Theater der Jugend (Wien): Mit Maske UND Mut zu (Gedanken-)Reisen
Zehn Tage vor der Premiere von „Frühlings Erwachen kam der Lockdown. Nun kommt das Stück – nach Frank Wedekind, „in unserer Version bleiben zwar Eckpunkte, aber kein Wort auf dem anderen“, so der Langzeit-Direktor des Theaters der Jugend in Wien, Thomas Birkmeir. Obwohl er sich als ansonsten sehr werktreuen Regisseur versteht, hat der diese Erwachen pubertärer Gefühle – das es gerade in Corona-Zeiten nicht leicht hatte, so adaptiert, dass er es gar als Uraufführung tituliert und unter seinem Namen spielen lässt.
Reisen und (Selbst-)Isolation sind die Themenschwerpunkte die der künstlerische Leiter der Institution mit zwei Häusern – Renaissancetheater und Theater im Zentrum bei der Saison-Auftakt-Pressekonferenz nennt. Mit einer Auslastung jenseits der 96 % (96,6%, Besucher_innen gesamt: 247.235, Abonnent_innen gesamt: 38.698; 2019/2020: Oktober bis Mitte März: 96%) schafft das Theater der Jugend, das von Bund und Stadt Wien subventioniert wird, einen Eigendeckungsgrad von ca. 43 % (3-Jahresdurchrechnung 2016 bis 2019). Den muss es erwirtschaften. Er hätte lieber eine höhere Förderung, um Kartenpreise senken zu können, denn diese sind für ärmere Familien nicht leicht erschwinglich.
Kultur-Gutschein!
„Mut zur Kultur“ wünscht sich der Direktor, der anregt, analog dem Gastro-Gutschein, den er begrüßt und für den die Stadt Wien ca. 40 Millionen Euro ausgibt, auch einen Kulturgutschein. „Ein Kalbschnitzel ist ein Wohlgenuss für einen Tag, Kultur womöglich für ein ganzes Leben.“ Und zitierte Goethe in seinen alten Tagen: „Man sollte alle Tage ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.“
Kultur steigert Wohlbefinden
Außerdem verwies Birkmeir auf Erkenntnisse von Wissenschafter_innen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die die Wirkung von Kunst auf Menschen unterschiedlichsten Alters untersucht haben. Dabei zeigt sich, dass sowohl die aktive künstlerische Betätigung als auch die „passive Kunstnutzung“ zu einer „Steigerung der funktionellen Verbindungen im Ruhenetzwerk des Gehirns führt“, sprich das subjektive Wohlbefinden steigt, die psychologische Widerstandsfähigkeit verstärkt sich, schlicht: dem Menschen geht es besser.
ABOflexibel
1, 4 Millionen Euro macht der Einnahmenausfall durch den Lockdown aus, bezifferte die wirtschaftliche Leiterin, Sonja Fretzer, den Verlust, der aus Rücklagen gedeckt ist. Da das Theater der Jugend nur zum geringeren Teil vom Bund subventioniert werde, müsse der Theaterverein nun beim Bundes-Topf für Non-Profit-Organisationen um Unterstützungsmittel ansuchen.
Heuer sinke zwangsläufig der Anteil an Eigendeckung. Im besten Falle – wenn möglichst ganze Klasse kommen, die als Gruppe bei gelten, können im Renaissancetheater 511 statt 700 Sitzplätze – personalisiert - verkauft werden, im Theater im Zentrum 186 statt 220. Täglich müssen die frei zu bleibenden Sitzplätze neu beschildert werden. Dafür und für die Einhaltung der Abstandsregeln, Desinfektion usw. brauche es auch mehr Personal im Foyer und im Saal. Bleibt die Corona-Ampel in Wien auf gelb, müssen die Besucher_innen auch während der gesamten Vorstellung – und in der Pause – maskiert bleiben. Bei Essen und Trinken in der Pause – muss ein entsprechender Abstand eingehalten werden, so Fretzer.
Das Theater der Jugend hat ein neues „ABOflexibel“ eingeführt, mit dem auf die unsicheren Zeiten reagiert werde – und das ein Monat gelte.
Dass in dieser Saison ausschließlich Männer inszenieren sei „passiert“, weil neben den Verschiebungen dreier Stücke aus der Vorsaison schon zwei anderen Regisseuren zuvor zugesagt worden sei.
In der Bilderstrecke alle acht Stücke der Saison – so sie „normal“ stattfinden kann – im Kürzest-Überblick.
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