
Ja, das hat sich bewährt. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie nach vielen Jahren der Nichtkooperation in diesem kleinen Land Zusammenarbeit doch beispielgebend funktionieren kann. Nehmen wir die Formel1. Wir bekommen von Motorsportfans das Feedback, dass sie es zunächst positiv finden, dass der Sport an sich wieder spannender geworden ist. Aber auch die Abwechslung in der Berichterstattung wird, im Sinne einer Competition, durchaus positiv bewertet. Es ist so gesehen eine Win-Win-Situation für die Fans und für die beiden Sender.
Tut der Österreich-Grand-Prix immer sehr weh, wenn die Competition so direkt in Zahlen ablesbar ist?
Nein, denn am Ende sind die Formel und das Event-Spektakel am Red Bull Ring die großen Reichweitengewinner. Und wenn man die Daten vom Vorjahr mit heuer vergleicht, dann ist bei Servus TV eine deutliche Steigerung zu registrieren – 200.000 Zuseher haben sich aktiv für ServusTV entschieden. Das ist noch viel besser ausgefallen in der inoffiziellen digitalen Quoten-Messung. Also auch hier kann man sagen, die Richtung stimmt. Unbestritten ist, dass der Formel1-Fan jahrzehntelang nur eine Möglichkeit hatte. Insofern sind die ORF-Zahlen auch nicht überraschend. Wir sind aber mit der Entwicklung tatsächlich zufrieden.
Auch beim Wintersport ist ServusTV eingestiegen. Das ist bisher eine ORF-Domäne gewesen.
Das ist eine ORF-Domäne und wie bekannt hat der ORF noch langlaufende Verträge geschlossen. Das ist im Wintersport durchaus mutig. Wir haben die Highlight-Rechte erworben und planen einen Wintersport-Kanal im Digital-Bereich. Für ServusTV On ist das sicherlich ein absoluter Bringer.
ServusTV On ist gerade für Sportfans mit den vielen Live-Streams eine wahre Fundgrube. Aber was fehlt noch?
Man kann natürlich immer noch fragen, ob nicht noch mehr geht. Die Entwicklung von ServusTV On ist schlicht sensationell. Wir hatten heuer – bis inkl. 31. August – 35 Millionen Video-Views, das entspricht einem Plus von 36 % gegenüber dem Vorjahr. Das geht schon.
Das ServusTV-Programm – ganz vorne auch hier der Sport – ist wertig und teuer produziert. Ist das in Österreich jemals aus Werbung zu refinanzieren? Und was bedürfte es - außer die ORF-Gebühren für Servus TV?
Das ist eine gute Idee (lacht). Also kurz- bis mittelfristig ist das, nur auf Österreich bezogen, nicht zu erwirtschaften. Aus der Perspektive gesamter DACH-Raum ist es sehr wohl möglich, das zu refinanzieren und das ist unser Ziel. Alles andere wäre, wenn man auf unseren Rechterwerb mit z.B. der Fußball-EM 2028 schaut, auch nicht sinnvoll. Wir leben ja nicht lustig in den Tag hinein. ServusTV ist als langfristiges Projekt angelegt.
Ziel Deutschland
Sie erwähnten den DACH-Raum als Zielgebiet. In Deutschland kooperieren sie jetzt mit der „Welt“, also Springer-Konzern. Was ist konkret geplant?
Wir machen Schritt für Schritt. Ab 2023 setzen wir bei ServusTV Deutschland den Vorabend entsprechend auf, ähnlich wie wir das ab 2015 in Österreich getan haben. Das heißt, es kommen Eigenproduktionen, um eine stärkere Bindung der Zuseher an den Sender zu erreichen. Wir haben dazu Gespräche mit Welt TV geführt, die waren extrem positiv und konstruktiv. Innerhalb sehr kurzer Zeit haben wir gesehen, dass das vom Qualitätsanspruch und dem ganzen Drumherum sehr gut passt. Das sind Magazine, die News und es betrifft die Zeit von 18.00 bis 20.15 Uhr.
