Alexander Wrabetz: "Man wird von mir hören"
Generaldirektor Alexander Wrabetz (61) trägt wegen seines Aus im ORF nach fast 25 Jahren nicht Trauer. "Es tut jedem hier gut zu wissen, dass das nicht eine Funktion ist, die man für immer inne hat", meint er im KURIER-Interview.
KURIER: Ein großer Verlierer dieses – im wahrsten Sinn des Wortes – Wahlkampfes im Vorfeld der Neu-Bestellung des ORF-Chefs steht fest: Es ist der ORF als Institution. Für die einen ist er schlicht von gestern, für die anderen ist er politisch ferngesteuert. Intern wiederum herrscht sehr viel Verunsicherung – das kann dem im Amt befindlichen Generaldirektor doch nicht egal sein?
Alexander Wrabetz: Das ist mir nicht egal, ganz und gar nicht. Ich werde die nächsten vier Monate alles dafür tun, das Schiff auf Kurs zu halten und die notwendigen Schritte setzen, um mit Roland Weißmann eine gute Übergabe vorzubereiten. Das gilt auch für das noch zu bestellende neue Führungsteam. Diese Phase der internen Verunsicherung soll möglichst kurz gehalten werden.
An der Spitze des ORF steht ab 1. Jänner 2022 mit Roland Weißmann jemand, der in Ihren Wort „ein lieber netter Kollege“ ist, der anders als Thomas Schmid bei der ÖBAG die Ausschreibungskriterien nicht erfüllt, unter Ihnen aber einen Teil der Karriere mit einem von Ihnen „politisch gemeinten Titel“ bestritten hat und, so nebenbei, die Gesamtprokura bekommen hat. Bleiben Sie bei Ihrer Einschätzung aus dem Wahlkampf – und was sagt das über Ihre Art der Unternehmensführung aus?
Also, ich habe immer gesagt, dass wir stets sehr gut zusammengearbeitet haben und er einen wichtigen Bereich gut geleitet hat. Was ihn besonders auszeichnet auch gegenüber manch anderen, die diesmal oder auch früher gegen mich kandidiert haben, ist, dass er charakterlich wirklich eine sehr starke und positive Persönlichkeit ist. Dazu kommt, dass er von denen, die meine Gegenkandidaten und -Kandidatin waren, der bei weitem Qualifizierteste ist – das habe ich auch nie in Frage gestellt. Deshalb werden wir jetzt auch gut zusammenarbeiten.
Zieht Ihrer Meinung nach weiterhin, wie Sie es formuliert haben, Fleischmann (Medienbeauftragter des. Bundeskanzlers, Anm.) im ORF an oberster Stelle ein?
Ich meine, dass zu den politischen Hinter- und Neben-Gründen alles gesagt, geschrieben, kommentiert worden ist. Das brauche ich jetzt nicht mehr weiter tun. Alles weitere wird die Zukunft weisen.
Welchen Schluss ziehen Sie aus dem Abstimmungsergebnis?
Weißmann hatte recht, wenn er wiederholt betont hat, dass es sich um einen Bestellungsvorgang des Stiftungsrates gehandelt hat und nicht um eine Wahl und einen Wahlkampf. Dass der Regierung nahe stehende Personen dort eine klare Mehrheit haben, ist zur Kenntnis zu nehmen.
Sie sind in den vergangenen Wochen nicht nur kampfeslustig aufgetreten, sondern mitunter schon aggressiv. Was das ein Fehler?
Wenn man Dinge beim Namen nennt, ist das nicht aggressiv. Ich muss auch sagen, dass nach diesem Votum der neue Generaldirektor eine starke Stellung hat, um zu zeigen, dass das, was ihm zugeschrieben oder aus dem Umfeld kolportiert worden ist, nicht der Fall ist.
Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger ließ bei der Pressekonferenz nach der Sitzung aufhorchen, als er meinte, er habe mit Ihnen vorab und in Ruhe alles, was da kommt, besprochen?
Aus Respekt vor seinem sehr hohen Alter und auch wegen des Umstandes, dass er in einigen Monaten sein Amt niederlegen wird, kommentiere ich seine Aussagen nicht.
Ihre Enttäuschung muss groß sein.
Warum?
Naja, nach fast 25 Jahren im ORF – tragen Sie Trauer?
Keiner trägt Trauer. Es tut jedem hier gut zu wissen, dass das nicht eine Funktion ist, die man für immer inne hat, sondern sie wie jede andere im ORF zeitlich beschränkt ist. Dass ich, sozusagen „Against all Odds“, gedacht habe, ich könnte auch diesmal eine Mehrheit zustande bekommen, ist offenkundig. Wobei man rückblickend sagen muss, die Weichen für dieses Ergebnis wurden schon recht frühzeitig gestellt bzw. hätte ich das vielleicht früher zur Kenntnis nehmen sollen - ich habe mich um diese Funktion nochmals bemüht, es ist nicht gelungen. Jetzt geht es darum, in den nächsten Monaten dafür zu arbeiten, dass der ORF auch unter der neuen Führung in eine gute Zukunft geht – und ich werde mir überlegen, wie meine Zukunft aussieht.
