So viele Parteien wollen die Wiener SPÖ stürzen

Die Statue des Rathausmann vor dem Wiener Rathaus unter blauem Himmel.
Neue, kleine Fraktionen am linken und rechten Rand bringen die etablierten Parteien bei der Wien-Wahl unter Druck.

Sie haben es schon unter vielen Namen probiert – jetzt versuchen sie es mit „Links“. Sie, das sind ehemalige Organisatoren der Donnerstags-Demos, ein früheres SJ-Mitglied, ein Vorstandsmitglied von SOS-Mitmensch und Flora Petrik, Ex-Grüne, Ex-Junge-Linke.

Am Samstag hat sich die neue politische Organisation „Links“ in Rudolfsheim-Fünfhaus gegründet, mit dem Ziel, in Wien linke Stimmen abzuholen. Und zwar von jenen, die sich von SPÖ und Grünen nicht mehr vertreten fühlen.

Doch nicht nur das Projekt „Links“ könnte die etablierten Parteien im Wahlkampf um die Aufmerksamkeit der Wiener (und um den einen oder anderen wichtigen Prozentpunkt) bringen: Im kommenden Herbst schielen so viele Parteien aufs Wiener Rathaus wie noch nie.

Vor allem am linken und rechten Ende des Polit-Spektrums herrscht Gedränge.Insgesamt bekunden jetzt schon bis zu zehn Parteien, Wien-weit zur Wahl antreten zu wollen: Neben SPÖ, FPÖ, Grünen, ÖVP und den Neos sind das die blaue Abspaltung DAÖ, die neue „Links“-Partei, die Migrantenpartei SÖZ, die Christen (CPÖ), die Bierpartei und – eventuell – die Liste Jetzt.

Wer Erfolg haben könnte, ist (noch) schwer zu sagen. Klar ist: Noch nie war die SPÖ so in Bedrängnis, noch nie gab es so viele mögliche Koalitionsvarianten. Und zwar erstmals auch an den Roten vorbei, die seit 1945 den Wiener Bürgermeister stellen.

Vor welchen Herausforderungen stehen die etablierten Parteien?

1. Zwei neue Listen nagen an der Wiener SPÖ.

Unter schwierigen Voraussetzungen muss Michael Ludwig seine erste Wahl als Bürgermeister schlagen. Droht doch das Siechtum der Bundespartei auf die Wiener SPÖ abzufärben.

Ein Mann in Anzug und Krawatte spricht vor einem Weihnachtsbaum.

Michael Ludwig schlägt seine erste Wahl als Bürgermeister.

„Die bundespolitische Situation ist nicht hilfreich, umso wichtiger wird es sein, mit einem Themenwahlkampf deutlich zu machen, dass es sich um eine lokale Wahl handelt“, sagt ein SPÖ-Funktionär. Derzeit dümpeln die Roten in Umfragen bei 32 bis 35 Prozent herum.

Von diesen will sich auch „Links“ etwas holen. Denn die SPÖ mache in Wien „keine linke Politik mehr“, sagt Sprecherin Anna Svec. Und zwar nicht, weil sie es nicht könne, sondern auch, weil sie sich nicht traue.

Eine junge Frau mit kurzen, braunen Haaren und einem schwarzen Blazer blickt in die Kamera.

Ex-Grüne Flora Petrik wird Geschäftsführerin von „Links“. 

Auch ein Ex-SPÖler will bei „Links“ andocken: Christoph Baumgärtel, der bei den Roten in Langenzersdorf engagiert war – manchen dort zu sehr. Baumgärtel gilt als „Kampfposter“, der auf Facebook viele Kommentare hinterließ, die unter der Gürtellinie waren.

Ziel von „Links“ ist es übrigens, gemeinsam mit den anderen linken Parteien – KPÖ, Wandel und Wien Anders – zu kandidieren.

Ein Mann mit Bart und Krawatte vor einer Landschaft.

Christoph Baumgärtel war bei der SPÖ, will nun zu „Links“.

Stimmen kosten dürfte die SPÖ vor allem die Migrantenpartei SÖZ (Solidarisches Österreich der Zukunft) um Hakan Gördü. Türkischstämmige, teils religiös-konservative Wähler tendieren zu linken Parteien, die migrantenfreundlich agieren. Viele sind aber von der SPÖ enttäuscht.

Gördü ist politisch erfahren, in der migrantischen Community bekannt und hat Zehntausende Follower auf Social Media. Das kann punkto Mobilisierung Gold wert sein.

Ein Mann mit Bart und blauem Hemd sitzt in einem Restaurant.

Hakan Gördü gründete die „Migrantenliste“ SÖZ.

Er will SÖZ als „sozial-liberale“ Partei positionieren. Offen ist weiterhin, ob die ehemalige „Liste Jetzt“-Abgeordnete Martha Bißmann für SÖZ ins Rennen geht.Die SÖZ ist nicht die erste Migrantenpartei, die in Wien zur Wahl antritt.

Die Liste „Gemeinsam für Wien“ verfehlte 2015 den Einzug in den Gemeinderat klar. SÖZ müsse man aber „ernster“ nehmen, meint Soziologe Kenan Güngör, ein Kenner der migrantischen Community. Den Einzug in den Gemeinderat hält er zwar für schwierig, SÖZ sei aber ein "Achtungserfolg" zuzutrauen.

Freilich: Auch 2015 konnte die SPÖ ihr Potenzial erst auf der Zielgeraden ausschöpfen und klar gewinnen. Ausschlaggebend war die Furcht vieler vor einem Bürgermeister Heinz-Christian Strache.