Wie schaut hier das Innenverhältnis aus?
Die redaktionelle Verantwortung liegt bei ServusTV. Es werden Kollegen, die bereits seit zwei Jahren die ServusTV Deutschland-Nachrichten gemacht haben, das in Berlin produzieren. Das wird ausgebaut, auch was das Moderatoren-Team betrifft.
Ausblick Fiction
„Letzte Bootsfahrt“ (3. Ausseer Krimi, am 15. 10.); „Das Netz“ (Internationales TV-Projekt über die dunklen Seite des Fußballs in drei Serien: „Prometheus“
(Regie: Andreas und Daniel Prochaska), „Spiel am Abgrund“ und „Powerplay“. Mit u. a. Tobias Moretti, Birgit Minichmayr, Tim Wlaschiha (ab 1. 11.); „Der Gejagte (Fortsetzung von „Im Netz der Camorra“ mit u. a. Tobias Moretti, Harald Windisch, im Dez.), „Riesending“ (Höhlendrama als Zweiteiler mit Verena Altenberger, im Dez.)
Ausblick Sport
Start Wintersportkanal auf ServusTV On mit ÖSV-Highlight-Rechten; 25 Spiele der Fußball-WM in Katar. Sowie: Champions und Europa League, Formel 1, MotoGP, Tennis Erste Bank Open
Ausblick Doku
Im großen Angebot sticht das Jubiläum „10 Jahre Bergwelten“ heraus. Dazu wird es bald einen eigenen Pressetermin geben.
Wird „Talk im Hangar 7“-Moderator Michael Fleischhacker bei ServusTV Deutschland auch eine Rolle spielen?
Im Vorabend nicht. Primär produzieren wir hier deutsches Programm für Deutschland. Wo immer es Inhalte gibt, die für den jeweils anderen Markt interessant sind, wird man das natürlich nutzen.
Die ersten Reaktionen auf die Zusammenarbeit von ServusTV mit der Welt waren ja nicht nur überschwänglich, sondern es gab gleich Wortmeldungen nach dem Prinzip, auch das hat eine klare Schlagseite wieder, also typisch ServusTV.
Wenn, dann gibt es solche Reaktionen in der linken Twitter-Blase in Wien oder vielleicht auch noch in Berlin. Ich hatte diesbezüglich gerade erst wieder ein lustiges Erlebnis. Ich war eingeladen zu einem Journalistenkongress in Bregenz …
… beim „Schwurblerkongress der besonderen Art“ …
… richtig, so haben die Vorarlberger Nachrichten getitelt, obwohl meines Wissens keiner dort war. Die hatten zur selben Zeit - ebenfalls im Festspielhaus - eine andere Veranstaltung. Ich habe es gut und mutig gefunden, dass ORF-Innenpolitik-Chef Hans Bürger sich da dem Publikum, das durchaus kritisch war, gestellt hat. Es ging um die Unabhängigkeit des Journalismus und er hatte es als Vertreter des Öffentlich-Rechtlichen nicht einfach. Wirklich bemerkenswert fand ich aber, dass er am nächsten Tag dafür verbale Ohrfeigen von der durchwegs linken Twitter-Blase kassiert hat. Wie kann ein Hans Bürger sich nur mit einem Tichy, Schmid oder Wegscheider auf ein Podium setzen, so der seltsame Zugang. Und um auf die Frage zurückzukommen: Dass Servus TV insbesondere bei den linken Kollegen extrem beliebt ist und jede unserer Aktivitäten mit Freude aufgenommen wird und bei einer Kooperation mit der Welt dann „Um Gottes willen“ gerufen wird, überrascht nicht.
Fuchs-TV
Ganz grundsätzlich: Jüngst wurde wieder ServusTV in einem Tweet, diesmal von Armin Wolf, mit dem US-Sender Fox-TV verglichen. Soll ServusTV quasi „FuchsTV“ sein und werden? Stört sie das oder freut sie so ein Vergleich vielleicht sogar?
