Roland Weißmann tritt an: "Der ORF wird sich verändern müssen"

Roland Weißmann tritt an: "Der ORF wird sich verändern müssen"
Der stellvertretende ORF-Finanzchef und Chefproducer verkündete in einem Pressegespräch seine Kandidatur für die ORF-Generaldirektion.

Roland Weißmann geht ins Rennen um den Top-Job im ORF. „Ich werde mich für die Position des ORF-Generaldirektors bewerben“, kündigte der 53-Jährige in einem Pressegespräch am Donnerstag im Wiener 25hours Hotel an. „Der ORF wird sich verändern müssen, wenn er in zehn Jahren noch die gleiche Relevanz haben will wie heute. Ich bin überzeugt davon, dass ich einen entscheidenden Beitrag zur Bewahrung der ORF-Werte, aber auch dieser notwendigen Veränderung leisten kann, die jetzt gestartet werden muss.“

"Digitaler, jünger, diverser"

Der ORF müsse „künftig digitaler, jünger und diverser werden. Erhalten bleiben muss aber die Unabhängigkeit und die Objektivität in der Berichterstattung, speziell in der Information“, sagte Weißmann. Um diese Ziele zu erreichen, brauche es „einen Wandel in der Unternehmenskultur“, die nur machbar sei, „wenn wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehmen und uns mit einer neuen Denkweise für die Transformation rüsten.“ Bei jeder Veränderung stehe das Publikum zu 100 Prozent im Mittelpunkt.

Der gebürtige Linzer ist seit 2017 stellvertretender ORF-Finanzchef – eigentlich wollte Alexander Wrabetz ihn zum kaufmännischen Direktor machen, was an SPÖ und Grünen scheiterte. Als Chefproducer (seit 2012) ist Weißmann für das Gesamtbudget des TV-Bereichs im Ausmaß von etwa 400 Millionen Euro jährlich verantwortlich. Er ist zudem seit 2020 Geschäftsführer von ORF Online und leitet die Weiterentwicklung des ORF-"Zukunftsprojekts", die Streamingplattform ORF-Player.

Als Journalist begonnen

Begonnen hat Weißmann allerdings als Journalist, worauf er nun als großen Vorteil im Pressegespräch verwies. „Ich war und bin im Lauf meines Berufslebens in beiden Welten zu Hause.“ Er gilt bei dieser ORF-Chef-Wahl als Favorit der ÖVP-nahen und einiger unabhängiger Stiftungsräte. In diesem Zusammenhang unterstrich er: „Ich hatte, habe und werde auch nie ein Parteibuch haben. Ich fühle mich zu 100 Prozent dem ORF, den hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vor allem unserem Publikum verpflichtet.“ Politische Interventionen hätten bei ihm keinen Sinn, weil er ihnen nicht nachgebe. Er will zudem von keinem Wahlkampf sprechen, sondern sieht einen „Wettbewerb der besten Ideen“ gegeben. Tagesgeschäft und gute Zusammenarbeit - etwa mit dem amtierenden Generaldirektor - laufen weiter, so Weißmann.

Roland Weißmann tritt an: "Der ORF wird sich verändern müssen"

Weißmanns Befund über den ORF, wo er 1995 im aktuellen Dienst des Landesstudio Niederösterreich startete: Der Öffentlich-Rechtliche sei im Grunde immer noch so strukturiert wie in den 1990ern unter Gerhard Zeiler. Die Herausforderung sei nun die digitale Transformation, zumal drei Millionen Menschen in Österreich unter 30 Jahre alt seien, die es zu erreichen gelte. Dafür brauche es „eine digitale Novelle des ORF-Gesetzes“, stellte Weißmann auch gleich eine Forderung an die Medienpolitik.

Reden will er auch mit den anderen österreichischen Medien. Denn „Online first wird eine für den ORF neue, zentrale Regel.“ Eine erste Aufgabe sei zudem „eine schlüssige Social-Media-Strategie.“ Er betonte aber, dass die linearen Kanäle (TV, Radio) auf Jahre hinaus noch relevant sein werden.

Regionalisierung

Großes Potenzial für den ORF sieht Weißmann noch in den Bundesländern und bei den Landesstudios. Regionaler Content sei „in Zeiten der Globalisierung die perfekte Antithese“ -  auch bei den Jungen, von denen nur ein Drittel in der Stadt lebe. Um diese Zielgruppe zu erreichen „braucht es mehr Diversität und mehr Verantwortung für Frauen und die jüngere Generation“ im ORF. Veränderung gestalten und nicht nur passieren lassen, so die Devise. Ein konkreter Plan Weißmanns für die Landesstudios: Von jedem soll einmal jährlich eine Sendung national ausgestrahlt werden und das mit einem garantierten Budget für die nächsten fünf Jahre.

Sich selbst bezeichnete Weißmann als „absoluten Teamspieler.“ Er möchte den Mitarbeitern ein möglichst gutes Umfeld schaffen, „damit sie dem Publikum den bestmöglichen Content anbieten können.“ Dafür solle jeder freie Euro ins Programm gehen, gleichzeitig solle der ORF nicht mehr ausgeben, als zur Verfügung steht.

Team fast fertig

Weißmann kündigte für den Fall, dass er am 10. August gewählt wird, auch an: „Ich bin mit der Zusammenstellung meines künftigen Führungsteams so gut wie fertig. Ein Team der besten Köpfe“ bestehend aus internen und externen Expertinnen und Experten. Die Direktoren und Landesdirektoren werden am 16. September gewählt. Dass die Landeshauptleute ein Anhörungsrecht haben, sieht Weißmann entstpannt. „In einem Land wie Österreich ist es wichtig, sich mit allen Stakeholdern auszutauschen." Ein Überlegung wert ist ihm auch die Wiedereinführung eines Generalsekretärs, der in der Vergangenheit als politisches Schutzschild und ebensolche Verbindung galt. „Es lohnt, darüber nachzudenken." Man müsse dabei pro und contra abwägen.

Am Ende des Pressegesprächs hatte Weißmann zudem erklärt, dass es sich um eine Pressekonferenz handle, für die er sich Urlaub genommen habe und die er selbst bezahle.

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