Die SPÖ konnte so 2015 viele Grün-Sympathisanten auf ihre Seite ziehen. Strache fällt diesmal als Schreckgespenst weg. Also warnt die SPÖ vor einer möglichen Koalition aus ÖVP, Grünen und Neos.

Heinz-Christian Strache plant ein politisches Comeback.

Heinz-Christian Strache will mit DAÖ 15 Prozent erreichen-

Realistischer ist , dass sich eine geschwächte, aber doch deutlich auf Platz eins bestätigte SPÖ nach der Wahl zwischen zwei Partnern – Grüne und ÖVP – entscheiden kann. Was sie in eine gute Verhandlungsposition bringt. Wen Ludwig präferiert, ist offen.

2. Die FPÖ bekommt es mit Liste Strache zu tun.

Bei den Blauen stellt sich derzeit allein die Frage, wie tief der Absturz sein wird. Mit selbst für FPÖ-Verhältnisse scharfen Tönen gegen Migranten versucht Neo-Parteichef Dominik Nepp von den internen Querelen abzulenken.

Ein Mann im Anzug lächelt vor einem Hintergrund mit dem FPÖ-Logo.

Neo-Parteichef Dominik Nepp versucht, abzulenken. 

Dass Heinz-Christian Strache mit der DAÖ bei der Wien-Wahl antritt, ist so gut wie fix. Finanzieren will die DAÖ den Wahlkampf mit „Spenden von großzügigen Unterstützern“ und Krediten, wie Klubchef Karl Baron wissen lässt.

Statt weitere abtrünnige FPÖ-Gemeinderäte aufzunehmen, die nur ihr Mandat retten wollen, will man künftig Quereinsteiger rekrutieren, ist aus Parteikreisen zu hören.

Viel mehr als ein Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde wird der Partei, die wohl auch bald Strache im Namen führen wird, nicht zugetraut. Das reicht aber, um die FPÖ weiter empfindlich zu schwächen.

3. Die ÖVP steht vor einer internen Richtungsdebatte.

In der ÖVP zeichnet sich an oberster Stelle eine interne Debatte darüber ab, wohin es nach der Wahl gehen soll. Wenn diese – wie zu erwarten ist – erfolgreich verläuft, dann könnte die ÖVP im besten Fall zwei Optionen haben.

Die Erste: Sie könnte in einer Dreier-Konstellation mit Grünen und Neos erstmals den Bürgermeistersessel erobern. Das ist das mehr oder weniger erklärte Ziel von Spitzenkandidat und Finanzminister Gernot Blümel.

Ein Mann in einem Anzug spricht an einem Mikrofon.

ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel schlielt auf den Bürgermeistersessel .

Die Zweite: Die ÖVP könnte als Juniorpartner in eine Koalition mit der SPÖ gehen. Das, so heißt es, sei die bevorzugte Variante des starken ÖVP-Wirtschaftsbundes rund um den Kammer-Chef Walter Ruck.

Er halte es demokratiepolitisch für falsch, am Stimmenstärksten vorbei zu regieren, sagte Ruck jüngst im KURIER-Interview.

Wer wird sich durchsetzen? Das entscheidet sich zum einen daran, wie gut Blümel tatsächlich abschneidet. Und zum anderen wohl daran, wie sehr Ludwig die ÖVP umwirbt.

4. Trauen sich die Grünen mit der ÖVP?

Als Preis für die Koalition mit der ÖVP musste die Partei im Bund Kompromisse eingehen, die früher undenkbar gewesen wären. Das sorgt bei den üblichen Vertretern der Twitter-Blase für Schnappatmung, stört die Wähler aber reichlich wenig.In Umfragen befinden sich die Grünen (auch in Wien) auf historischen Höhenflügen.

„Ich habe in der Partei noch nie so eine gelassene Stimmung erlebt“, sagt ein Funktionär.

Eine Frau steht an einem Rednerpult mit der Aufschrift „Mutig in die Zukunft“.

Birgit Hebein ist erst kurz als Vizebürgermeisterin im Amt.

Retten die Grünen diesen Schwung über die Ziellinie, wären sie bei einer Regierungsbeteiligung mit zwei oder gar drei Stadträten vertreten. Erst kurz im Amt, verfügt Vizebürgermeisterin Birgit Hebein über passable Umfrage-Werte.

Unklar ist, ob sich die Wiener Grünen, die auch parteiintern als besonders links gelten, den Spagat zur Stadt-ÖVP zutrauen.

Konkurrenz droht, falls Peter Pilz mit seiner Liste Jetzt in Wien antritt. Er könnte sich als Option für Wähler präsentieren, die angesichts der Kurz-Kogler-Koalition von den Grünen enttäuscht sind.

Mehr als Nadelstiche dürfte Pilz den Grünen aber nicht zufügen können, wie das Desaster bei der Nationalratswahl vermuten lässt.

5. Die Neos geben sich zurückhaltend.

Die Dreierkoalition Grüne-ÖVP-Neos ist ein von der SPÖ derzeit heraufbeschworenes Schreckgespenst zur Wählermobilisierung – allein Neos-Chef Christoph Wiederkehr selbst hält dieses für unrealistisch.

Sonderlandtag – „Ibiza-Video“: Wiederkehr.

Neos-Chef Christoph Wiederkehr hält eine Dreierkoalition für unrealistisch.

Letzte Umfragen verorten die Pinken bei etwa acht Prozent. Punkten wollen die Neos vor allem mit Sachthemen wie Bildung und Chancengleichheit sowie dem Kampf gegen Freunderlwirtschaft.

Damit wolle man SPÖ-Wähler ansprechen.

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