Weder noch. Es ist sehr hilfreich und aufschlussreich dabei zu schauen, wer so was sagt. Zuletzt in Bregenz, aber auch bei den Dreharbeiten im Salzkammergut oder hier in Salzburg - also wie Politiker auch immer sagen, wenn man rausgeht zu den Leuten, dann bekommt man ein völlig anderes Bild von der Realität. Deswegen spreche ich ganz bewusst und ein bisschen provokant von einer linken Twitter-Blase, weil das eine eigene künstliche Welt ist. ich habe tatsächlich den Eindruck, dass die Kollegen, die in dieser Blase ihre Weisheiten zum Besten geben, nicht mehr mitbekommen, wie die Welt draußen ist. Die ist nämlich 180 Grad anders, die Menschen beschäftigt ganz anderes.
Es läuft vor der KommAustria das Verfahren gegen ServusTV nach einer „Anregung zur amtswegigen Prüfung“ durch den Presseclub Concordia. Fürchten Sie das Ergebnis?
Nein, warum auch? Also, soviel kenn ich mich in der Juristerei nach meinem Studium und meiner Zeit als Gerichtsreporter aus, das darf man mir glauben. Aber die bisherige Argumentation verstehe ich juristisch null. Dass man hergeht, vier inkriminierte Sendungen abtippen lässt und drunter schreibt: Nach unserer derzeitigen Rechtsmeinung verstößt dieser Kommentar gegen den Paragraph 42 AMD-G - darin geht es ums Objektivitätsgebot für Nachrichten. Das als Rechtsmeinung für einen Kommentar anwenden zu wollen, erschließt sich mir fachlich und juristisch nicht. Insofern meine ich, wenn es vor der KommAustria juristisch und sachlich sauber läuft, ist nichts zu befürchten.
In der Beschwerde werden aber Zitate aus „Der Wegscheider“ ganz konkret angeführt und damit steht u. a. der Vorwurf im Raum, da würden Verschwörungstheorien verbreitet. Provokant gefragt: Wenn Sie diese Dinge sagen, ist das der Wegscheider, ist das ihre Meinung? Oder ist es sozusagen Zielgruppen-Ansprache, weil sie meinen, das denken die Leute draußen? Oder will Servus TV damit ein gewisses Publikum bedienen, das man von anderen Medien vernachlässigt sieht und das deshalb zu haben ist?
Lassen Sie es mich an einem Beispiel erklären: Ich habe leider heute nicht mehr so viel Zeit zu musizieren, aber wir hatten in jungen Jahren eine Band. Einmal im Gespräch mit einem älteren Musiker habe ich gemeint, dass der Abend hervorragend gelaufen ist und dass das Publikum so mitgegangen ist. Und er hat gesagt, wenn du Musik für dich machst, es dir Spaß macht und es fließt, dann wirst sehen, dann ist der Applaus des Publikums am größten. Und so halte ich es bis heute im Journalismus und vor allem im Kommentar. Beim Kommentar sage ich, was ich mir denke. Das ist die Funktion des Kommentars, auch wenn es Leute gibt, die das nicht mehr verstehen wollen. Deshalb trennen wir ihn ja ganz bewusst von anderen Teilen des Programms und kennzeichnen ihn. Daneben gibt es die ServusTV-Nachrichten, die sind zur Objektivität verpflichtet. Ein Kommentar kann nicht der Objektivität verpflichtet sein, dort sage ich, was ich meine - aber ohne mich anbiedern zu wollen, weil dann funktioniert das nicht. Das ist wie bei der Musik. Das zeigt dann auch das Feedback, weil die Leute das spüren, ob sich wer verbiegen muss oder nicht.
Klimawandel
Weil sie zuvor meinten, dass der ORF mutig ist, sich den Wintersport so lange zu sichern – sagten sie das, weil der Winter immer kürzer wird? Also Klimawandel ist für Sie schon was, was es gibt?
