Fehlende Organisationsanweisung
Zunächst: Um Wolf zu einer Führungsposition zu bestellen, müsste es diese erst geben. Wrabetz hat am Tag der Wahl von Roland Weißmann zum neuen Generaldirektor von vier neuen Führungspersonen im neuen Newsroom gesprochen, die er vor seinem Ausscheiden noch bestellen möchte, um die ORF-Information vor eine politischen Umfärbung zu bewahren. Zwei Frauen und zwei Männer sollen sie als Chefredakteure bei Radio, Fernsehen, Online und Digital leiten, so Wrabetz. Allein: Mehr als diese Absichtserklärung ist im ORF noch nicht hinterlegt. Dazu fehlt eine Organisationsanweisung, die klärt, welche Aufgaben das künftige Führungspersonal konkret hat.
Doppelrolle mit Moderation möglich?
Erst wenn diese vorliegt, lässt sich überhaupt erst ableiten, ob eine Doppelrolle Moderator/Digitalchef überhaupt möglich wäre. Denn Fakt ist: Wolf ist auch jetzt schon formal stellvertretender Chefredakteur in der „Zeit im Bild“ und als solcher für Social Media-Auftritte der Redaktion zuständig, wie er sagt. Und er moderiert die „ZiB2“.
Wolf muss sich nicht bewerben
Last but not least: Wenn Wolf sich nicht für diesen Job bewerben will, muss er das auch nicht tun. Man könnte ihn immer noch versetzen (dafür gibt es aber keinerlei Indizien, denn Wolf ist zwar ein hartnäckiger Interviewer, aber zu allen politischen Akteuren gleich unerbittlich). Und er selbst erweckt nicht gerade den Eindruck, hier Veränderungsbedarf zu haben. „Ich bin seit vielen Jahren in der „ZiB"-Chefredaktion für Digitalprojekte und für die erfolgreichsten Social Media-Kanäle des ORF verantwortlich. Weshalb sollte sich das im neuen Newsroom ändern?“, erklärte er am Mittwoch.
Politischer Spielball
Fakt ist aber auch, dass Wrabetz Wolf als politischen Spielball positioniert: Kaum jemand gilt so sehr als Symbol für die politische Unabhängigkeit des ORF wie Wolf. Eine öffentliche Debatte gegen eine Bestellung des ORF-Anchors würde Wrabetz eher in die Hände spielen, weil er damit einen Märtyrer geschaffen hätte. Und: Bestellt er Wolf wirklich, ist es schlicht undenkbar, dass dieser allfälligen Umfärbungsbestrebungen, vor denen Wrabetz warnt, zum Opfer fällt.
All das könnte sich auch als taktische Falle für Wrabetz erweisen: Wenn er es schafft, Organisationsanweisung und Ausschreibung zeitgerecht fertigzustellen und Wolf bewirbt sich nicht, ist er brüskiert. Der Ball rollt ins eigene Tor.
Ist Wrabetz glaubwürdig?
Die Glaubwürdigkeit des ORF-Chef ins Sachen Personalbestellung lässt sich hinterfragen: Als er 2010 den SPÖ-Wunsch Fritz Dittlbacher zum „ZiB“-Chefredakteur machte wollte, protestierte sein damaliger Infodirektor Elmar Oberhauser lautstark dagegen. Oberhauser wurde daraufhin das Vertrauen entzogen, er wurde vom damals SPÖ-dominierten Stiftungsrat abgewählt. Als sich die Farbenlehre auf Bundesebene 2016 änderte, überlebte Dittlbacher nicht lange. Die Zuständigkeiten wurden geändert und bei der neuen Ausschreibung kam 2018 der heutige Chefredakteur, Matthias Schrom, zum Zug. Dem Vernehmen nach, weil die damalige Regierungspartei FPÖ mit ihm gut leben konnte. Armin Wolf meinte in einer Dankesrede bei der KURIER ROMY 2019 live und in Richtung Wrabetz: „Zu Tode gefürchtet ist auch tot.“
Das Erbe Mück
Ihren Job machten übrigens beide tadellos. Bis zur Ära Wrabetz, der 2006 auf die ÖVP-Kandidatin Monika Lindner folgte, gab es den konservativen Chefredakteur Werner Mück, der die Redaktion an die Kandare nahm. Das führte zu heftigen Protesten der Redaktion - unter anderem von ausgeprägten Persönlichkeiten wie Wolf, der in einer Rede das System Lindner/Mück anprangerte. Noch heute gilt diese Konstellation als Drohkulisse für den bürgerlichen Zugriff auf die ORF-Information. Wrabetz gelang mit diesem Rückenwind (und wegen einer innerkoalitionären Verstimmung zwischen ÖVP und BZÖ) damals die politische Sensation: Gegen den Wunsch der damaligen Kanzlerpartei ÖVP wurde er 2006 von einer Regenbogenkoalition zum Generaldirektor gewählt - Personalabsprachen inklusive.
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