Kampf um ORF-Chefsessel: Einer hat die Nase vorne

ORF-Zentrum
Neben Wrabetz und Totzauer wird auch Bewerbung von Chefproducer Weißmann erwartet. Breite Mehrheit angestrebt.

Rund ein Monat vor der Wahl des neuen ORF-Generaldirektors zeichnet sich ein unternehmensinterner Dreikampf um den Chefsessel am Küniglberg ab. Die besten Karten dürfte dabei Vize-Finanzdirektor und TV-Chefproducer Roland Weißmann haben. Am Dienstag warf ORF 1-Channelmanagerin Lisa Totzauer ihren Hut in den Ring, der amtierende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz kündigte bereits im Mai an, sich für eine vierte Amtszeit zu bewerben.

Von Weißmann gibt es zwar noch keine Bewerbungsansage, diese wird aber noch bis Ende Juli erwartet. Der Fernseh-Chefproducer gilt als Wunschkandidat der Bundeskanzlerpartei. Laut APA-Informationen hat sich der türkise "Freundeskreis" im ORF-Stiftungsrat diese Woche bereits auf die Unterstützung einer Weißmann-Kandidatur verständigt, ein für kommende Woche ursprünglich angesetztes Meeting der ÖVP-nahen Stiftungsräte wurde deshalb inzwischen wieder abgesagt.

Positionen

Dem türkisen "Freundeskreis" kommt bei der Wahl des ORF-Generals eine zentrale Rolle zu, sind doch 16 der insgesamt 35 Stiftungsräte direkt der ÖVP zuzurechnen. Mit zwei bis drei weiteren türkisnahen unabhängigen Stiftungsräten kommen sie auf eine Mehrheit im obersten ORF-Gremium. Diese Mehrheit soll nun die Basis für eine breitere Unterstützung von Weißmann sein, um die im Hintergrund gerungen wird.

Sollte es mit Weißmanns Bewerbung wider Erwarten doch nichts werden, könnte der amtierende von der SPÖ unterstützte ORF-Chef Wrabetz doch noch für eine vierte Amtszeit ins Spiel kommen. Diese mit 1. Jänner 2022 beginnende Amtsperiode wäre für ihn aber eventuell verkürzt. Kolportierte Variante für diesen Fall: Wrabetz wird zunächst bestellt, Weißmann als Finanzdirektor und starker zweiter Mann neben ihm in Position gebracht, nach zwei Jahren und einer entsprechenden ORF-Reform inklusive Änderung der Managementstruktur könnte Weißmann dann die ORF-Spitze erklimmen.

Lisa Totzauer, die in ihrem Bewerbungsvideo auf ihre langjährige ORF-Erfahrung verwies und sich als unabhängige bürgerliche Kandidatin positioniert, werden Außenseiterchancen attestiert. Unterstützung soll sie aus Teilen des grünen "Freundeskreises" haben. Die einzelnen "Freundeskreisleiter" im Stiftungsrat hielten sich zur Kandidatur Totzauers aber weitgehend bedeckt.

Konzepte

"Ich werde nicht den Eingang jeder Bewerbung kommentieren. Ich werde mir dann die Konzepte genau anschauen", sagte Thomas Zach, Leiter des ÖVP-"Freundeskreises" zur APA.

Lothar Lockl, der für die Grün-nahen Stiftungsräte spricht, meinte im Gespräch mit der APA, dass es "grundsätzlich positiv" sei, wenn sich Persönlichkeiten für diese wichtige Position bewerben. Er bat jedoch um Verständnis, dass er keine vorzeitige Beurteilung abgebe, solange er die Vorstellungen und Konzepte der einzelnen Kandidaten und Kandidatinnen nicht kenne.

Offene Fragen

SPÖ-"Freundeskreisleiter" Heinz Lederer bekundete "Respekt" für die Entscheidung Totzauers, sich zu bewerben. "Ich wollte stets, dass sich möglichst viele Personen innerhalb der Bewerbungsfrist melden. Der ORF und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verdienen sich die beste Auswahl und eine breite Entscheidungspalette", sagte er zur APA. Totzauer sei eine "ernstzunehmende Kandidatin". Lederer kündigte an, dass jeder Kandidat und jede Kandidatin vom SPÖ-"Freundeskreis" zehn Fragen zugestellt bekomme, die zwei Schwerpunkte aufweisen: die Zukunft des ORF-Programms sowie des wirtschaftlichen Fundaments in einer von hartem Wettbewerb gekennzeichneten Zeit. Von Interesse sei etwa, ob das ORF-Publikum weiterhin die ganze programmliche Bandbreite erhält oder Abstriche gemacht werden sollen und wie die Bewerber zur Zukunft des linearen Fernsehens stehen. Zudem werde es Fragen zu ORF-Gebühren, Streaming und digitalen Werbemöglichkeiten geben.

Kommentare