Klimawandel gibt es, seit es die Welt gibt. Ich glaube aber nicht, dass in drei Jahren keine Skirennen mehr möglich sein werden. Ich meinte damit, Wintersport lässt sich viel schwerer kalkulieren als eine Fußball-WM. Wenn man dann als TV-Sender gerade keinen Hero hat wie es Marcel Hirscher und Hermann Maier waren und noch sind, ist das Interesse daran gleich viel geringer.
Das heißt auch, sie würden den Klimawandel nicht in Abrede stellen?
Nein. Aber da ist es ähnlich wie bei Corona. Wenn man eine abweichende Meinung von der Regierungslinie hat und das kritisch hinterfragt, dann wird man taxfrei zum Corona-Leugner erklärt. – Dabei ist es, so sehe ich das, der Grundjob jedes Journalisten, alles zu hinterfragen. Natürlich bestreite ich den Klimawandel nicht. Aber wenn man hinterfragt, inwieweit er auch wirklich menschengemacht ist und inwieweit Maßnahmen wie Elektroautos oder anderes sinnvoll sind, dann gilt man als Klimawandelleugner, weil man nicht 100 % auf Linie ist. Das finde ich schon interessant.
Alexander Wrabetz, mittlerweile Ex-ORF-Generaldirektor, hat in der letzten Ausgabe von „Talk im Hangar“ vor der Sommerpause, leise Selbstkritik geäußert über die ORF-Berichterstattung zu Corona …
… so leise war die gar nicht …
… kommt ihnen Selbstkritik über die Lippen für das, was bei ServusTV so alles in Sachen Corona auf Sendung durfte?
Auf die Schnelle nicht. Allein was die Diskussionen im „Talk im Hangar 7“ über diese Themen betroffen hat, hat das um ein Vielfaches mehr an Meinungspluralität geboten als im ORF. Wenn man über zweieinhalb Jahre immer nur sogenannte Experten einer Seite einlädt, dann verstehe ich, dass man sich dafür auch kritisieren lassen muss. Insofern fand ich gut und bemerkenswert, was Wrabetz über den ORF zu seiner Zeit sagte. Aber dafür, dass wir beide Seiten zu Wort kommen lassen, würde ich mich oder den Sender nicht kritisieren.
Themenwechsel zur Medienpolitik: Sie sagten, ServusTV On liegt auf Wachstumskurs. Sie sprachen bereits die 35 Millionen Video-Views in den Monaten bis Ende August an. Ist es ihr Ziel, hier den ORF einzuholen bzw. zu überholen?
Wenn die Entwicklung so weitergeht, warum nicht?
Teil dessen ist auch, was die Medienpolitik in dem Zusammenhang macht, entscheidet, zulässt beim ORF.
Ah, Medienpolitik.
Chancengleichheit
Ich weiß, das Stichwort war „machen“. Es könnte ja sein, dass es tatsächlich zu medienpolitischen Weichenstellungen kommt. Was würden sie sich von der Medienpolitik jetzt erwarten?
Eigentlich das, was ich mir seit mehr als 30 Jahre erwarte, dass sie sich endlich etwas dafür tut, um in Österreich in einen dualen Fernsehmarkt/Medienmarkt zu ermöglichen. Den gibt es immer noch nicht zu 100 %.
Was fehlt zur Chancengleichheit am Markt?
Ich habe schon in den 1990er-Jahren, als wir mit SalzburgTV begonnen haben, kritisiert, dass der ORF alles machen darf, nämlich Gebühren einsammeln, aber auch Werbeeinnahmen lukrieren und das fast ohne Beschränkungen. Das ist etwa in Deutschland ganz anders, da ist ab 20 Uhr Schluss mit Werbung im Öffentlich-Rechtlichen. Damals hieß es immer, das müsse so sein, weil Österreich ein kleines Land ist und das anders nicht zu finanzieren ist. Das kann man, muss man aber nicht glauben. Aber wenn man das glaubt, dann ist es noch unverständlicher, dass der ORF statt zwei TV-Kanäle wie damals, mittlerweile vier TV-Sender bespielt. Und dazu noch drei bundesweite Radios und neun Regionalradios. Ärgerlich daran ist, dass er diese Kanäle nutzt, in unserem Fall ORFIII, um die Konkurrenz-Sendungen zu kopieren und sie mit seiner Marktmacht dann dagegen zu setzen.
