Game of Küniglberg: ORF-Wahl in der Zielgeraden
Man kann wirklich nicht sagen, ORF-Aushängeschild Armin Wolf sei irgendwie missverständlich: „Alle fünf Jahre ist es wirklich frustrierend, für den ORF zu arbeiten. Es gibt wirklich spannende Medienleute in Ö. und D. - aber keine·r von ihnen bewirbt sich für die ORF-Generaldirektion, weil allen klar ist, dass der Job politisch ausgedealt wird. Es ist zum Weinen“, twitterte der ZiB 2-Moderator am Mittwoch zum Ablauf der Bewerbungsfrist für den ORF-Top-Job.
Am 10. August entscheidet der 35-köpfige Stiftungsrat, in dem derzeit Türkis eine relative Mehrheit hat, über die neue Geschäftsführung des Öffentlich-Rechtlichen für die nächsten fünf Jahre, Mitte September folgen auf deren Vorschlag hin die (Landes-)Direktoren.
Glamourfaktor
Soweit vor Mitternacht absehbar war, haben sich sechs Personen um die Führungsfunktion beim Milliarden-Unternehmen ORF beworben. Am ehesten mit Stimmen rechnen können Amtsinhaber Alexander Wrabetz, der vielerorts favorisierte TV-Chefproducer Roland Weißmann sowie als Außenseiter ORF 1-Channel-Managerin Lisa Totzauer und Online-Chef Thomas Prantner, der erst am Mittwoch in den Ring der Bewerber stieg – alle aus dem ORF bekannt, was den Glamourfaktor doch einigermaßen schmälert.
Der Titelverteidiger: Alexander Wrabetz
Der frühere Vorsitzende Sozialistischer Studenten (Jg. 1960) wurde 2007 überraschend ORF-Generaldirektor. Er braucht nun die Neuauflage der Regenbogenkoalition
Der Herausforderer: Roland Weißmann
Der Linzer (Jg. 1968) startete im ORF NÖ, kreierte die Streaming-Plattform ORF-Player und gilt als Favorit der ÖVP. Er weist wie alle Kandidaten jede Zuordnung zurück
Die Außenseiterin: Lisa Totzauer
Die Literaturwissenschaftlerin (Jg. 1970) begann im ORF NÖ und ist Channel-Chefin ORF1. Auch sie kommt aus dem bürgerlichen Lager und bewarb sich überraschend
Der Taktierer: Thomas Prantner
Der Wiener (JG. 1964) hat als Online-Direktor die TVthek umgesetzt. Er gilt als bürgerlich mit Nähe zur FPÖ, soll sich strategisch mit Blick auf eine Direktion beworben haben
Die Unbekannten
Julius Kratky (Jg. 1967), seit 35 Jahren Journalist und Mitglied der „ORF-Partei“, hat laut etat.at die 600 Seiten-Bewerbung „Transformation – Kooperation – Partizipation“ abgegeben. Beworben hat sich auch der Publizist, Pädagoge und Kunsthistoriker Karlpeter Elis (Jg. 1945)
Dass in der Nachnominierungsfrist (bis 3. August) noch ein namhafter Manager überraschend auftaucht, gilt als unwahrscheinlich.
Vorteil Kanzler
Und das liegt am ORF-Gesetz, das unter der von Wolfgang Schüssel geführten ÖVP-FPÖ-Regierung 2001 beschlossen wurde – und später, etwa unter Werner Faymann (SPÖ), auch nicht novelliert wurde. Aus „gutem“ Grund: Es bevorzugt stets die Kanzler-Partei bei der Beschickung des obersten ORF-Aufsichtsgremiums.
Garantiert ist damit allerdings nichts. Als kaufmännischer Direktor übertrumpfte der rote Wrabetz 2006 seine schwarze Chefin Monika Lindner mit einer „Regenbogenkoalition“ aus SPÖ-, BZÖ-, FPÖ-, Grünen und unabhängigen Stiftungsräten – Postenschacher inklusive.
Papierform
Diese Wahl wirkt – der aktuellen Papierform zum Trotz – bis heute nach. Dem zumindest als ORF-Langzeitchef legendär gewordenen Wrabetz trauen manche immer noch eine überraschende Mehrheit zu, auch dank schmerzbefreiter Personalpolitik. Der Poker läuft. Entsprechend sind politische Äußerungen zum ORF dieser Tage zu lesen.
FPÖ-Obmann Herbert Kickl wollte etwa am Mittwoch per Aussendung von den Grünen wissen, ob es bereits einen „ausgepackelten Deal“ innerhalb der türkis-grünen Koalition gebe, wonach sämtliche den Grünen nahe stehenden Stiftungsräte ihre Stimme ORF-Vizefinanzdirektor Roland Weißmann geben werden. Dieser gilt als Wunschkandidat der ÖVP und könnte jedenfalls auch bei Unabhängigen punkten. „Und was sind im Gegenzug die türkisen ORF-Versprechen und Posten für die Grünen?“, fragte Kickl.
Frage des Fokus
„Herr Kickl sagt ununterbrochen, die Politik solle sich nicht einmischen, nur um es dann doch zu tun“, konterte Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, in der APA. In dieser Angelegenheit müsse man die Stiftungsräte fragen. Sie fokussiere sich dagegen auf eine „möglichst baldige Novellierung des ORF-Gesetzes“.
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verwiesen bei einer Pressekonferenz im Rahmen des Sommerministerrats auf die Entscheidungshoheit des Stiftungsrates.
Die Realität sieht anders aus. Über die Erfolgsaussichten der Bewerber, abseits der Qualifikation, entscheidet das Umfeld des Kanzlers. Fürs Sondieren davor ist sein Medienbeauftragter Gerald Fleischmann verantwortlich.
Farbenlehre
Auch wenn an sich im Stiftungsrat seriöse Arbeit geleistet wird, gilt bei der ORF-Wahl die reine politische Farbenlehre. Da wird verquickt, was nicht zusammengehört – über Parteigrenzen hinweg. Ein Unwohlsein in der Koalition kann ebenso Folgen für den ORF haben, wie ein schneller Flirt einer Oppositionspartei mit der Macht. Dem will sich, soweit hat es sich herumgesprochen, kein externer Manager von Rang aussetzen. Bleiben also jene, die das Spiel gewohnt bzw. gewillt sind, es auszuhalten.
Hier greift dann die ORF-Logik: Wer von den Bewerbern vermitteln kann, dass er eine absolute Mehrheit an Stimmen hat, bekommt diese und mehr. Denn keiner will den neuen ORF-Chef später nicht gewählt haben. Das machte schon manch zuvor knappes Ergebnis plötzlich groß und bunt. Türkis hat aktuell eine relative Mehrheit von 16 Stiftungsräten; bei manch Unabhängigem schimmert’s auch durch. Die Absolute von 18 Räten scheint ohne koalitionäre Mithilfe möglich, zumal offen und nicht geheim abgestimmt wird. Auch das hatte die ÖVP-FPÖ-Koalition damals geändert.
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