Bleiben wir noch kurz bei der Zeitgeschichte – wann war für Sie klar, dass es sich nicht ausgehen wird?
Dass es selbst für mich, der ich normalerweise gut darin bin, Mehrheiten zu finden, sehr, sehr schwer wird, war eigentlich am Wochenende vor der entscheidenden Stiftungsratssitzung offensichtlich. Und dann sind Entscheidungen gefallen, die dann alles klargemacht haben.
Welcher Art waren die Entscheidungen?
Personen, die dem türkisen Lager nahe stehen, haben gesagt, dass sie tatsächlich türkis wählen werden.
Und das Vorgehen der Grünen?
An dem zuvor genannten Punkt habe ich offen kommuniziert, dass es mir nicht möglich sein wird, eine Mehrheit im Stiftungsrat zu erreichen und man mit der vorhandenen gehen kann und keinen Konflikt in der Regierung heraufbeschwören braucht, wenn damit sichergestellt ist, dass eine gewisse Pluralität weiterhin im ORF vorhanden ist.
Haben Sie sich verkalkuliert? Sie haben, so behaupte ich, stets geschickt angedeutet, man könnte was bekommen – oft waren es nur Versprechen, manchmal auch Handfestes, wenn ich an einen Vizekanzler Strache beim Workout in einer EU-Sendung denke, an Grüne als Nicht-Parlamentspartei bei Nationalratswahl-Diskussionen, über Kanzler Kurz als Dauergast im Hauptabend…
Wie man nun sehen konnte, sind diese Interpretationen stark übertrieben. Das ist alles nichts, was Einfluss hat, wenn es um sehr wichtige Dinge geht.
Welche Überschrift bekommt der ORF in Ihren Memoiren, wird vielleicht jede Wahl ein eigenes Kapitel? Wie wäre es mit einer Anlehnung an Simmel „Und Alex ging zum Regenbogen“ oder der Totenhosen-Zeilen „Hier kommt Alex mit seiner Horrorshow“?
(lacht) Nein, der ORF ist ein wahnsinnig prägender Abschnitt in meinem Leben gewesen, den ich enorm positiv erlebt und gern gemacht habe. Daran wird sich nichts ändern, auch wenn es manchmal schwierige Umstände gegeben hat.
Im Sinne des ORF, seines Programmes und der Gebührenzahler sollte jetzt ja weitergearbeitet werden, was ich mir nicht einfach vorstelle. Die Mühen der Tiefebene erreichen in diesen Stunden Ihren Konkurrenten Roland Weißmann mit der Team-Findung. Gab es schon Kontakt zwischen Ihnen – telefonisch, persönlich?
Wir hatten bereits letzte Wochen ein zweistündiges Treffen, bei dem wir den Fahrplan und die wichtigsten Punkte besprochen haben. Das werden wir als regelmäßiges Jour fix fortführen. Außerdem ist er qua seiner jetzigen Funktion ohnehin in die wesentlichen Dinge involviert, wenn es etwa ums Budget fürs nächste Jahr geht, um Programmschwerpunkte usw. Dazu kommen nun beispielsweise Gespräche in Hinblick auf eine ORF-Gesetzesnovelle etwa mit den Verlegern. Also, ich bin zuversichtlich, dass es gut funktionieren wird.
Im Stiftungsrat ist nach der Wahl offenbar eine Streit über die Formalitäten der Übergabe der Geschäfte ausgebrochen.
Ich verstehe nicht, wie es dazu gekommen ist. Ich habe, wie wahrscheinlich bekannt, beim Hearing im Stiftungsrat keine große Wahlrede mehr gehalten. Stattdessen habe ich den Stiftungsräten erklärt, wie wir jetzt die Übergabe bzw. die Vorbereitung der neuen Geschäftsführung machen werden, was ich bis Ende Dezember noch zu tun gedenke und was ich vom Stiftungsrat erwarte. Da war aus meiner Sicht kein Grund für Aufregung gegeben. Die Dinge liegen ohnehin auf der Hand.
Nämlich?