Was ist der konkrete Vorwurf?
ORFIII kopiert erfolgreiche Formate zum Beispiel aus unserer Heimatschiene oder etwa die Bergwelten. Mittlerweile setzt man dort, so ein Zufall, ausgerechnet um 19.20 Uhr, nochmals eine Nachrichtensendung hin, wenn bei ServusTV die News sind.
Die ersten, die Nachrichten um 19.20 Uhr hatten, war und ist ATV.
Ja, aber das ist freier Wettbewerb, weder ATV noch ServusTV werden durch Gebühren finanziert, das ist der Unterschied.
Und vor „Bergwelten“ gab es im ORF lange „Land der Berge“.
Auch das stimmt. Ich bin ja selbst sieben Jahre im ORF-Landesstudio Salzburg gewesen. Bei „Bei Land der Berge“ war das so, wie bei fast der kompletten Volkskultur- und Heimat Schiene im ORF, dass die g‘scheiten Herren in Wien gesagt haben, das braucht man nicht mehr. Das wurde durch die Bank zunächst ausgehungert und dann eingestellt. Und siehe da, weil diese Geschichten und Sendungen jetzt bei uns funktionieren, kommen sie auch immer wieder im ORF. Aber dafür sind Gebühren meiner Meinung nach nicht da. Und das geht ja weiter, wenn ich an das zweite Quiz im Vorabend von ORF1 denke. Als kleiner aufstrebender Privatsender könnte man sich ja geehrt fühlen, aber wirtschaftlich ist das nicht in Ordnung.
Haushaltsabgabe diskutieren
Können sie etwas mit der Idee anfangen, bei Einführung einer Haushaltsabgabe einen Teil dessen zur Förderung der Privatsender zu verwenden?
Das ist eine Überlegung, die kann man diskutieren. Das Modell der Haushaltsabgabe ist eines, da kann sich halt keiner mehr wehren. Das gibt’s ja schon in anderen europäischen Ländern. Wirtschaftlich kann ich diesen Gedanken ja durchaus nachvollziehen. Aber die GIS ist vielen ein Dorn im Auge, die sagen, der ORF ist nicht mehr mein Programm, warum soll ich dafür zahlen. Da ist dann eine Haushaltsabgabe schon ein seltsamer Ansatz.
Was sollte man also tun? Ganz Abschaffen? Der Verfassungsgerichtshof verlangt eine Änderung und gleichzeitig eine „ausreichende Finanzierung“ des ORF.
Fürs Abschaffen war ich nie. Ich glaube, je besser das Angebot, desto eher hält man die Leute bei der Stange. Das hat man in der Schweiz gesehen. Dort hat man für die Gebühren gestimmt. Auch nicht alle, aber wenn das Angebot den Leuten passt, dann sind sie in weiten Teilen bereit, das mitzufinanzieren. Nicht nur hier ist die Schweiz ein gutes Vorbild. Die sind in der gelebten Demokratie und in der Einstellung dazu offensichtlich wirklich viel weiter…
… ein paar Hundert Jahre …
… das spürt man auch in den Diskussionen und sieht es bei den Entscheidungen. Auch im Fall der Rundfunkgebühren. Wenn man richtig argumentiert, dann ziehen die Leute mit.
Jetzt will der ORF mehr Möglichkeiten vom Gesetzgeber im Digitalbereich bekommen: etwa Fall der 7-Tage-Frist in der TVthek, Stichwort Player, Online-Only-Inhalte etc. Soll man dem ORF ermöglichen, seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag, so wie er ihn auslegt, auch im Online-Zeitalter zeitgemäß zu erfüllen?
