Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben: Die Gastronomie leidet unter Corona
David Figar ist ein Optimist. Der Betreiber der gleichnamigen Lokale im 7., 4. und 2. Bezirk in Wien posiert auch noch in knallroter Badehose für ein Foto, wenn vor seinem Lokal eine große U-Bahn-Baustelle ist (wie vorigen Sommer). Weil: „Irgendwie muss es ja weitergehen.“ Derzeit sieht aber sogar Figar „schwarz“, wie er dem KURIER erzählt. Seit 17. März sind seine Cafés geschlossen.
Dass er ab 15. Mai wieder bis 23 Uhr geöffnet halten darf – wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag angekündigt hat – mache es für ihn nicht wesentlich besser. Und das liegt an den strengen Regeln und Beschränkungen.
Sein Lokal in der Kirchengasse ist klein, mit zwölf Tischen und maximal 40 Sitzplätzen.
Wenn man dort den Mindestabstand einhalten will, bleiben drei, maximal vier Tische, die er Gästen anbieten kann. Im Gastgarten ist es ähnlich. „Ich kann so nicht überleben“, sagt Figar – obwohl er die Restriktionen nachvollziehen könne.
So wie ihm, dem Szenegastronomen, geht es vielen seiner Kollegen. Restaurantbetreibern, Kaffeehausbesitzern, Beislchefs, Heurigenwirten, Bar- oder Clubbesitzern.
Die Sorgen, die Gastronomen plagen, sind überall ähnlich: Jene, die am 15. Mai aufsperren dürfen, die fürchten massive Umsatzeinbußen. Die, die (noch) nicht Mitte Mai aufsperren, wissen nicht, wie lange sie noch durchhalten können.
Völlig offen ist etwa, wie es mit Nachtlokalen weitergeht, mit Clubs, Bars und Beisln. Ob und wenn ja, wann und unter welchen Bedingungen sie öffnen dürfen, wird – wie der Kanzler angekündigt hat – nächste Woche Dienstag bekannt gegeben.
Die Befürchtung ist, dass sie angesichts der Abstandsregeln vielleicht gar nicht aufsperren dürfen.
Prekär ist die Lage aller Gastronomen auch, weil viele keinen Cent aus den Soforthilfen gesehen haben. Das Wirrwarr an Verordnungen hat den Rechtsanspruch auf Verdienstentgang nämlich ausgehebelt. Eine Wiener Anwaltskanzlei bereitet derzeit eine Verfassungsklage vor.
Ideen für den Notfall
Kein Geld von der Bundesregierung gab es beispielsweise für den Heurigen Nastl im niederösterreichischen Langenlois. Die Art, wie die Maßnahmen gehandhabt werden, findet Betreiber Günter Nastl kompliziert: „Es wäre einfacher, das über das Finanzamt zu spielen. Die kennen meinen Umsatz, wissen, was ich an Steuern bezahlt habe“.
Daraus könnte man dann einen Zuschuss berechnen. Um seine Kunden zu erhalten, bietet der Heurige derzeit Jausenpakete an. Das mache den fehlenden Umsatz aber auch nicht wett.
Um sich irgendwie über Wasser zu halten, hat das Dezentral, ein Café mit Barbetrieb in der Leopoldstadt, eine Crowdfunding-Aktion gestartet. „Die Idee ist aus der Notwendigkeit heraus entstanden“, sagt Wirt Robert Heinzl.
Auch er hat noch keine Soforthilfen der Regierung erhalten. Und nach der Nichtraucherflaute im Vorjahr stolpere er jetzt ins Nichts wegen Corona. „Auf diese Art versuchen wir, den Schaden wenigstens ein bisschen abzufangen“, sagt Heinzl.
Auch andere Lokale und Kulturbetriebe in Wien haben das schon so versucht.
Espresso statt Martini
Sigrid Schot, Chefin der Hammond Bar in der Leopoldstadt, würde sogar zwischenzeitlich ihr Lokalkonzept ändern – sofern das erlaubt ist und die Nachtwirtschaft nicht so bald wieder zum Leben erweckt werden sollte: Statt eines Barbetriebs würde sie dann – zwischenzeitlich – auf Café-Betrieb untertags umstellen.
45 Sitzplätze hat die Hammond, bei Einhaltung des Mindestabstands müsste jeder dritte Barhocker frei bleiben, zwei Drittel des Umsatzes würden ihr wohl wegbrechen.
Dennoch: Sobald sie darf, sperrt sie auf: „Wir sind voll auf Stand-by. Wenn’s ist, können wir binnen vier Stunden aufmachen“, sagt Schot. Jeder Euro, den sie einnehmen könne, helfe ihr.
Kaum Optimismus versprühen hingegen die Clubbesitzer. Viele bangen um ihre Existenz. „Sollten Clubs länger als bis September geschlossen halten müssen, droht vielen die Insolvenz“, heißt es von der Wiener Club Commission. Das aktuelle Kurzarbeitsmodell sei für einige ab Mai keine Lösung mehr: Wenn der Club geschlossen bleibt, gibt es schlicht keine Arbeit für die noch eingestellten Mitarbeiter.
Was bedeuten all diese Unsicherheiten für die Gäste? Manche Lokalbetreiber könnten sich dazu entscheiden, vorerst gar nicht aufzusperren, obwohl es erlaubt wäre, sagen Gastro-Insider: Wenn die Lokale nicht voll werden (dürfen), rechnet sich der Betrieb nicht.
Der KURIER bat Mario Pulker, Gastro-Obmann in der Wirtschaftskammer, zum Gespräch.
KURIER: Riskieren die Wirte, staatliche Hilfen zu verlieren, wenn sie am 15. Mai wieder öffnen?
Mario Pulker: Wir raten tunlichst, wenn man die Möglichkeit auf Einnahmen sieht, diese auch zu machen und sich nicht auf Zuschüsse zu verlassen. Es ist unwahrscheinlich, dass man aus einem staatlichen Topf mehr Geld kriegt, als wenn man seinen Betrieb aufsperrt.
Das Personal muss Gesichtsschutz tragen. Wie groß ist die Angst vor Ansteckung?
Das Masken-Thema ist nicht Hauptsorge der Betriebe. Das Problem ist eher, dass einige Mitarbeiter nicht von der Kurzarbeit zurück in den Normalbetrieb gehen wollen.
Zahlt es sich bei all den Einschränkungen überhaupt aus, aufzusperren?
Anstatt sich darauf zu fokussieren, dass im Service Masken getragen werden müssen, kann ich Betrieben nur raten, zu überlegen, wie sie jetzt und in Zukunft ein Geschäft machen können. Corona wird uns noch sehr lange begleiten.
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