Sympathie für den Bösen

Szenenfoto aus "Der talentierte Mr. Ripley" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend, Wien)
„Der talentierte Mr. Ripley“ von Krimi-Spitzenautorin Patricia Highsmith in einer Inszenierung im Theater der Jugend in Wien.

Obwohl wir’s vordergründig lieber hätten, dass immer das Gute siegt, sind wir doch nicht selten von bösen Hauptfiguren fasziniert. Lehnen zwar – danach befragt oder selber auch nur kurz nachdenkend – ihre Handlungen ab, fiebern aber dennoch mit, ob sie’s letztlich schaffen, durchzukommen. Das Happy End ist dann nicht, dass der Intrigant, Betrüger, Mörder hinter Gitter kommt, sondern sich durchschwindelt – oder US-Präsident wird – wie in der Serie „House of Cards“. Oder in „Der talentierte Mr. Ripley“, das in einer eigenen Version kürzlich vielumjubelte Premiere in der kleineren Spielstätte des Theaters der Jugend in Wien (Theater im Zentrum) feierte.

Auch wenn das Schlüpfen in eine andere Identität vielleicht an Facebook & Co. erinnern möge, die Geschichte ist mehr als 60 Jahre alt. 1954 verfasste die Krimi-Autorin Patricia Highsmith den Roman, der so beliebt wurde, dass sie die Hauptfigur in einer Reihe weiterer ihrer Bücher weiter spielen ließ.

Die Grundstory

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Szenenfoto aus "Der talentierte Mr. Ripley" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend, Wien)
Zunächst noch kurz die Grundstory: Tom Ripley (Jakob Elsenwenger) lernt per Zufall den superreichen Herbert Greenleaf (Uwe Achilles) und dessen krebskranke Frau kennen, die sich kränken, dass ihr Sohn Richard, genannt Dickie (Julian Schneider), sich schon jahrelang nicht mehr daheim anschauen hat lassen, sondern ein Lotterleben in Italien führt. Tom tut, als würde er ein guter Freund „Dickies“ sein. Der alte Greenleaf hofft, Ripley könnte den Sohn zur Rückkehr in die USA bewegen und lässt ihn auf einem seiner Schiffe über den Atlantik fahren – ausgestattet mit Geldscheinen. Dem junge Greenleaf, einem untalentierten, erfolglosen Maler, kommt der „Freund“ zwar nicht geheuer vor, er kann sich beim besten Willen nicht an ihn erinnern, aber seine Gegenwart verschafft ihm ein bisschen Abwechslung zur eher klammernden Freundin Marge (Ursula Anna Baumgartner). Tom kann sich das Vertrauen des reichen Erben erschleichen, treibt sogar einen Keil in dessen Beziehung und tötet Dickie auf einer Bootsfahrt, um dessen Identität anzunehmen, in dessen Namen einen Brief an Marge zuschreiben, dass er Abstand brauche und vertschüsst sich nach Rom. Da taucht ein alter Freund des jungen Greenleaf, Freddie Miles (Uwe Dreysel) auf. Den beseitigt er auch. Die Polizei in Person des Kommissars Tenente Roverini (Frank Engelhardt) schöpft Verdacht, meint jedoch, den jungen Greenleaf vor sich zu haben. Tom wird wieder zu Tom und versucht mit einem Abschiedsbrief einen Selbstmord Dickies vorzutäuschen.

Wandelbarer Raum

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Szenenfoto aus "Der talentierte Mr. Ripley" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend, Wien)
Zur Inszenierung (Regie: Thomas Birkmeir): Ein fast leerer Raum – lediglich drei weiße Würfel und einige in den Boden eingelassene LED-Reihen- wird von einem (20 Kilometer langen) doppelreihigen Gummiband, das an italienische Schnürlvorhänge erinnert, begrenzt (Bühne: Goda Palekaitė). Per Klick verwandelt sich dieser durch wechselnde Lichtstimmungen (Fritz Gmoser) – und manchmal Video-Einspielungen von der Wolkenkratzer-Skyline zu einem eleganten Salon, in ein Segelboot, ein edles Hotelzimmer, zur billigen Wohnung...

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Szenenfoto aus "Der talentierte Mr. Ripley" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend, Wien)
Wie Francis „Frank“ Underwood steigt Tom Ripley hier hin und wieder aus seiner Rolle raus, wendet sich direkt ans Publikum, verrät seine Tricks – die Lüge funktioniert oft am besten durch Preisgabe der Wahrheit, weil die viele dann gar nicht glauben wollen. So zieht er die Zuschauer_innen sozusagen ins Vertrauen, macht sie zumindest zu Mitwisser_innen. Er gesteht, eigentlich nichts zu können außer „brillant lügen, betrügen, Unterschriften fälschen und Leute nachmachen“. Das macht er noch dazu recht charmant. Und schon fiebern alle mit ihm mit. Gut, zur eigenen (Zuschauer-)Entschuldigung könnte anfangs noch dienen, dass er eh nur dem reichen Schnösel Geld aus der Tasche zieht. Aber, immerhin mordet der Typ ja! Und wie – in beiden Fällen in Zeitlupe mit einem Anflug von Slapstick, so dass die Taten nicht ganz so grausam wirken.

Doch ganz lässt die Inszenierung das Publikum nicht in das Lager des bösen driften. Als er Dickies Freundin Marge gegen Ende in den Wahnsinn zu treiben versucht, verspielt er doch einiges an Sympathie. Immerhin!

Was sonst noch – neben einer starken Leistung aller Ensemble-Mitglieder und dem wunderbar wandelbaren Raum samt Licht, Videos und Musik – anzumerken bleibt: Es schadet den ganzen zwei spannenden Stunden nicht im geringsten, dass das Stück zur Zeit des Romans – ganz ohne Handys, mit Schiff-Überfahrt statt Flug usw. – angesiedelt ist ;)

Sympathie für den Bösen
Szenenfoto aus "Der talentierte Mr. Ripley" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend, Wien)
Der talentierte Mr. Ripley
von Patricia Highsmith
Theater der Jugend/Wien
in einer Fassung von Thomas Birkmeir
Ab 13 J., 2 Stunden

Tom Ripley Jakob Elsenwenger
Richard Greenleaf Julian Schneider
Marge Sherwood /
Signora Buffi Ursula Anna Baumgartner
Freddie Miles Uwe Dreysel
Tenente Roverini Frank Engelhardt
Herbert Greenleaf Uwe Achilles

Regie Thomas Birkmeir
Bühne Goda Palekaitė
Kostüme Susanne Özpınar
Dramaturgie Gerald Maria Bauer
Licht Fritz Gmoser

Assistenz/
Teilinspizienz Felix Metzner
Teilinspizienz Florian Pilz
Hospitanz Gregor Schmidinger

Aufführungsrechte Diogenes Verlag AG Zürich

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Szenenfoto aus "Der talentierte Mr. Ripley" im Theater im Zentrum (Theater der Jugend, Wien)
Wann & Wo?
Bis 29. März 2017
Theater im Zentrum: 1010, Liliengasse 3
Telefon: (01) 521 10-0
www.tdj.at

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