Da muss man den ORF in seiner Gesamtheit betrachten. Ich sehe ja ServusTV auch längst nicht mehr ausschließlich als Fernsehsender. Wir sind mit ServusTV On auf dem Weg zu einem multimedialen Unternehmen. Der ORF ist um ein Vielfaches größer. Deshalb greif ich das gern auf: Der ORF hätte gern, hätte gern, hätte gern … Das höre ich seit 30 Jahren. Aus Sicht des Molochs verstehe ich das ja. Aus Sicht des Gesetzgebers ist aber anderes wichtiger: Es braucht einen fairen Interessensausgleich, einen fairen dualen Medienmarkt in Österreich. Das funktioniert aber nicht, wenn man dem früheren Monopolisten noch mehr gibt und dann auch noch Gebühren erhöht in Zeiten wie diesen und damit den Markt verstopft.
Wünsche an Medienpolitik-Fee
Konkret, wenn da jetzt die Medienpolitik-Fee zur Tür hereinkommen würde und sagt: Wegscheider, sie haben drei Wünsche frei. Was wären die?
Fairness am dualen Markt, sodass alle Player annähernd dieselben Chancen haben. Das ist derzeit nicht gegeben im Fernsehmarkt. Aus meiner Sicht ist der ORF zudem definitiv zu groß dimensioniert, der ORF gehört abgeschlankt.
Welche ORF-Kanäle würden sie einstellen, privatisieren?
Welcher Kanal wie heißt, ist Sache des ORF. Und auch wenn es in jüngster Zeit bereits kleine Kurskorrekturen gegeben hat, dafür, dass man von der Früh bis in die Nacht nur amerikanische Trash-Serien spielt, braucht man keinen öffentlich-rechtlichen Hauptkanal ORF1. Wenn man dann meint, man verlagert Kultur, Volkskultur etc. von ORFIII dorthin, dann ist das deren Sache. Aber klar ist, der ORF braucht keine vier TV-Kanäle und erst recht nicht dafür, dass Sportrechte, die parallel stattfinden, parallel auf drei Sendern ausgestrahlt werden können. Das ist ein Wettbewerbsvorteil, den kein Privater haben kann.
Auf wie viele Kanäle würden sie den ORF redimensionieren?
Auf zwei TV-Kanäle, das war nicht von ungefähr ursprünglich so dimensioniert.
Nennen Sie noch einen Wunsch.
Mehr Kooperationsmöglichkeiten bzw. Kooperationswille beim ORF. Das schaut zum Teil ja gar nicht mehr so schlecht aus. Aber ServusTV, das großen Wert auf Public Value-Inhalte und Qualitätsfernsehen legt, sieht sich immer wieder damit konfrontiert, dass teilweise Archiv-Wünsche nicht erfüllt werden. Uns geht es da nicht um den Ansatz, den zum Teil auch der private Mitbewerb hat – wir wollen nichts geschenkt, aber es muss zu marktüblichen Preisen möglich sein, ORF-Material zu bekommen.
Woran denken Sie da?
Wenn man beispielsweise eine zeitgeschichtliche Reihe plant, braucht es Zugriff auf Material und das zu fairen Preisen und in angemessener Zeit. Das haben ja die Gebührenzahler in Österreich über Jahrzehnte mit ihren Gebühren mitfinanziert. Das ist also ein Archiv der Österreicherinnen und Österreicher. Also meine ich, dass es nur recht und billig ist, dass man auf dieses Archiv zugreifen und zukaufen kann. Wobei ich schon meine, da sind wir möglicherweise schon in einer guten Richtung unterwegs, da waren die Fronten schon mal verhärteter.
ORF-Kooperationen
Hat sich durch den Wechsel in der ORF-Geschäftsführung im Umgang miteinander etwas substanziell verändert?