Wir müssen sicherstellen, dass das Bauprojekt wie geplant fertiggestellt werden kann. Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen für den Newsroom und dafür, wie der im Detail organisiert sein soll. Da gibt es im Grunde auch keine Widersprüche in den Konzepten - Weißmann hat, was die Struktur betrifft, im Wesentlichen die gleichen Überlegungen. Nun braucht es die Organisationsanweisung, die Gespräche mit dem Betriebsrat und jene mit den Redakteuren. Und dann wird es Ausschreibungen geben. Das ist ein transparentes Verfahren, das wie vorgegeben durchzuführen ist. Da wir uns auch einig sind, dass wir im Wesentlichen ohne journalistisches Personal von außen auskommen wollen, weil ich sicher bin, dass wir die besten Journalisten für Radio, für Fernsehen und auch für Digital haben, kann ich mir auch hier keine großen Divergenzen vorstellen.
Der Vertrag von Pius Strobl, der den Bau verantwortet, wurde nun verlängert? Auch jener vom einstigen ORF-Digital-Vordenker Franz Manola? Heißt es zumindest.
Dass Pius Strobl das Bau-Projekt zu einem guten Ende bringen soll, war immer klar. Alles andere wäre unsinnig. Es sind das bereits seit längerem bestehende Verträge und keine, die neu geschlossen wurden. Das heißt auch, dass er seine anderen Funktionen ebenfalls weiter ausübt. Mit Manola werde ich in Abstimmung mit Roland Weißmann Gespräche über die zukünftige Zusammenarbeit führen. Insofern sind also beide Gerüchte falsch.
Es laufen die Budgetgespräche fürs Programm der kommenden Saison 2021/22. Da haben Sie in den vergangenen Monaten selbst einige Akzente gesetzt, etwa indem Sie ORF1 „Starmania“ gegen die Quotenflaute verordnet hatten. Was kommt da noch, was soll bleiben? Das sind ja Entscheidungen, die aufgrund des Vorlaufes tatsächlich jetzt noch getroffen werden müssen.
Wir werden im Herbst noch eine große Programm-Offensive starten können, die Werbung läuft gut und damit sind auch weitere Einnahmen da, um noch mehr ins Programm zu investieren. Um das hohe Marktanteils-Niveau halten zu können und damit der ORF gut ins nächste Jahr starten kann, wollen wir also noch möglichst viele tolle Programme im Herbst verwirklichen. Auch Filme und Serien, die erst fürs nächste Jahr geplant waren, werden wir noch auf 2021 vorziehen können. Also, man wird auch sehr darauf schauen, dass die Channels in der Übergangszeit funktionieren. Für 2022 ist zudem bereits „Starmania“ fixiert. Und weil Filme und Serien vorgezogen werden, wird entsprechend produziert werden und wir haben budgetären Spielraum für nächstes Jahr. Damit ist gewährleistet, dass das Abkommen, das Roland Weißmann und ich mit der heimischen Filmwirtschaft geschlossen haben, umgesetzt wird. Für Nachschub an heimischen Fiktion wie etwa den Landkrimis wird also gesorgt sein.
In dem Zusammenhang relevant ist die Frage nach Alexander Hofer, der ORF2-Channel-Manager und als quasi-dauer-interimistischer Unterhaltungschef auch für die Shows in ORF1 verantwortlich ist. Werden Sie ihn verlängern?
Ich bin sehr froh darüber, dass er zur Verfügung steht und das zusätzlich zu ORF2 sehr erfolgreich macht. Es ist wichtig, dass das klargestellt ist, weil er ja auch die wesentlichen ORF1-Unterhaltungsprogramme gestalten muss.
Programm-Offensive. Zum Ausklang der Geschäftsführung wird das ORF-Programm kräftig aufgemascherlt. Gut laufende Werbeeinnahmen machen sogar das Vorziehen von erst im nächsten Jahr geplanten Filmen und Serien möglich.
Einige Höhepunkte (Auszug):
ORF-Fiktion
Am 14. September startet die 20. und letzte Staffel von „SOKO Kitzbühel“ in ORF 1. Ganz neu ist die Comedyserie „Familiensache“ ab 20. September. Geplant sind auch frische Folgen von „Vienna Blood“ und des „Landkrimis“.
Show
Ab 24. September drehen sich wieder die „Dancing Stars“. Hans Knauss präsentiert ab 13. Oktober „Österreich vom Feinsten“.
Kultur/Universum
Die Wiener Philharmoniker aus Barcelona am 19. September, ein „Universum: die Nationalparks“ am 29. September/5. Oktober.
Auch die Produzenten werden nun beruhigter sein, die natürlich auch genau verfolgen, was sich im ORF abspielt und registriert haben, das etwa bei ORF1 Abspiel-Budgets für österreichische Fiction über die Jahre heruntergefahren wurden.
