Autofahrer gegen Radfahrer? Wie das Virus die Verkehrsstatistik prägt
Wien dämmert dahin. Das zeigt sich nicht zuletzt auf den Straßen: Staus am Gürtel oder am Ring gehören der Vergangenheit an. Doch wer lässt eigentlich sein Auto in der Garage stehen? Und welche Gruppen nehmen den freiwerdenden Platz ein? Eine Betrachtung der aktuellen Wiener Verkehrsstatistik.
1. Pendler meiden die Stadt
Aktuell wird ein Traum der Wiener SPÖ Realität: Im Jänner kündigte Bürgermeister Michael Ludwig an, dass die Zahl der Pendlerautos aus Klimaschutzgründen bis 2030 halbiert werden soll.
Auf der Perchtoldsdorfer Straße in Liesing, über die Pendler aus Niederösterreich klassischerweise zum Bahnhof Liesing und der dortigen Park-and-Ride-Anlage fahren, dürfte dieses Ziel aktuell übererfüllt werden: Von Mitte März bis in die erste Aprilwoche ist der Verkehr dort um satte 61,4 Prozent weniger geworden.
Das deutet darauf hin, dass Pendler am aktuellen Verkehrsrückgang in Wien – das Minus beträgt in der ganzen Stadt 52 Prozent – einen nicht unwesentlichen Anteil haben. Insgesamt sind statt 322.595 Pkw derzeit nur 152.242 unterwegs. Die Lkw sind von 13.647 auf 6.793 reduziert.
Auch die Wiener selbst fahren weniger mit dem Auto: Am innerstädtischen Universitätsring wurde ein Minus von satten 60 Prozent verzeichnet (genauso wie auf der Reichsbrücke).
Für die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein sind diese Zahlen Anlass, um einmal mehr die temporäre Umwandlung von Straßen in Fußgänger- oder Bewegungszonen zu fordern.
„Viele Straßenzüge sind kaum oder gar nicht befahren. Dieser Platz ist gerade jetzt wichtig und wir sollten ihn für die Menschen zugänglich machen, die Luft schnappen und sich die Beine vertreten wollen“, sagte sie am Mittwoch.
2. Fußgänger treten auf der Stelle
Auf allzu ausgedehnte Spaziergänge dürften die Wiener aktuell verzichten: Seit die Ausgangsbeschränkungen in Kraft sind, geht die Stadtbevölkerung weniger zu Fuß.
Laut der Schrittzähler-App „Wien zu Fuß“ (die die städtische Mobilitätsagentur entwickelt hat) hat sich die Zahl der Schritte insgesamt halbiert: Legten die Nutzer in der 2. Märzwoche noch 50.749.992 Schritte zurück, waren es in der Woche darauf nur noch 26.616.853 Schritte.
3. In der Krise ist das Rad ein Freizeitgefährt
Radfahrer hätten auf den Straßen aktuell viel Platz. Aber auch sie blieben daheim: Die automatischen Zählstellen registrierten von der 2. auf die 3. Märzwoche rund 22 Prozent weniger Radfahrer – der KURIER berichtete vorab.
Besonders groß war das Minus auf innerstädtischen Routen wie der Argentinierstraße oder am Opernring, über die Radler üblicherweise in die Arbeit gelangen. Große Zuwächse von mehr als 30 Prozent gab es am Donaukanal – der eher Freizeitfahrten dient.
Das heißt: Obwohl das Rad derzeit als Alternative zu den Öffis für notwendige Fahrten beworben wird, schöpft es angesichts der großen Fahrgast-Rückgänge in den Öffis nicht das volle Potenzial aus. Eher scheinen die Wiener auf dem Fahrrad Zerstreuung vom Krisen-Alltag zu suchen.
4. U-Bahn-Nutzer weichen Umsteigeknoten aus
Sowohl die U-Bahn-Garnituren, als auch die Stationen sind derzeit wie ausgestorben. Besonders deutlich ist das Passagieraufkommen in sonst stark frequentierten Umsteigeknoten zurückgegangen: Am größten ist das Minus mit 90 Prozent in der Station Schwedenplatz.
Andere Linienkreuze wie Schottenring, Volkstheater, Spittelau, Landstraße, Längenfeldgasse, Stephansplatz, Praterstern oder Westbahnhof verzeichnen zwischen rund 83 und 86 Prozent weniger Frequenz. Insgesamt beträgt das Passagieraufkommen in den U-Bahn-Stationen nur noch 14 Prozent des Vorkrisenniveaus.
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