Substanziell noch nicht, also, da gibt es noch keine Punkte, die fix abgehakt sind. Klimatisch ist es so, dass die Möglichkeiten der Zusammenarbeit schon unter Alexander Wrabetz größer geworden sind. Wir haben den Eindruck, dass dieser Kurs von Roland Weißmann fortgeführt wird im Sinne einer wachsenden Bereitschaft zur Kooperation. Wie schon bei den Sportrechten gesagt, ich glaube, dass das für alle Player am Markt und für die Bevölkerung eine Win-Win-Situation darstellt und den Medienstandort weiterbringt. Vor wenigen Jahren war bei einer Pressekonferenz der Privatsender noch der Hauptvorwurf, dass der Öffentlich-Rechtliche alle großen Sportrechte hat. Das hat sich in eine durchaus erfreuliche Richtung entwickelt – nicht, dass ein Privater alle Rechte hat, sondern dass ein sehr großer Teil der attraktiven Sportereignisse im frei empfangbaren Fernsehen ausgestrahlt werden. Damit unterscheidet sich Österreich sehr deutlich von Deutschland. Dort kann man sich fast keinen internationalen Fußball mehr ohne Bezahlschranke ansehen, die Formel 1 ist praktisch weg und einiges mehr. Das ist ein wichtiger Punkt für die Zuseher, nicht dass sie das bei ServusTV oder im ORF und bei Puls4 sehen können, sondern überhaupt die Möglichkeit dazu haben.
Sie stehen im Kontakt mit dem Eigentümer des Senders, Dietrich Mateschitz, ist der mit der Entwicklung von ServusTV zufrieden?
Ja.
Wir haben zuvor von ServusTV als Langfrist-Projekt gesprochen, es wird bereits um Sportrechte verhandelt, die ins nächste Jahrzehnt reichen. Verantwortliche Unternehmenspolitik schließt Zukunftssicherung mit ein. Gibt es ein Commitment zum Sender aus dem Eigentümer-Kreis auch in der nächsten Generation?
Mein Selbstverständnis als Senderchef ist, dass der Eigentümer die Ansagen macht und nicht ich. Ich habe hier einen tollen Job und ein sensationell motiviertes Team. Es gibt hier einen besonderen Spirit, um den uns viele beneiden. Mich darum zu kümmern, das ist meine Aufgabe bei ServusTV.
Zum Abschluss eine technische Frage: Wenn wir über Quoten reden und seien sie auch noch so gut, ist auch die Art der Quotenmessung ein Punkt. Das war immer ein Kritikpunkt von ihnen. Es gibt hier einen neuen Ansatz mit TV-Insight, der von Red Bull entwickelt wurde und auf TV-Geräten mit Web-Verbindung (HbbTV) basiert. Es läuft ein Probetrieb mit allen wichtigen Sendern. Wird das die neue gemeinsame Währung der TV-Quotenmessung?
Ich sehe eine reelle Chance dafür und das nicht nur, weil ich grundsätzlich immer Optimist bin. Es sprechen einfach viele sachliche Argumente dafür. Das bisherige Teletest-System beruht auf 1300 Haushalten in ganz Österreich, die dann hochgerechnet werden. Außer bei den beiden Hauptkanälen des großen Platzhirschen haben alle, die einstellige Marktanteile haben, Probleme in der tägliche Auswertung. Gleichzeitig sind 1,1 Millionen Smart-TV-Geräte bereits im Markt, die rückmelden, weil sie am Internet hängen. Rein sachlich ist es deshalb naheliegend, das neue digitale Messsystem zumindest miteinzubauen in den Teletest. Die Gespräche sind weit gediehen. Eine fixe Vereinbarung gibt es noch nicht. Das mag auch daran liegen, dass die Ergebnisse manchmal eklatant auseinanderklaffen. Da braucht es mitunter schon einen guten Magen, wenn man die offiziellen Ergebnisse mit jenen von TV-insight vergleicht. Aber es gibt dringenden Handlungsbedarf auch in Hinblick auf die Werbekunden. Das ist allen bewusst, weil es auch die tatsächliche Nutzung von Bewegtbild-Inhalten der Sender viel besser darstellt.
Danke für das Gespräch.
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