Produktion und Abspiel-Budgets sind kommunizierende Gefäße, das eine hat mit dem anderen zu tun, auch bei der Budget-Planung. Aber das gehört auch zu den Dingen, die mir sehr wichtig sind. Wie die Information, die das Flaggschiff des ORF-Programms darstellt und entsprechend ausgestattet sein muss. Das reicht bis hin zu diesen prekären Dienstverhältnissen, die vor der Wahl öffentlich wurden und die wir jetzt verbessern wollen. Dann starten wir Anfang September mit dem ersten Modul des ORF-Player, das News bezogen ist, es wird die „ZiB Tiktok“ gestartet, also das läuft gut. Ein zweites, das mir natürlich sehr wichtig ist und worauf Weißmann bisher noch nicht so sehr den Fokus darauf hatte, ist das starke Kultur-Engagement des ORF. Natürlich gibt es auch hier eine gewisse Verunsicherung, weil eben ein Wechsel stattfindet. Aber auch da werden wir noch heuer das eine oder andere machen, wird es Aufstockungen bei ORFIII geben können für zusätzliche Kultur-Übertragungen. Also, da wird auch in Richtung Festspiele und der weiteren Kultur-Institutionen klargestellt, dass Kultur auch 2022 wichtig sein wird und der ORF ein verlässlicher Partner ist.
Sie sprachen die Information an. Das bestimmende Thema ist da der multimediale Newsroom, wo die Info-Bereiche aller ORF-Sender und Ausspielkanäle zusammengezogen werden. Sie haben nach der Wahl ein paar Namen in die Luft geworfen und von neuen Jobs und Ausschreibungen gesprochen. Dabei ist das höchst komplex, und wir rätseln, wie sich das bis Jahresende ausgehen soll und ob das nicht schlicht ein Heißluft-Ballon war?
Die Basis, die entsprechende Organisationsanweisung, liegt im Wesentlichen schon vor. Als nächstes wird es die vorgegebenen Gespräche mit Betriebsrat und Redakteursrat darüber geben. Das kann bis Ende September abgeschlossen sein. Dann folgen die Ausschreibungen und in der Folge wird man auch wissen, wer wofür zur Verfügung steht oder sich vielleicht schon im Zuge der jetzt laufenden Direktoren-Ausschreibungen eher angesprochen fühlte. Es gibt dann die vorgeschriebenen Hearings und die Bestellungen. Das hat seinen Zeitlauf durch vorgegebene Fristen. Es ist ja auch nicht so, dass alles auf den Kopf gestellt wird.
Was da jetzt passiert, da schauen alle sehr genau hin und hören auch genau hin.
Es bleibt ja auch vieles gleich im Newsroom wie etwa bei den Sendungsverantwortlichen. Ich denke, dass ich da in einer guten Übereinstimmung mit Roland Weißmann bin, wenn ich meine, dass man nicht krampfhaft etwas verändern wird müssen. Und das gilt ja auch für jene, die ich schon genannt habe und was dann missverstanden wurde. Und um die Frage vorwegzunehmen: Armin Wolf ist Mitglied der Fernseh-Chefredaktion und für die schon sehr erfolgreichen Social Media-Auftritte zuständig, woran er mit seinem kleinen Team arbeitet. Ich würde es als eine gute Lösung sehen, wenn er das, was er tut, einfach weitermacht. Das gilt auch für die Moderation der „ZiB2“. So habe ich das bei ihm und den anderen nach der Wahl Genannten auch gemeint.
Was Ihnen noch bevorsteht, ist der Gebühren-Antrag, der gesetzlich vorgegeben ist. Nichts tun, geht also nicht.
Der Antrag zur Neufestsetzung ist bis zum Jahresende von mir zu stellen. Das heißt, ich werde mich in den nächsten Wochen auch damit auseinandersetzen.
Über die Höhe wird da und dort schon spekuliert. Bisher lag sie häufig unter der Inflationsrate. Was schwebt Ihnen vor?
Da es in meiner Verantwortung als ORF-Geschäftsführer liegt, werde ich den Antrag stellen und bis dahin werde ich mich damit auseinandersetzen.
Haben Sie einen Rat für Ihren Nachfolger – zum Beispiel, gönnen Sie sich Alexander Wrabetz als Konsulenten?
Das ist hoffentlich nicht ernst gemeint. Ratschläge an den Nachfolger richtet man jedenfalls nicht über die Zeitung aus.
Jetzt ist tatsächlich für Sie der Tag gekommen, sich mit einem Plan B auseinanderzusetzen. Wie sieht er aus?
Ich werde zunächst einmal überlegen, welche Gespräche ich weiter vertiefen werde. Aber da sind ja noch ein paar Monate Zeit. Man wird von mir hören.
Wollen Sie im Medienbereich bleiben?
Ich denke, dass es mit Medien im weiteren Sinn zu tun haben wird. Mehr ist dazu derzeit nicht zu sagen.
Danke für das Gespräch.
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